Massenaussterben durch einen Gammablitz?
Bei der Nebenunterhaltung auf dem zweiten Monitor habe ich mir die Serie „Apokalypse Urzeit“ heruntergeladen und angeschaut. Die Serie beschäftigt sich mit Massenaussterben zum Ende des Ordoviziums, Devon, Perm und der Kreide. Die Serie ist recht schlecht gemacht, mit grob auflösenden Grafiken aber dem Anspruch, dass man ganz genau weiß, wie sich Tiere damals verhalten haben und was passierte.
Eine Folge habe ich als Aufhänger für den heutigen Blog genommen: Tödliche Strahlen, die sich mit dem Aussterben am Ende des Ordoviziums beschäftigt. Obwohl in dem Film mehrmals gesagt wird „Aufgrund einer umstrittenen Theorie“ wird genau diese Theorie im ganzen Film breitgetreten, inklusive der angeblichen Folgen. Fangen wir mal mit den Fakten an:
- Zu Ende des Ordoviziums starben tatsächlich 85% der Arten aus. Damit ist es das zweitgrößte Massenaussterben nach dem Perm, wenn auch weitestgehend unbekannt.
- Es gibt Gammstrahlenausbrüche, die sehr viel Energie freisetzen, diese sind durch Satellitenmessungen belegt.
Doch gehen wir ins Detail. Gammastrahlenblitze heißen so. Weil sie erstmals 1967 von den Vela-Überwachungssatelliten registriert wurden, die mit ihren Gammasensoren eigentlich Atomexplosionen registrieren sollten. Es handelt sich um hochenergetische Photonen mit Energien von 1 keV bis in den MeV Bereich. Das Maximum der Energie x Teilchenmenge liegt nach Satellitenmessungen bei 250 keV. Höherenergetische Teilchen werden seltener. Als kleine Faustregel: sichtbares Licht hat eine Energie von etwa 2-3 eV. ein einziges Photon eines GRB (Gamma Ray Burst) hat also 100.000-mal mehr Energie als sichtbares Licht.
Die Vermessung von Satelliten zeigt, dass die GRB gleichmäßig am Himmel verteilt sind. Das ist typisch für extragalaktische Ereignisse. Der Grund liegt darin, dass man GRB noch aus enormer Entfernung nachweisen kann. Der leuchtkräftigste war das Objekt GRB 080319B. Er war 7,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt, als er ausbrach. Damit ein Objekt aus dieser Entfernung noch nachweisbar ist, muss es enorm viel Energie freisetzen. GRB gehören zu den Objekten, die am meisten Energie freisetzen. Sie sind sogar energiereicher als Quasare – ein typischer GRB setzt 1045 W/s frei, 100.000-mal mehr als ein Quasar. Nach E=mc² entspricht dies wenn man Masse komplett in Energie umsetzen kann rund 1900 Erdmassen die in Energie umgesetzt werden und diese Masse jede Sekunde. Die meisten GRB dauern weniger als eine Minute.
Nach derzeitiger Erklärung stammen die GRB aus einer Hypernova, das ist, wenn ein extrem massereicher Stern von 100 bis 150 Sonnenmassen direkt zu einem schwarzen Loch kollabiert. Die Masse kann gar nicht so schnell in das schwarze Loch fallen und heizt sich auf und bildet eine Aggregationsschreibe. Bedingt durch die Verringerung des Radius von Millionen Kilometern des Sterns auf wenige Kilometer des schwarzen Loches wird die Rotation beschleunigt, es entsteht eine abgeplattete Scheibe und an der Aggregationsscheibe wird durch die zusammengepresste fusionierende Materie Strahlung nur entlang einer Achse freigesetzt. Wir sehen daher nur die GRB, deren Blitze auf uns gerichtet sind. Die extragalaktische Natur der meisten GRB hat ihre Ursache, dass sie extrem selten sind. Eine Hypernova bildet sich nur bei den massereichsten Sternen. Diese sind extrem selten und so sehen wir nur Ereignisse in anderen Galaxien. In unserer Galaxie gibt es eine Supernova nur alle 100 Jahre, eine Hypernova ist noch seltener. Vor allem gibt es große Unsicherheiten, wie oft diese überschweren Sterne vorkommen. Sie hängen eng mit dem Gehalt an höheren Elementen, die in der Galaxis vorkommen ab.
Doch selbst ein GRB muss sehr nahe an der Erde vorkommen, damit er uns beeinflussen kann. Nach einer Studie weniger als 3000 Lichtjahre. Dabei ermittelte die Studie aber auch das das Vorkommen eines GRB bei unserer Galaxie kleiner als 0,15% ist. Es gibt etwa 100 Milliarden Galaxien, aber nur alle paar Jahre wird ein GRB detektiert, das vermittelt schon einen Eindruck das die Abschätzung in die richtige Richtung ist. Unsere Galaxie hat einen Durchmesser von 100.000 Lichtjahre. Ein Radius von 3000 Lichtjahre ist davon nur ein Bruchteil: wäre sie flach so besteht eine Chance von 0,54% das der Ausbruch in weniger als 3000 Lichtjahren Entfernung stattfindet. Multipliziert mit der Chance von 0,15% für einen GRB wird es noch weniger und das bezieht sich auf die ganze Geschichte unserer Galaxie, nicht nur die letzten 450 Millionen Jahre. Unsere Galaxie wird wie die meisten anderen mindestens 10 Milliarden Jahre alt sein. Kurzum: das muss doch sehr viel Zufall sein das es gerade ein GRB während des Ordoviziums ausbrach.
Die Abschätzung ist aber sehr subjektiv, eine andere Studie kommt auf ein Ereignis alle 170 Millionen Jahre, allerdings in der ganzen Galaxie. Bei einem Radius von rund 50.000 Lichtjahren und maximal 6.000 Lichtjahren Abstand bedeutet das aber das ein Blitz in unserer Nähe nur alle 9,5 Milliarden Jahre Auftritt.
Wie sieht es nun mit den biologischen Folgen aus? Eine Studie hat das untersucht und sie hat zwei GRB mit einer Emission von 5 x 1044 Watt, einer Blitzdauer von 10 s und Distanzen von 2282 und 6520 Lichtjahren modelliert (die krummen Zahlen kommen daher, dass Astronomen gerne mit Parsec = 3,26 Lichtjahren rechnen). Ein GRB emittiert dann, wenn er auf uns zeigt, 10 kW/m² bzw. 80 kW/m² an Leistung. Die Energie selbst ist nicht das Problem – bei Nacht bekommt man von der Sonne 0 kW, und wenn die Sonne 7 Sekunden lang scheint, sind es auch schon 10 kW. Die Energie wird ja nur einmal und nicht dauernd transferiert.
Ein Trugschluss ist es zu glauben, dass nun die Erde mit Gammastrahlen überschwemmt wird. Die Atmosphäre schützt uns und sie tat es auch im Ordovizium. Würde man die Atmosphäre kondensieren so entspricht sie einer 10 m dicken Wasserschicht (was die Masse angeht) und eine solche Schicht schirmt vor Gammastrahlen ab, das macht man sich bei Kernreaktoren zunutze, wo die Brennelemente ja auch unter Wasser liegen und die Gammastrahlen werden durch das Wasser abgeschirmt. Was passiert ist, dass jedes Gammaquant mit etlichen Atmosphärenmolekülen zusammenstößt und jedes Mal Energie verliert. Anfangs ist es so energiereich, dass die Energie, die übertragen wird, nicht nur das Molekül beschleunigt, es reicht aus, es zu ionisieren oder ein Radikal zu bilden. Erst wenn die Energie auf unter 35 eV (von 1000 eV bis 1.000.000 eV) abgesunken ist reicht die Energie nicht mehr zur Ionisation aus. Der Effekt ist jedoch ohne dauernden Fluss nur temporär: Die Ionen und Elektronen oder die Atome finden wieder zusammen. Auf der Erde kommen noch UV-B Strahlen (280 bis 320 nm Wellenlänge) an. Beim fernern GRB sind das noch 20 W/m², etwa 5-mal mehr als bei einem sonnigen Tag. Das wird ohne Effekt eingestuft. Dagegen sind es beim näheren GRB 160 W/m² und das hat dann durchaus einen Effekt. An Land würde das Verbrennungen bewirken. Pflanzen und Tiere könnten daran sterben. Heute, so sagen Berechnungen wäre das für die Menschheit verheerend, da auf der betroffenen Erdhälfte (die andere merkt nichts von dem Ereignis) mit massiven Ernetausfällen zu rechnen ist. Es würde zu Hungersnöten kommen und als Folge zu kriegerischen Auseinandersetzungen um die Nahrung. Doch für das Ordovizium gilt das nicht. Da gab es Leben nur im Wasser. Wasser absorbiert aber UV-Strahlung genauso wie Licht. Die Durchlässigkeit ist abhängig, wie klar das Wasser ist. Gelöste organische Stoffe absorbieren UV noch stärker als Wasser. Genannt werden als Extremwerte 20 m in kristallklaren Bergseen und wenigen Zentimetern in humusreichen Tümpeln. Nimmt man den geometrischen Mittelwert von 1 m, so würde eine Schicht unterhalb 1 m nichts von dem GRB mitbekommen.
Die Dokumentation beschreibt als eine der Wirkungen, dass die Ozonschicht zu 30% abgebaut wird. Ein GRB wird durch die Ionisation der Luft auch neue Moleküle bilden darunter NO. NO katalysiert den Abbau von Ozon, es soll aber auch Sonnenlicht absorbieren und so einen Abkühlungseffekt haben. Auf der anderen Seite ist NO zu reaktiv, um lange in der Atmosphäre zu bleiben. Es bildet rasch Salpetersäure, die dann ausregnet. Wenn 30% der Ozonschicht abgebaut werden wie groß sind die Folgen? Die Ozonschicht absorbiert heute 98% der solaren UV-Strahlung, das bedeutet, es kommt nun mehr UV-Strahlung zur Erde. Im Film tötet dies das Phytoplankton. Da dies die Nahrungsgrundlage der anderen Tiere ist, bewirkt, das im Prinzip das Aussterben aller arten, da alle vom Phytoplankton abhängen. Der Bericht postuliert auch das Korallen von den Pflanzen verlassen werden die sich in ihnen befinden. Gerade die sind aber mit Sicherheit in einer Tiefe, die sicher ist, denn nahe der Wasseroberfläche sind sie auch Wellen ausgesetzt und die waren im Ordovizium, als der Tag nur 21,5 Stunden lang war und der Mond viel näher bei der Erde war viel stärker.
Die Argumentation hat aber zwei Schwachpunkte. Das eine ist, dass das auch die solare UV-Strahlung abgeschwächt wird. Die intensivere UVA sogar noch stärker als die UVB und unter 185 nm Wellenlänge ist Wasser sogar undurchsichtig für UV. Auch hier wäre also nur die oberste Wasserschicht betroffen. Leben, auch das von Phytoplankton, gibt es aber nicht nur im obersten Meter des Wassers. Das zweite ist, dass es damals noch keine dichte Ozonsicht gab, es gab viel weniger Sauerstoff. Die Stärke der Ozonschicht lag zwischen 1% des heutigen Levels, die im Kambrium erreicht wurden und 10% die im oberen Silur erreicht wurden, also nach dem Ordovizium. Dieser Pegel ermöglichte erst die Besiedlung des Landes. Das bedeutet aber: es kam schon solare UV-Strahlung in die Ozeane, und die oberste Wasserschicht war schon vorher tödlich. Daran sind die Lebewesen sicher angepasst gewesen.
Der Film wird dann noch abstruser und nun fehlen auch die Erklärungen: Schon nach 10 Jahren soll die Temperatur im Wasser um 10 Grad gesunken sein. Ich vermute, man nimmt einen Rückstreuungseffekt durch NO an. Doch dass müsste enorm viel sein. Selbst wenn heute Wolken die ganzen Ozeane bedecken würden, dann würde die Temperatur nicht so rasch um 10 Grad sinken, dafür ist ihre Masse zu groß. Zudem ist das Molekül nicht stabil, es wird rasch aus der Atmosphäre entfernt. Vor allem enthalten die Ozeane so viel wasser, dass sie nicht in 10 Jahren um 10 Grad auskühlen. Als Folge sollen sich nun Gletscher bilden und das ganze Meer mit Eis bedeckt werden, was natürlich die Temperaturen noch weiter senkt.
Man weiß, dass es wirklich am Ende des Ordoviziums sehr kalt wurde. Diskutiert werden Schwankungen der Sonnenstrahlung, der Erdbahn und die Tatsache das es damals nur einen Superkontinent, Gondwana gab. Er überquerte durch die Plattentektonik am Ende des Ordoviziums gerade den Südpol. Wie heute bei der Antarktis kann die große Landmasse dann sich viel stärker abkühlen und vergletschern und damit auch das umliegende Meer. Heute ist die Antarktis kälter und es gibt Eisberge in niederen breiten als bei der Arktis ohne Land am Pol. Umgekehrt schaffte bei den Eiszeiten das Packeis den Sprung bis nach Kanada und Russland und mit dieser großen Landmasse wurde die ganze nördliche Halbkugel vergletschert bis etwa zum 45 Breitengrad. Das gab es auf der Südhalbkugel nicht. Der Effekt bei Gondwana muss noch stärker gewesen sein. Zudem verändern sich die Meeresströmungen, wenn die ganze Landmasse nur am Pol ist.
Ganz ignoriert wird auch, dass es zwei Aussterbewellen im Abstand 1 Million Jahre gab. Wie ist dies mit dem GRB zu erklären. Insgesamt finde ich die Vergletscherung von Gondwana deutlich plausibler. Angesichts der immer geringeren Fossilienbeweise je weiter man in der Vergangenheit kommt wird ein Beweis aber schwer sein.
War es nicht so, dassmomentan Arrays auf dem Erdboden gebaut werden, um diese hochenergetischen kosmischen Strahlen zu messen. Damit meinen sie die hunderte bis tausende Teilchen die entstehen, wenn ein Gammaquant auf die Erdatmosphäre trifft. Und das sahen mir nicht wie UV-Detektoren aus. (ich lasse mich aber gerne korrigieren)
Zuerst dachte ich auch an die Myonen, die man in Nebelkammern nachweisen kann. Aber die entstehen glaube ich nur durch Protonen der kosmischen Strahlung.
Was ich sagen will: Ich bin in Teilchenphysik nur sehr mäßig bewandert, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass von hochenergetischen Gammaquanten nur UV-Strahlung am Erdboden ankommt.
In den Untersuchungen (ich habe einige gelesen werden die Myonen und andere Sekunärteilchen nicht berücksichtigt, weil ihre biologische Wirkung viel kleiner ist. Sie entstehen um Größenordnungen weniger als UV-Quanten (jedes Gammaquant kann etliche UV-Quanten erzeugen aber nicht jedes erzeugt ein Myon) und für Myonen und andere hochenergetische Teilchen ist die Atmosphäre noch unpassierbarer als für UV. Myonen haben zudem eine begrenzte Lebensdauer dass man schon im Gebirge ein vielfaches der Menge am Erdboden messen kann weil die meisten schon in wenigen Km Weg zerfallen sind. Sie wurden erst durch Ballonexperimente nachgeiwesen als man hoch genug kam genügend nachzuweisen.
Ist mir klar, aber bei der Langen Nacht der Wissenschaften habe ich selber gesehen, dass da immer noch genug hier unten ankommen. (die hatten eine Nebelkammer aufgebaut und alle unterschiedlichen Teilchen kommentiert)
Mir ist auch klar, dass die Myonen (und alle Teilchen, von denen ich jetzt nichts weiss) nur einen kleinen Teil der Gesamtenergie ausmachen, die unten aufkommt. Mein Gedanke war nur: Vor den UV Strahlen kann man sich abschirmen. Vor anderer ionisierender Strahlung nicht. Momentan ist der Anteil vernachlässigbar, aber das muss es nicht unbedingt bleiben wenn so ein massiver Gammablitz reinkommt.
Ich sage nicht, dass das ein entscheidender Faktor wird, aber ich frage mich auch ob es nicht doch sein könnte.
PS: Empfohlen zu lesen: Der Typ von XKCD hat mal vorgerechnet, wie nah man an einer Superova sein müsste, um eine tödliche Dosis Neutrinostrahlung abzubekommen.