Bernd Leitenbergers Blog

Canossa

Sie kennen sicher auch den Ausspruch „Nach Canossa gehen“ im Sinne von Abbitte leisten oder sich der Gnade eines anderen ausliefern. Auf jeden Fall ist ein Gang nach Canossa für den Betroffenen nicht gerade angenehm. Nun ja ich habe mir vorgenommen mein Halbwissen in Wissen umzuwandeln und will Ihnen das weitergeben.

Alles begann im Jahre 1073 mit der Wahl des Mönches Hildebrand zum Papst Gregor VII. Die Wahl soll tumultartig gewesen sein und nach den damaligen Statuten irregulär. Hildebrand galt als Verfechter der Reform der Kirche und eine seiner Forderungen war, dass nur die Kirche selbst, d.h. im Endeffekt der Papst, Äbte und Bischöfe ernennen dürfte. Weiterhin müssten alle Fürsten dem Papst die Füsse küssen und er dürfte selbst Könige absetzen wenn sie sich nicht an die Regeln der Kirche hielten. Diesem Edikt aus 21 Sätzen folgte eine Drohung an den seit 1066 regierenden deutschen König Heinrich den IV, welche ihn mit der Exkommunizierung bedrohte, da er die Bischöfe selbst einsetzte.

Für Heinrich den IV war dies überlebenotwendig. Den König wählten nicht nur Fürsten sondern auch Bischöfe, die Herscher über ihre Kirchengüter waren, die durchaus einen Machtfaktor darstellten. Daher versuchte jeder der Kaiser werden, oder es bleiben wollte, die Bischofsstühle mit Personen seines Vertrauens besetzen.

Heinrich der IV erhielt das Schreiben am Neujahrsmorgen des Jahres 1076 in Goslar. Er sah sich als König und Kaiser in der stärkeren Position und setzte einen Reichstag ein. Viele Bischöfe nahmen die Gelegenheit wahr sich am Papst zu rächen, der in den vergangenen Jahren sich auch mit anderen Reformationsbestrebungen unbeliebt gemacht hatte. Angesichts der Umstände wie Hildebrand zu Gregor VII gewählt wurde, gab es auch den Ansatzpunkt die Wahl für ungültig zu erklären. Weiterhin hatte der Papst der so auf die Trennung von weltlicher Macht pochte, Truppen für einen Feldzug in Sizilien zusammengezogen. Das alles führte zu einem erbosten Schreiben in dem der Reichstag Gregor VII aufforderte vom Stuhle Petrus abzusteigen:

Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch. […] So steige du denn, der du durch diesen Fluch und das Urteil aller unserer Bischöfe und unser eigenes verdammt bist, herab, verlasse den apostolischen Stuhl, den du dir angemaßt hast. […] Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab.

Der Brief traf am 14.2.1976 zu Beginn der Fastenperoide in Rom ein und die königlichen Gesandten mussten um ihr Leben fürchten. Gregor setzte als Antwort Heinrich den IV als König ab, verhängte über ihn den Kirchenbann und enthob alle von der Gefolgeschaft zu Heinrich dem IV.

„[…] und daß mir um deinetwillen von Gott Gewalt gegeben ist, zu binden und zu lösen, im Himmel und auf Erden. In dieser festen Zuversicht […] spreche ich König Heinrich, des Kaisers Heinrich Sohn, der sich gegen deine Kirche mit unerhörtem Hochmut erhoben hat, die Herrschaft über Deutschland und Italien ab, und ich löse alle Christen vom Eid, den sie ihm geleistet haben oder noch leisten werden, und untersage, ihm fürderhin als König zu dienen. […] Und weil er […] mit Gebannten Gemeinschaft hält, vielerlei Unrecht tut, meine Ermahnungen, die ich um seines Heiles willen an ihn gerichtet habe, verachtet, […] sich von deiner Kirche trennt und sie zu spalten sucht, darum binde ich als dein Stellvertreter ihn mit der Fessel des Fluchs […].“

Es folgten nun Briefwechsel seitens Heinrich und Gregors um Verbündete zu gewinnen. Heinrich versuchte die süditalienischen Bischöfe zu gewinnen und Gregor versuchte die deutschen Bischöfe zu gewinnen. Er war erfolgreicher und 10 Bischöfe wandten sich von Heinrich ab und drohten, wenn er nicht binnen eines Jahres den Bann lösen kann, einen Gegenkönig zu wählen und luden Gregor VII nach Deutschland ein, um seinen Streit direkt mit Heinrich zu schlichten. Dies tat auch Gregor. Ihm reiste Heinrich entgegen, weil er vermeiden wollte, dass Gregor zu seinen Anhängern nach Deutschland kam, er aber in Norditalien, welches damals zum deutschen Reich gehörte, treue Verbündete hatte. Er hatte 1075 dort 10 Erzbischöfe ernannt. Als er die Alpen überquerte fand er in der Lombardei Bischöfe, die mit ihm gegen den Papst vorgehen wollten. Der fürchtete um seine Sicherheit und zog sich von Mantua auf eine Burg nach Canossa zurück. Dort tauchte Heinrich am 26.1.1077 auf – jedoch nicht mit einem Heer, sondern trotz der Winterkälte im Büsergewand und begehrte eingelassen zu werden. Gregor lehnte dies ab. Er tat dies auch am nächsten und übernächsten Tag. Am vierten Tag sprachen die Freunde Gregors von „Grausamkeit“ und „tyrannischer Barbarei“ und Gregor gab nach. Er gab ihm die Absolution und nahm mit Heinrich das Abendmal ein. Heinrich musste versprechen den Klagen deutscher Fürsten nachzugeben, und dem Rat Gregors zu folgen und bekam dafür freies Geleit auf seiner Rückreise. Die Buße war ein formaler Akt, den Heinrich vollzog und den Papst Gregor VII. nicht ablehnen konnte. Heinrich erkannte dass er um seine Macht zu festigen dem Anliegen Gregors vorerst nachgeben musste.

Doch der Konflikt schwellte weiter. Gregor kam nicht nach Deutschland um die Einigkeit des Reiches auf einem Reichstag wieder herszustellen und Heinrich konnte die deutschen Fürsten nicht davon abhalten, am 15.3.1078 einen Gegenkönig, Rudolf von Rheinfelden, Herzog von Schwaben zu wählen. Obwohl Gregor dies nicht unterstützt hatte, hatten doch seine Legaten an der Wahl teilgenommen. 1080 unterstützte dann Gregor offiziell Rudolph und belegte Heinrich erneut mit einem Bann und prophezeite seinen Tod am 1.8.1080. Im Juni 1080 trat in Ravenna eine Synode auf Betreiben von Heinrich zusammen, und sie wählten Wibert als Clemens III zum Gegenpapst. Kurz darauf kam es zur Schlacht zwischen den beiden Königen bei der Rudolph die rechte Hand (die Schwurhand) verlor und an der Blutung starb. Darin sah man im damaligen Verständnis ein Gottesurteil denn mit dieser Hand hatte er vorher Heinrich die Treue geschworen. Am gleichen Tag dem 25.10.1080 verlor auch Gregors Heer, das Clemens III gefangen nehmen sollte, eine Schlacht bei Volna gegen die Truppen Heinrichs.

Gregor hatte damit keine Trümpfe mehr. Schon im nächsten Jahr zog Heinrich gegen Rom. Die Kriege kosteten die Kirche viel Geld und dies holte man bei den Bistümern, als Folge schwenkten viele von ihnen auf die Seite von Heinrich und Clemens. 1083 gelang es Heinrichs Truppen die Engelsburg zu erobern und noch mehr liefen zu Clemens über und die Kardinäle zwangen Gregor, eine Synode einzuberufen. Im März 1083 wurden Heinrich die Tore Roms geöffnet, Gregor abgesetzt und Clemens III am 24.3.1984 zum Papst gewählt. Er kürte eine Woche später am Ostersonntag 1084 Heinrich zum deutschen Kaiser. Gregor hatte sich auf die Engelsburg zurückgezogen, die von Heinrichs Truppen belagert wurde. Inzwischen kam ein Heer von Normannen, unterstützt von Sarazenen, also unchristlichen Truppen unter der Leitung von Herzog Robert Guiscard aus Süditalien nach Rom gezogen, das Gregor ergeben war. Heinrich zog sich mit Clemens nach Tivoli zurück. Die Normannen plünderten und brandschatzen Rom, worauf Gregeor die letzten Symapathien verlor und Gregor ging ins Asyl nach Salerno, das er bis zu seinem frühen Tod am 25.5.1083 nicht mehr verließ. Seine letzten Worte sollen gewesen sein „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, deshalb sterbe ich in der Verbannung“.

Heinrich hatte am Schluss gewonnen, obwohl er sich Gregor in Canossa unterwarf. Dieser Ausgang ist eigentlich das Gegenteil von dem was man heute unter dem Spruch „Nach Canossa gehen“ versteht – Es war ein taktisches Manöver um aus einer stärkeren Position den Gegner zu besiegen.

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