Die Falcon und das Risiko einer Neuentwicklung
Gestern fand der zweite Testflug der Falcon 1 statt. Er scheiterte, diesmal nach 5 Minuten als die Telemetrie abriss und die zweite Stufe durch ein unplanmäßiges Rollen ihr Triebwerk abschaltete. Dies ist der zweite Flug einer Falcon 1. Der erste scheiterte vor einem Jahr nach etwa 30 Sekunden. Viele glauben, nach bald 50 Jahren Raumfahrt wäre es Routine eine Rakete zu starten, und dies ist es eben noch nicht. Warum? Nun natürlich kann man heute vieles vorher simulieren, hat mehr Erkenntnisse als früher. Doch bestimmte Dinge wie das Verbrennungsverhalten sind heute noch mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet denn nur das Experiment klären kann. Eine ganze Rakete als System, den Flug kann man sowieso nicht simulieren, sondern nur testen.
Vor 40 Jahren hat man eine Rakete entwickelt indem man stufenweise erst die erste Stufe alleine, da die erste und zweite Stufe und dann alle Stufen getestet hat und erst dann ging es an Flüge mit Nutzlast. Wir finden diese Vorgehensweise bei den militärischen Typen Atlas und Titan und bei der Saturn I/IB und der Europa. Heute fliegt gleich eine experimentelle Nutzlast mit und die Erwartungen sind groß.
Tatsache aber ist: Bei noch so großer Erfahrung im Raketenbau ist die Entwicklung eigens komplett neuen Trägers wie z.B. der Ariane 5 immer ein Risiko. Die Zuverlässigkeit ist bei den ersten Flügen sehr gering. Es gibt durchaus einen Grund schon bewährte Teile weiter zu verwenden: Die Delta 2 fliegt mit dem RS-27 Triebwerk, eingeführt 1974 und zurückgehend auf das H-1 der Saturn I von 1966. Das RL-10 Triebwerk der Centaur ist seit 1961 im Einsatz. Russland diskutiert seit Jahren über einen Ersatz der Sojus und macht nicht diesen Schritt. Warum?
Schlicht und einfach weil man mit den alten Triebwerken, Stufen und Raketen Jahrzehntelange Erfahrung hat. Die Kinderkrankheiten sind beseitigt, die Zuverlässigkeit ist hoch. Normalerweise wird jedes technische Gerät geprüft: Autos fahren durch finnische Wälder und die Wüsten in Afrika, Verkehrsflugzeuge werden vielen Testflügen unterworfen die weit über die Beanspruchung im Linienverkehr hinausgehen. Bei einer Rakete ist dies nicht möglich. summiert man die gesamte Anzahl an Flügen auf, so gibt es wenige Typen die 100 Starts oder mehr erreicht haben (und meist nicht in derselben konfiguration9. So gesehen ist jeder Raketenstart immer noch ein Erprobungsflug.
Nehmen wir mal die Ariane 1-4 Familie: Es gab insgesamt 144 Starts. Fehlstarts waren Nr. 2,5,15,18,35,63,70
Oder anders ausgedrückt:
- 2 Fehlstarts unter den ersten 5 Starts
- 4 Fehlstarts unter den ersten 20 Starts
- 5 Fehlstarts unter den ersten 40 Starts
- 7 Fehlstarts unter den ersten 80 Starts
- und keiner unter den letzten 70 Starts
Deutlich ist zu sehen, wie das Risiko eines Fehlstarts abnimmt. einfach weil man immer mehr Fehlerquellen kennt und beseitigt hat. Das ist auf andere Träger übertragbar: Eine Atlas ist heute ein sehr zuverlässiger Träger. Die Bilanz sieht ganz anders aus wenn man sich die 60 er Jahre ansieht. Jede Rakete erreicht ein gewisses Niveau an Zuverlässigkeit, der dann gehalten wird. Es gibt Träger mit einem sehr guten Wert, wie die Sojus, Atlas Centaur oder Ariane 4 und andere mit einem schlechteren wert wie die Proton oder Zenit.
Zurück zur Falcon: Für einen Neuling im Geschäft, der noch dazu eine Trägerrakete selbst entwickelt hat ist das „fast“ Gelingen des zweiten Fluges eine gute Leistung. Erinnern wir uns: Auch bei Ariane 5 war der erste Start ein Reinfall und beim zweiten Start erreichte man zwar eine Umlaufbahn, aber eindeutlich zu niedrige (die bei einer echten Nutzlast eine unbrauchbare Bahn gewesen wäre), weil man einen Drehimpuls von Abgasen der Düse des Haupttriebwerks falsch eingeschätzt hatte. Auch hier war also der zweite Flug nicht voll erfolgreich. SpaceX spricht daher auch von 95 % Validierung der Systeme. Ein weiterer Testflug steht an, ich wünsche SpaceX alles gute dafür.
Ach ja noch der Musiktipp, passend zu meinem Hobby und mir: Elton John: Rocket Man