Zukunftsprognosen
Seit etwa 2 Jahren bestelle ich beim Amazon Marketplace alte Bücher aus meinem Lieblings Themengebiet Raumfahrt. Zum einen findet man so interessantes Material gut aufbereitet für wenig Geld. Zum anderen kann man vieles aus der Retroperspektive anders beurteilen. Nimmt man Bücher vor 1970, so ist da von einer bald aufzubauenden Weltraumstation für 12 Personen die Rede, gefolgt von einer bemannten Mars Expedition zwischen 1981 und 1986. Ab 1970 war klar dass man kleinere Brötchen backen musste, aber man erhoffte sich eine Revolution des Transports durch den Space Shuttle. Weltraumfahrt sollte völlig anders werden – Die Industrie sollte Spacelab Flüge buchen um Experimente durchzuführen, Satelliten werden routinemäßig im Orbit repariert, ja selbst die Herstellung von Produkten im Weltraum wäre teilweise wirtschaftlich. (So abwegig ist dies nicht. Ein Mikroprozessor ist zum Beispiel erheblich wertvoller als Gold. Ein Die hat 100 mm² Fläche und 0.1-0.2 mm Dicke – Das ist ein Gewicht deutlich unter 1 g, dafür kostet so ein Prozessor in einem Keramikgehäuse 50-500 Euro im Verkauf….).
Manche Autoren lernen langsam hinzu. Am besten wohl verfolgbar bei Jesco von Puttkamer. Seit 1968 schreibt er Bücher über die Raumfahrt, seit er 1973 zuständig ist für die Untersuchung von zukünftigen Technologien und Anwendungen haben seine Bücher immer auch einen Ausblick in die Zukunft. 1981 prognostizierte er noch Solarkraftwerke im Weltraum, Kommunikationssatelliten mit Antennen von 65 m Durchmesser und Atommüllentsorgung in eine Sonnenumlaufbahn. Im letzten Buch findet man davon recht wenig. Zu oft lag er falsch. Nicht weil es nicht umsetzbar gewesen wäre, sondern weil es zu teurer gewesen wäre oder sich der Markt anders entwickelt hat. Anstatt mit einem satellitengestützten System mit den 65 m Antennen zur Versorgung von Ländern mit direkten Telefongesprächen von einem Mobiltelefon über Satellit zu einem anderen (wegen der geringen Sendeleistung war die große Antenne notwendig) nutzt man heute tausende von festen Stationen mit geringer Reichweite am Boden.
Ähnliches findet man auch wenn man Bücher vom Ende der 60 er Jahre liest wie „Unsere Welt – Morgen“ oder ähnliches oder Reportagen aus dieser Zeit sieht. Da wird unsere Welt erheblich mobiler dargstellt as sie ist. Magnetschwebebahnen transportieren Menschen mit unglaublichen Geschwindigkeiten. Autobahnen gibt es auf Hochtrassen durch die Städte. Menschen leben auf dem Meeresboden und haben die Wüste fruchtbar gemacht. Im Haushalt funktioniert alles automatisch, aber vorwiegend über Mechanik und einfache Elektrische Schaltungen. Dafür gibt es so etwas wie Telekonferenzen zur Unterhaltung.
Einen PC mit Internetanschluss findet man nicht in solchen Zukunftsszenarien. Warum? Der Mensch kann nicht wissen was kommen wird. Das ist klar. Er kann nur versuchen was heute vorhanden ist in die Zukunft weiter zu spinnen. Trotzdem kommt man dabei zu solchen Fehlschlüssen. Warum? Nun man hat Dinge übersehen wie die Energiekrise die das Fahren und Energie allgemein deutlich verteuerte. Man nahm an dass das Verkehrsaufkommen so anwachsen würde wie bisher und man daher auf neue Verkehrsmittel und Trassen setzt. Doch das war nicht der Fall und es wäre nicht finanzierbar.
Vor allem denken wir linear. Wir denken eine Technologie entwickelt sich gleichmäßig weiter. Doch meiner Erfahrung nach ist dies nicht so. Es gibt meist eine Phase in der es sehr rapide Fortschritte gibt und dann werden diese immer kleiner – etwa wie bei einer Logarithmusfunktion oder einer um 90 Grad gedrehten Parabel. Nehmen wir das Fernsehen: Zuerst gab es Schwarz Weiß für wenige, dann wurde es für alle bezahlbar, dann Farbe, dann wurden Farbfernseher billiger und jetzt haben wir einen ähnlichen Effekt bei TFT Fernsehern mit HD Auflösung. Aber es ist immer noch der Bildschirm. Weder ein 3D Fernsehen, noch interaktives Fernsehen gab es noch den Fernseher denn man sich an die Wand hängte oder den Projektor im Wohnzimmer, denn man schon 1980 postulierte.
Selbst für die Computer gilt dies. Hier ein paar Eckdaten
- 1971: Der Mikroprozessor wird erfunden
- 1975: Der erste „PC“ erscheint: Vom Anwender in Maschinensprache programmiert, Eingabe über Kippschalter, Ausgabe über LEDs
- 1977: Die ersten PC mit Monitor, Tastatur, Diskettenlaufwerken erscheinen. Programmieren kann man nun in BASIC
- 1979/80: Die Anwendungsprogramme die man auch heute einsetzt erscheinen: Textverarbeitung, Datenbanken, Tabellenkalkulationen
- 1981: Geburt des IBM Kompatiblen PC. Der PC wird nun hoffähig auch für Firmen
- 1982: Erster PC mit einer grafischen Benutzeroberfläche (Apples Lisa) erscheint, aber noch unbezahlbar im Preis
- 1984: Der Macintosh, der erste PC für jeden mit einer grafischen Oberfläche erscheint.
Und seitdem? Seien wir mal ehrlich. Windows Vista ist schicker als Mac OS 1.0 vor 23 Jahren, aber es ist nichts fundamental neues. Das einzige was neu ist, ist das man heute mit dem PC im Internet surft. Auch dieses wuchs zuerst sehr rasch. Neue Technologien gaben sich in den ersten Jahren die klinke in die Hand und in den letzten Jahren gab es davon eher wenige. Auch ich kenne einige Vorhersagen aus den frühen 80 ern die bis heute nicht eingetroffen sind. Damals glaubte man tatsächlich irgendwann wären Computer so intelligent dass man mit ihnen umgangssprachlich verkehren könnte.
Persönliche Computer findet man übrigens nur selten in irgendwelchen Vorhersagen vom Ende der 60 er. Arbeitserleichterungen geschehen elektrisch und elektronisch, aber nicht durch Computer. Auch TV Konferenzen erfolgen analog. Dabei gab es zu dieser Zeit schon 20 Jahre lang Computer, setzten Firmen diese ein. Warum? Niemand konnte sich vorstellen, dass diese einmal so klein und preiswert werden würden wie sie es heute sind – Ebenfalls lineares Denken, nur im umgekehrten Sinn: Computer waren immer groß und teurer, also werden sie das auch in Zukunft sein.
Es gibt neben den meist optimistischen Vorraussagen auch pessimistische. Nach der ersten Energiekrise postulierte man einen völlig neuen Umgang mit Energie – Mehr atomkraft, erneuerbare Energie, sparsame, sehr leicht gebaute und langsame Autos, viel mehr öffentlicher Verkehr mit Zug und Bus. Damals ging man von 30-40 Jahren aus in denen die Erdöl und Erdgasvorräte erschöpft sein würden. Das ist nicht passiert. Zum einen entdeckte man mehr. Zum anderen fördern wir heute fossile Brennstoffe aus Vorkommen die man vor 30 Jahren für unwirtschaftlich hielt wie Ölschiefer und Ölsand oder aus Lagern in großer Meerestiefe. Schade, denn wenn man sich früher an Ersatz gemacht hätte, dann wäre man heute sicher nicht so abhängig vom Öl.