Atomkraft ist sicher!
Ich sah vor einigen Tagen einen Beitrag über die Übungen die das Personal in der Leitwarte eines Atomkraftwerkes regelmäßig in einem Simulator abhalten muss. In Essen sind die Leitstände von allen 12 deutschen Kernkraftwerken nachgebaut (allen deswegen, weil keines dem anderen gleicht – tolles Vorbild für saubere Planung9. Dort wurde gezeigt wie das ablaufen sollte wenn es eine Störung gibt: Wenn etwas nicht funktioniert so ist die Technik so ausgelegt, das der Reaktor sich selbst abschaltet und dann gehen die Leute dran den Fehler zu suchen. Dazu holen sie im Falle von Philippsburg am Neckar eines von 68 Bedienungshandbüchern (BHB), legen es auf einen roll baren Tisch und folgen den Anweisungen darin. In diesen BHB sind alle möglichen Ernstfälle, Komplikationen und Störungen von deutschen Ingenieuren im Voraus durchdacht und alle Dinge die man tun muss um sie zu beseitigen akribisch abgelegt worden.
Nein, das ist keine Realsatire, das ist die Wirklichkeit. Wir alle wissen, das man nicht alles voraussehen kann und selbst wenn man dies mal getan hat so verändert sich doch die Welt. Vor 30 Jahren war vielleicht der Angriff des Wahrschauer Paktes eine Bedrohung heute wohl eher die von Terrorristen. Vor allem aber: wir wissen alle ganz genau, dass man nicht alles sich ausdenken kann was passieren kann. Selbst wenn, müssen die dort angegebenen Vorgehensweisen nicht unbedingt die richtige sein, da diese ja den Einzelfall nicht berücksichtigt und selbst wenn – hält sich das Personal daran. Vor allem: Ist es im Ernstfall wirklich so, dass die Technik sich selbst abschaltet oder gibt es nicht Situationen in denen sie versagen kann?
Die Vorfälle bei Krümel und Brokdorf lassen Zweifel aufkommen, dass überhaupt das Personal so fachlich qualifiziert ist wie es eine Anlage dieser Art nötig macht. Wir haben bei uns eine sehr komische Konstellation: Während sie beim TÜV beweisen müssen, das ihr Auto keinerlei Fehler hat muss man um ein Atomkraftwerk abschalten zu können dem Betreiber nachweisen, das er einen Fehler gemacht hat – Eine Umdrehung der Beweislast!
Und trotzdem gibt es (wenn auch nun nicht mehr so laut) immer wieder Stimmen, die nicht nur für einen längeren Betrieb der deutschen Atomkraftwerke sind, sondern sogar für einen Neubau um die Ziele des Kyoto Protokolls einzuhalten. Nun es gab bislang zwei wirklich große Unfälle: 1979 in Free Miles Island (Harrisburg) in den USA, als der Reaktorkern so überhitzte, das er so viel Gas aus dem Kühlwasser entwickelte, dass der Druckbehälter kurz vor der Explosion stand und Tschernobyl 1986 wo das bei einer anderen Kraftwerkstechnologie ohne Druckbehälter passierte. Beim letzten wurde eine 30 km breite Zone bis heute als Sperrzone eingerichtet, in ihr dürfen sich nur Arbeiter des Kraftwerks (das mit den anderen Blöcken nach wie vor betrieben wird) aufhalten und in einer 60 km breiten Zone wohnen nur wenige Leute, der größte teil ist geräumt.
Die folgen waren bis zu uns spürbar: Salat und Gemüse wurde untergepflügt und radioaktive Molke von der milch wurde durch die Republik kutschiert bis sie irgendwo verschwand (wahrscheinlich in die dritte Welt exportiert). In Schweden und Norwegen wo mehr runter kam konnte man viel länger kein Renntierfleisch und Pilze mehr essen als bei uns.
Ein Unfall oder besser gesagt der GAU (größter anzunehmender Unfall – was ist eigentlich mit den Unfällen zu denen die Fantasie nicht gereicht hat?) mag zwar sehr unwahrscheinlich sein, aber die Folgen sind eben dramatisch. Wo bitte in Deutschland kann man es sich leisten einen Kreis von 30 km Radius zu evakuieren?
Nun ja ich weis wo…. Und hier mein Ketzerischer vorschlag an alle Kernkraftbefürworter: Wir bauen neue Kernkraftwerke und decken damit den gesamten Strombedarf, beziehungsweise die Grundlast. Am besten baut man sie da wo sie niemanden stören: Also im Ausland. Frankreich hat ja da eine andere Einstellung. Man kann sie entlang des Rheins, 30 km von der Grenze entfernt bauen und damit sogar die französische Wirtschaft dort ankurbeln. Auch ein paar Atomkraftwerke in Polen wären nicht schlecht, dann wären die Versorgungsleitungen nach Berlin und Ostdeutschland nicht so lang. Was sie meinen das wäre unfair? aber ich bitte sie, die sind doch so sicher, es kommt ja nie zu einem Unfall
Alternativ könnte man sie geballt in einer Region unterbringen die sowieso schon fast leer ist: Mecklenburg Vorpommern an der Oder und der Ostsee um genügen Kühlwasser zu haben. Vorsorglich sollte man um sich gegen eventuelle Ansprüche nach einem Gau abzusichern einfach die Region in 30 km Umkreis evakuieren. Daher auch mein Vorschlag die an die Ostsee zu legen – dieses enorme Reservoir an Kühlflüssigkeit erlaubt es die Atomkraftwerke örtlich nah zu platzieren und so auf einigen Kilometern alle Meile unterzubringen. Das evakuierte Gebiet könnte dann die Bundeswehr als Truppenübungsplatz benutzen (oder für Tiefflüge die sonst kaum möglich sind) und dabei gleichzeitig die Atomkraftwerke beschützen. alternativ wäre es auch ein schönes Naturschutzgebiet. Wollte man nicht schon immer bei uns Wölfe ansiedeln – Da hätten wir den Platz dafür.
Bin ich ketzerisch oder Zynisch? Nein – ich denke nur eine Risikoabwägung zünde. Hier die offiziellen Zahlen: Nach der Studie “Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke – Phase B“ von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit kommt es in einem deutschen Atomkraftwerk bei einer Betriebszeit von rund 40 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 Prozent zum Super-GAU. Das sind also reale Zahlen einer Risikobewertung einer unabhängigen Vereinigung mit Fachkenntnissen. Deutschland hat 17 Reaktoren in Betrieb. Das Risiko liegt also bei 1.7 % in 40 Jahren (realistischer weise muss man die Reaktoren in en Grenzregionen der Nachbarländer vor allem von Frankreich am Rhein hinzuzählen und kommt so auf ein noch höheres Risiko) und das ist nicht von der Hand zu weisen. Eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1.7 % bedeutet immerhin die Chance steht 1:60 und welches wirtschaftlichen Schaden hätte man dann wenn man mitten in Deutschland einen Kreis mit 60 km Durchmesser räumen müsste und in einem Kreis von 120 km Durchmesser nur eingeschränkt leben kann?
Wenn ich noch mehr darüber nachdenke dann lohnt es sich ja fast noch eher Helgoland mit einigen Milliarden zur Reaktorinseln auszubauen und dort alle neuen Reaktoren unterzubringen. Ewa 30 vom Typ Neckarwestheim bräuchte man um 100 % des benötigten Stroms aus Kernkraftwerken zu decken. Helgoland ist 43 km von der nächsten Insel und 70 km vom Festland entfernt. Das ist ausreichend sicher für einen GAU Wenn man die beiden Inseln die derzeit aus einer 1 km² Insel und einer 0.7 km großen Düne besteht verbinden würde könnet man spielend eine etwa 3 km² große Insel schaffen mit einem Umfang von etwa 6-7 km. Alle 200 m ein Atomkraftwerk – das wäre machbar. Dann wären doch alle zufrieden. Wir hätten Atomstrom. Die Atomlobby könnte wieder neue Kraftwerke bauen und die angeblich so fortgeschrittene deutsche Technologie dann ins Ausland verkaufen, die CDU bekommt ihre Klimaziele hin ohne wirklich was für den Klimaschutz tun zu müssen. Die SPD könnte unter diesen Umständen ihren Atomausstieg überdenken, denn die Risikobewertung wäre eine andere. Die FDP würde sich über die Ankurbelung der Wirtschaft freuen. Nur die Grünen und die 1472 Einwohner von Helgoland würden mosern… Aber man kann es ja auch nicht jedem recht machen….
Sehr schöne Satire, sehr schöne Ideen. Doch das eigentliche Grundproblem wäre dann immer noch nicht gelöst: Wie kann man eine sichere Endlagerung verbrauchter Brennstäbe durchführen? Sicher im Sinne von hermetischer Abriegelung von der irdischen Biosphäre für (hundert)tausende von Jahren? Ohne ständige Umlagerung und Sanierung wie bei Asse?
Du als Bahnberechnungsprofi könntest ja mal den Primärenergiebedarf errechnen, wenn man Atommüll mit Saturn V auf diversen Himmelskörpern oder in eine sichere solare Parkbahn oder sogar in der Sonne deponieren wollte.
Ich habe so das Gefühl, der Energiebedarf wäre höher, als die Kernkraftwerke je eingebracht haben.
Leider kann ich jetzt nicht mit konkreten Inputdaten dienen. Aber beim Atommüll handelt es sich um zehntausende von Tonnen.
Oh ja, das wäre wirklich mal interessant.
Als sichere Parkbahn käme nur ein Geo-Orbit in Frage. Und als Himmelskörper würde ich die Sonne wählen, weil die als einziger Himmelskörper in der Lage ist, den Müll zu zerlegen. Und damit der Müll, d.h. die radioaktiv strahlenden Partikel samt dem in seine Atome zerlegten Transporter mit dem Sonnenwind nicht wieder zurück kommen, müsste er meiner Ansicht nach an den Polen der Sonne auf selbiger auftreffen. Oder zumindest auf einem solaren Breitengrad, der so hoch liegt, das von dem zerlegten Transporter und seiner Fracht nichts mehr durch den Sonnenwind auf die Erdbahnebene zurück gelangen kann.
http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2009/10/15/atommuellentsorgung-im-all/
Was wäre denn schlimmer, die uralten Anlagen mit vorsintflutlicher Technik weiterbetreiben oder lieber abreißen und neue mit dem aktuellen Stand der Sicherheitstechnik bauen?
Das Problem mit dem fehlenden Endlager spricht auch nicht gerade für einen Ausstieg. Schließlich fällt bei einem Abriß wesentlich mehr radioaktives Material an als beim normalen Betrieb in Jahrzehnten. Bevor man überhaupt an einen Ausstieg denken kann müßte also erstmal dieses Problem gelöst werden. Und könnt ihr euch den Rummel vorstellen, wenn beim Abriß der Kernkraftwerke die Castor-Transporte gleich dutzendweise anfallen?
Für die Verlagerung der Kernkraftwerke auf See gäbe es noch eine andere Lösung: Statt auf einer Insel zu bauen gleich eine künstliche Insel, diverse Bohrplattformen zeigen ja wie es geht. Die könnten dann auf einer Werft fertig gebaut werden und einfach mit Schleppern zum Einsatzort bugsiert werden. Das wäre auch für den Export günstig, keine hohen Kosten für Auslands-Montage, weil ja alles schon auf der Werft zusammengebaut wurde.
Freie Stellen auf See gibt es sicher deutlich mehr als passende Inseln, und man müßte nicht die Inselbevölkerung umsiedeln. Von den Protestaktionen mal ganz zu schweigen.
Moin,
wenn Bernd schon einen so alten Artikel herauskamt, geb ich meinen Senf dazu:
> Doch das eigentliche Grundproblem wäre dann immer noch nicht gelöst: Wie kann man eine sichere Endlagerung verbrauchter Brennstäbe durchführen?
Das machen wir dann wie die Franzosen. Bekanntlich ist es verboten Atommüll von Bord eine Schiffes aus zu verklappen. Deswegen gibts in Le Hague eine Pipeline. Die Pumpen jährlich rund 500 Millionen Liter Atommüll direkt in die Nordsee.
ciao,Michael