Bernd Leitenbergers Blog

Braucht Russland die Angara?

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich auch in Russlands Raumfahrt einiges geändert. Die einschneideste Änderung war, dass nun die Ukraine und Kasachstan unabhängige Republiken wurden. Beide Staaten sind nicht reich, es gibt keine Bodenschätze wie in Sibirern, so versuchten beide Devisen von Russland zu bekommen, und so steigen die Preise für Produkte aus diesen Ländern. Russland wollte analog unabhängig von den anderen Sowjetrepubliken sein und in vielen Dingen geht dies auch, doch nicht in allen. So stammen eben Teil von Trägerraketen aus der Ukraine, einige sogar komplett wie dir Zyklon. Umgekehrt ist Baikonur der wichtigste Weltraumbahnhof den Russland hat und das Starten der Raketen ließ man sich gut bezahlen.

So gibt es seit 1990 Bestrebungen Russland unabhängiger zu werden. Bei den Trägerraketen setzte man mehr auf russischen Modelle und so nahm die Starts der Zyklon und Zenit ab, die Teile von der Ukraine enthalten. Es gab auch den Versuch mit dem neuen Kosmodrom Swobodny im fernen Osten eine Konkurrenz zu Baikonur aufzubauen, doch mehr als einige Starts sah Swobodny nie. Das Problem des Raketenstartplatzes ist heute weitgehend gelöst: Russland zahlt eine fürstliche Pacht für das Gelände und Baikonur ist praktisch eine extraterritoriale Insel in der unter anderem es zwei Währungen und zwei Schulsysteme gibt. Ab und an gibt es Ärger wenn ein Fehlstart zu der Belastung der Steppe mit giftigem Treibstoff führt, doch nach Zahlung einiger Millionen ist wieder Eitel Sonnenschein.

Etwas anders liegt es bei den Raketen. Das Sortiment der benutzten Träger von Russland hat seit 1990 stark abgenommen und beschränkt sich heute praktisch auf die Sojus und Proton. Starts der Kosmos gab es seit Jahren nicht, die Zyklon wird nicht mehr gebaut und die Zenit fliegt praktisch nur noch kommerziell. Seit mindestens 15 Jahre gibt es aber Pläne für eine Raketenfamilie die alle bisherigen Träger ersetzen soll, die Angara. Obgleich es mittlerweile genügend Mittel für die Entwicklung gibt ist der Jungfernflug immer weiter herausgeschoben worden. Erste Tests sollten schon 2006 beginnen, nun ist die Ree von 2009.

Die Frage ist: Braucht Russland die Angara ? Meine Antwort: Nein. die Angara soll aus Boostern bestehen die das RD-191 einsetzen, eine Einkammerversion des RD-171. Mehrere dieser Booster (bis zu 4) bilden die größte Version. Die Zentralstufe dann nur ein Booster und die Oberstufen sollen die schon entwickelten Triebwerke RD-124A (aus der dritten Sojus Stufe) und bei den kleineren Versionen die Breeze-KM Stufe einsetzen. Damit kann man eine Familie mit 2-24.5 t Nutzlast schaffen.

Auf den ersten Blick also eine gute Option, da auch eine Stufe mit flüssigem Wasserstoff vorgesehen ist welche eine GTO Nutzlast von 6.6 t offeriert.

Allerdings gibt es keinen Grund für die Entwicklung .Die alten Sojus und Proton Raketen sind nicht modern, aber sie sind erprobt. Die Sojus ist zudem äußerst zuverlässig (bei der Proton kann man dies nicht im gleichen Maße sagen). Die alte Technik ist auch vergleichsweise preiswert.

Die Zenit auf der die Angara technologisch aufbaut ist moderner, verwendet Hochdrucktriebwerke, aber sie ist auch teurer. Schon zu Sowjetzeiten fanden nicht viele Starts mit ihr statt. Die neue Technik ist auch nicht zuverlässiger als die Proton. Von den bislang 61 Starts misslangen 11 – das ist keine gute Bilanz.

Insbesondere kann nicht die Kostenaspekt die Antriebsfeder sein. Es lohnt sich nicht für Russland neue Raketen zu bauen, wenn man die gleichen Nutzlasten wie vor 20 Jahren startet. Wöllte Russland kosten sparen, so könnte es leicht auf seine ausgemusterten Interkontinentalraketen zurückgreifen die im Westen als Rockot, Dnepr, Shtil, Volna und Start angeboten werden. Diese wurden schon gefertigt, man müsste nur noch die Startkosten aufbringen.

Eine Triebfeder könnte der kommerzielle Transport sein. Proton und Zenit wetteifern schließlich mit Ariane um kommerzielle Transporte in den GEO Orbit. Doch auch hier gilt: Eine größere Nutzlast kann man einfacher transportieren. Die Nutzlast für den GRO Orbit wird begrenzt durch die geographische Breite von Baikonur. Es liegt bei 52 Grad nördlicher Breite. Zum einen ist die Geschwindigkeit die aufgebracht werden muss dort größer als in Äquatornähe, weil die Erdrotationsgeschwindigkeit kleiner ist. Zum anderen muss man beim Übergang in den endgültigen Orbit diese Bahnneigung abbauen und das kostet zusätzlichen Treibstoff.

Man kann das Problem aber auch anders lösen. Die Zenit startet zum Beispiel von einer umgebauten Ölbohrplattform vom Äquator aus. Obwohl die Nutzlast für erdnahe Bahnen bei der Zenit deutlich kleiner als bei der Proton (13.7 zu 21.6 t). Die Nutzlast im GTO Orbit aber höher (6.1 zu 5.6 t). Dabei steigerte die Breeze Oberstufe auf der Proton diesen Wert bedeutend, da sie es ermöglichte erst am Äquator die erste Bahnanhebung durchzuführen. Trotz alledem bleibt das Manko eines Startplatzes mit hoher geographischer Breite.

Bei der Sojus führte der Wechsel von Baikonur zum äquatornahen Startplatz in Französisch Guyana sogar zu einer prozentual noch größeren Steigerung um 50 %. Wöllte Russland also eine stärkere Kinkurrenz bilden, so wäre es einfacher die Raketen nahe des Äquators zu starten, von der Nordspitze von Australien aus oder von einer Südseeinsel. Man müsste dann dort ein Startgelände aufbauen und das Gelände anmieten. Ich glaube kaum, dass es da mehr Probleme gibt als bei einem Sojus Start von Kourou aus oder von der Ölplattform von Sea Launch aus. Was nötig wäre, wäre nur eine diplomatische Initiative seitens Russlands. Ein möglicher Startort wäre z.B. eine zu Jemen gehörende Insel Sokotra die bei 12 Grad nördlicher Breite liegt.

Der einzige Grund der eine neue Rakete könnte Kliper sein. Kliper ist deutlich schwerer als ein Sojus Raumschiff. Er soll 13.5 t beim Start wiegen – das ist eine Nutzlast für eine Zenit. Die Zenit ist aber eine Rakete deren Hersteller in der Ukraine liegt. Da man nun wieder über Mittel verfügt wird man diese nutzt  sich unabhängig von Kasachstan und der Ukraine sein will. Dazu passt aber nicht, dass man die Angara von Plesetsk  aus starten will. Zwar ist Plesetsk  nach Baikonur der wichtigste Weltraumbahnhof der Sowjetunion. Aber es liegt zu weit nördlich. Starts sind praktisch nur in polare Umlaufbahnen möglich. Ein Start zur ISS ist erschwert und für kommerzielle Transporte ist der Standort noch viel ungünstiger als Baikonur. So passt zu den ganzen Angara Plänen aber nicht das Swobodny  nach neuesten Bekanntmachungen geschlossen werden soll.

Meine persönliche Meinung: Wir werden wohl niemals die Angara sehen.

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