Am Sonntag sah ich in "Zapp" einen Bericht, nach dem immer weniger Leute Nachrichten schauen. Insbesondere bei den jüngeren Zuschauern ist der Schwund auffällig. ARD und ZDF haben damit am meisten zu kämpfen. Das Durchschnittsalter der Zuschauer der "Tagesschau" ist 60 Jahre, das bei "Heute" sogar 66 Jahre!
Wer meint die Privaten macht es besser: RTL Aktuell liegt bei einem Durchschnitt von 53 Jahren. Alle Nachrichten verlieren Zuschauer. Von den 15 Millionen 14-29 Jährigen schauen:
Nachrichtensendung | Zuschauer zur Hauptsendezeit |
---|---|
Heute (ZDF) | 70.000 |
SAT1 Nachrichten | 120.000 |
RTL2 News | 280.000 |
Tagesschau (ARD) | 290.000 |
Pro 7 Newstime | 360.000 |
RTL Aktuell | 370.000 |
Bis auf RTL2, welche im Durchschnitt weniger Zuschauer hat, als die anderen 5 größeren Kanäle, kann damit keiner zufrieden sein. ARD und ZDF überlegen nun vor allem ihr Internetangebot auszubauen. Dort ist das Publikum im Durchschnitt 10 Jahre jünger, obwohl man dort dasselbe ansehen kann, wie im Fernsehen.
Allerdings hat der neue Rundfunk-Staatsvertrag hier wenig Klarheit geschaffen. Was erlaubt ist und was nicht. Doch ich denke es liegt nicht nur an den Nachrichten und ihrem Format selbst. Ich denke es hat sich viel verändert in den Sehgewohnheiten, nicht nur durch das Internet.
Wenn ich von mir mal ausgehe: Wenn ich Nachrichten schaue, dann eher die Tagesthemen oder das Heute Journal. Mich interessiert nicht die knappe Meldung, dass es irgendwo eine Konferenz zum Thema XY gab, oder sich Bush mit Blair trifft: Die Meldung in 20 Sekunden Dauer, hat mehr etwas von Diktat-Vorlesen oder Ankündigungen als das sie Information vermittelt. Mich interessiert dann die gesamte Story, der Hintergrund, und ich höre mir auch gerne die Einschätzung eines Korrespondenten an. Für das ist in den eigentlichen Nachrichten zu wenig Platz. Ich glaube auch nicht, dass man mehr Zuschauer bindet wenn man dann die Nachrichten selbst um Elemente erweitert, die heute in Lifestyle Magazinen kommen, wie einen Bericht von einer Tournee von Tokio Hotel.
Das zweite sind die Nachrichten selbst. Auf verschiedenen Dritten wird die Tagesschau vor 30 Jahren wiederholt. Seitdem hat sich doch vieles geändert und zwar vor allem was es an Nachrichten gibt. Das erste ist, das die Nachrichten breiter waren. Es gab Nachrichten über Entwicklungshilfe, Afrika, Stellungnahmen von Gewerkschaften etc. Das zweite war, dass ich das Gefühl habe, es liegt alles "näher" an uns, wir können es mehr beeinflussen. Heute wird ein Großteil der nationalen Politik von der EU bestimmt, zumindest auf wirtschaftlicher Seite. Die USA sind als letzte verbliebene Supermacht einen Alleingang gegangen und scheren sich einen Scheissdreck um die Meinung ihrer Verbündeten und bei den Problemen haben wir es mit globalen Problemen zu tun wie steigenden Erdölpreisen und Klimakatastrophe.
Ich kann mich noch erinnern wie in den 80 er Jahren das Waldsterben aufkam. Wie es die Leute aufrüttelte und es Bestandteil der Nachrichten wurde. Die Grünen profitierten von dem Waldsterben, weil die anderen Partien zuerst nicht drauf reagierten, dann jedoch als sie Wähler verloren, umschwenkten. Das löst nicht das Problem sofort, aber man hat doch das Gefühl noch vor 20-25 Jahren gehabt etwas selbst bewegen zu können, ob man nun gegen die Nachrüstung demonstrierte oder gegen AKW. Es mag offensichtlich nichts damit zu tun haben, aber es hat denselben Ursprung: Die Politikverdrossenheit und das mangelnde Interesse an Nachrichten.
Es ist in beiden Dingen das Gefühl selbst nichts mehr bewegen zu können, oder das es egal ist was man macht. In vielen Dingen stimmt dies auch. Wir können noch so viel an Treibhausgasen einsparen, wenn 1.4 Mrd. Chinesen jedes Jahr 10 % mehr davon in die Luft pusten. Doch neben dem gibt es auch, gemünzt auf unsere Partien, zwei wesentliche Gründe warum die Leute kein Interesse an Politik haben (woraus die Nachrichten ja größtenteils bestehen)
- Die Partien haben kein eigenes Profil mehr: Die Programme werden austauschbar und unterscheiden sich nur in "Ich spare hier ein, du dort"
- Wesentliche Probleme wie die seit Jahrzehnten zu hohe Arbeitslosenzahl, die immer höher werdenden Sozialausgaben, das komplexe Steuersystem, die Bildungsmisere und die Staatsverschuldung werden nicht gelöst.
- Die Politiker sind viel mehr in den Medien präsent. Zum einen gibt es mehr Sender, zum anderen gibt es mehr Politik-Talkshows. Ich habe das Gefühl, es geht mehr darum seine Meinung ein dutzendmal in solchen Sendungen zu verbreiten, als wirkliche Politik zu machen.
Die Nachrichten sind nur ein Randschauplatz, der von dieser immer größer werdenden Politikverdrossenheit betroffen ist. Das immer weniger Leute wählen gehen und Parteien wie die Linke oder im rechten Spektrum immer mehr Wähler bekommen, trotz ihrer Forderungen, die wirtschaftlich oder politisch nicht möglich sind. Aber es ist wenigstens eine Alternative. Die einzige die noch geblieben ist.
Können die Nachrichten daran etwas ändern? Ich glaube nicht und es gibt kein Patentrezept, wie man es ändern kann. Vielleicht sind die Nachrichten für alle auch ein aussterbendes Modell: Nicht umsonst haben Spartennachrichten ja Zulauf, denn sie bringen dass woran die entsprechende Gruppe interessiert ist. Vielleicht gibt es bald auch einmal Nachrichten für 15-30 Jährige, Nachrichten für 30-50 jährige usw…