Der Shuttle-C
Vor der Challenger Katastrophe hatte die NASA noch hochtrabende Pläne für das Shuttle System. Die Centaur Oberstufe sollte die Nutzlast in den geostationären Orbit gegenüber der IUS verdoppeln. Andere Stufen mit lagerfähigen Treibstoffen für größere Nutzlasten, die weniger Platz im Nutzlastraum brauchten waren angedacht. Das wichtigste Projekt war jedoch der Shuttle-Carrier oder Shuttle-c.
Das Shuttle-c ist nicht ein System, vielmehr eine Idee von verschiedenen Schwerlasttransportern auf Basis der Space Shuttle Komponenten. Das größte System bestand aus 4 Feststoffboostern, einem verlängerten Tanks und 4 Triebwerken. Anstatt einem Space Shuttle hätte dieses System nur eine Nutzlastbucht transportiert. Nur die Booster wären wiederverwendbar gewesen.
Das kleinste System war ein umgebauter Space Shuttle. Triebfeder für diese Projekte war nicht der Bedarf bei einem solchen System, sondern das SDI Programm. Wenn dieses in die Realisierungsphase gehen würde, hätte man hunderte von schweren Nutzlasten in den Orbit transportieren müssen. Die NASA offerierte dafür das Space Shuttle, während die Air Force lieber eine eigene, konventionelle, Schwelastrakete entwickeln wollte.
Für die kleinste Version des Shuttle-C gab es immerhin konkrete Planungen: Es war im wesentlichen ein normales Space Shuttle, bei dem man nur alle ausgebaut hatte, was für eine Besatzung notwendig war, also Kabineneinrichtung, Lebenserhaltungssystem, Vorräte, Gase etc. Der Space Shuttle sollte unbemannt in den Orbit starten und unbemannt landen. Technisch gesehen ist das kein Problem, den das Space Shuttle braucht keine Besatzung um einen Orbit zu erreichen und zu landen. Sofern man nur Nutzlasten aussetzt, hat die Besatzung auch nicht mehr zu tun als auf einen Knopf zu drücken, der den Behälter öffnet und die Verbindungen zur Fixierung im Nutzlastraum durchtrennt. Durch Federn wird dann der Satellit sanft weggedrückt. Eine Besatzung braucht man wenn man wie heute eine Raumstation aufbauen will und Außenmontagen anstehen
Nach NASA Schätzungen hätte ein solches Shuttle etwa 45 t Nutzlast befördern können. Also 50 % mehr, bei wahrscheinlich geringeren Startkosten. Denn die Besatzung ist ja nicht an Bord, das macht die Mission schon billiger, dazu kommet, dass man geringere Sicherheitsstandards anlegen kann. Aber ich will es mal genauer berechnen.
Basis sind die 31.1 t welche die Space Shuttles mit dem Lightweight Tank und 109 % Schubniveau erreichen sollten. (Nach den Planungen von 1982) Basierend auf diesen Daten kommt man zu folgenden Verbesserungen:
- Super-Lightweight Tank : + 2.7 t
- Fehlende Personaleinrichtungen: + 0.5 t
- Fehlende Besatzung und Ausrüstung: + 1.1 t
- Fehlende Inneneinrichtung des Cockpits (20 % der Rumpfstruktur): + 3.8 t
- Einsparungen an Flüssigkeiten und Gasen: + 1.0 t
Da fehlt aber noch einiges: Zusammen sind dies 9.1 t. Das liegt darin, dass man das Cockpit so nur ausgeweidet hat, die gesamte schwere Struktur des Cockpits, das ja der einzige teil unter Druck steht und absolut dicht sein muss. Das eine 70 m³ große Kabine natürlich einiges wiegt ist klar. so kommt man auf die 45 t, wenn man die Struktur entsprechend leichter macht.
Wahrscheinlich könnte man sogar noch mehr Nutzlast transportieren: Das Space Shuttle erreicht normalerweise nach der Abtrennung vom Tank keinen Orbit. Mit den beiden OMS Treibwerken bringt es erst die Geschwindigkeit auf um einen niedrigen Orbit zu erreichen. Zwei Zündungen führen zu einem niedrigen Orbit. vor dem Wiedereintritt muss dann gegen die Flugrichtung gezündet werden um einen Wiedereintritt zu ermöglichen. Dazu braucht man etwa 2/3 der knapp 10 t Treibstoff die das Space Shuttle mitführt. Der Rest dient für Kurskorrekturen. Wer nur Satelliten aussetzt braucht das nicht. Der Satellit müsste dann nach dem Aussetzen (direkt nach Abtrennen des Tanks) ein eigenes Triebwerk zünden und selbst einen Orbit erreichen. Zumindest wenn nur eine Nutzlast ausgesetzt wird ist dies gangbar. Bei 4 oder 5 Satelliten die in unterschiedliche Bahnen gelangen ist das schwer möglich. Dann brauchte man aber nicht die OMS Triebwerke mit ihren Tanks – 2.5 t für die Triebwerke und die Tanks und 9.7 t für den Treibstoff – Die Nutzlast stiege um weitere 12 t. Für Veränderungen der räumlichen Lage gibt es immer noch das unabhängige RCS System mit weitere 3 t Treibstoff.
So bekäme man einen Space Shuttle der einen Orbit erreichen kann mit 45 t Nutzlast und einen der eine suborbitale Bahn erreicht mit 57 t Nutzlast. Mit dem Risiko, dass dies nur geht wenn die Nutzlast praktisch sofort nach dem Aussetzen ihren eigenen Antrieb zündet – aber das unterscheidet sie nicht sehr von Planetensonden bei denen das nach 90 Minuten der Fall ist und dem Space Shuttle, der dies auch tun muss um einen Orbit zu erreichen.
Allerdings nur theoretisch. Die Struktur des Nutzlastraumes ist für maximal 35 t ausgelegt, das kostet dann wieder etwas von der Nutzlast um diese zu verstärken, jedoch nicht viel, der Rumpf rund um die Nutzlastbucht ist der leichteste Teil des Orbiters.
Nach dem Verlust der Challenger änderte sich die NASA Philosophie vollständig. Die Sicherheit der Besatzung ging nun vor, sie hätte auch vorher schon das wichtigste Kriterium sein müssen. Man begrub aber auch alle Pläne für den Shuttle-C. Ich denke es wäre anders gelaufen wenn man einen der Orbiter zu einem reinen frachtraumschiff aufgebaut hätte für all die Transporte die man ohne Besatzung, ohne große Eingriffe durchführen kann. das sind Satellitentransporte und Transporte von Raumstationselementen bei denen man keine Montagen durchführen muss. (Reine Labormodule z.B.)
Als 2004 die CLV propagiert wurden, die später die Bezeichnung "Ares" bekamen sahen die meisten Planungen die Verwendung der SSME in beiden Raketen vor. Für das SSME sprechen seine Daten. Es ist das zuverlässigste Triebwerk, das es heute gibt, es hat einen hohen spezifischen Impuls und ist eine leichtgewichtige Konstruktion. Und nebenbei: Da 60 Stück davon gebaut wurden und nur 6 beim Einsatz verloren gingen müssten jede Menge Triebwerke nutzbar sein – 55 Flüge sollte jeder überstehen, keines flog mehr als 19 mal. Man entschied sich aus Kostengründen für das J-2X, so wird nicht nur 2010 das letzte Space Shuttle ausgemustert sondern auch jede Technologie die sie eingeführt haben. Mich würde wirklich interessieren was Wernher von Braun sagen würde, würde er heute noch leben und erfahren, das ein im Jahre 1967 entwickeltes Triebwerk, vorgesehen für verbesserte Versionen der Saturn V, 50 Jahre später eine neue Mondrakete antreiben werden, während man das zwischendurch neu entwickelte und mit Milliardenaufwand über 20 Jahre sicherer gemachte SSME in Rente schickt… In den USA ist wirklich alles möglich.
Grundsätzlich ist es natürlich sehr schade, dass man das SSME in Rente schickt, allerdings ist es auch verständlich. Im aktuellen US Raumfahrtprogramm ist für das SSME schlicht kein Platz. Aufgrund seines Nachteils (des Preises) kann es seine Vorteile nur als Triebwerk eines mehrfach verwendbaren Systems ausspielen. Das bisher einzige wiederverwendbare System, der Space Shuttle, geht aber ab 2010 außer Dienst. Damit ist dann auch die Zeit des SSME abgelaufen.
Natürlich könnte man das SSMS auch in den neuen Ares Trägern einsetzen. Aber ist das wirklich sinnvoll?
Gehen wir die Optionen doch einmal durch:
Da die Ares 5 kein bemannter Träger ist, ist hier der Einsatz eines Man-Rated Triebwerks nicht nötig. Die Entscheidung, anstelle der teuren SSMEs die billigeren RS-68 Triebwerke der Delta 4 zu verwenden, ist daher finanziell durchaus sinnvoll (immerhin kostet ein SSME 3-mal so viel wie ein RS- 68), auch wenn sich dadurch die Zuverlässigkeit des Trägers etwas verschlechtern dürfte. Zwar hat die NASA noch ca 50 SSME aus dem Shuttle Programm auf Lager, die man für die Ares 5 Grundstufe einsetzen könnte, aber hier kann zunächst keiner einschätzen, wie viel (finanzieller) Aufwand nötig ist, um die Triebwerke a: auf einen gemeinsamen Stand (da verschiedene Blocks) zu bringen und sie b: überhaupt wieder in einen flugfähigen Zustand zu bringen. Zudem würden die 50 Triebwerke gerade einmal für 9 – 10 Flüge der Ares 5 (je nach Oberstufentriebwerk) ausreichen. Selbst die Saturn 5 ist 13-mal geflogen, die Ares 5 könnte, sollte es wirklich in absehbarer Zeit zu einer permanent bemannten Station auf dem Mond und zu einem Marsflugprogramm kommen, noch deutlich öfters fliegen. Man hätte dann also auch komplett neu produzierte Triebwerke einsetzen müssen (bei 5 SSME in der Ares 5 Grundstufe wären dann bei jedem Start allein 250 Mio Dollar für die SSME angefallen) Damit war das SSME keine realistische Option für die Ares 5 Grundstufe.
Für den Einsatz in der Oberstufe sowohl der Ares 1 als auch der Ares 5 hätte das SSME so modifiziert werden müssen, das es im Flug wiederzündbar ist. Dies wäre einer teilweisen Neuentwicklung (mit allen damit verbundenen zeitlichen, finanziellen und technischen Risiken) gleichgekommen. Hinzu kommen dann die hohen Produktionskosten für die Serienausführungen. Hier ist es günstiger (und auch mit weniger Risiko behaftet), das J2 einzusetzen als das SSME langwierig zu modifizieren.
Am Ende kann man es drehen und wenden wie man will: Das SSME ist ein hervorragendes Triebwerk, aber für die Anforderungen des Ares Programms nicht geeignet.
Vermutlich wird man auch das SSME in ein paar Jahren wiederbeleben, wenn man sich daran macht, erneut einen Shuttle (Shuttle 2.0) zu entwickeln.
Dur vergisst etwas: Das SSME war ja auch in Gespräch als Ersatz für zwei J-2X, d.h. in der Ares I und der Departure Stage der Ares V. Bei der Zentralstufe der Ares V gebe ich Dir recht, schon alleine wegen des höheren Schubs und niedrigeren Preises sind hier die RS-68 besser. Bei den Oberstufen sieht es anders aus. 50 Triebwerke reichen für 50 Starts unbd ich glaube nicht das wir mehr sehen werden.
Das J-2X muss erst noch aus dem J-2S entwickelt wrden. Es gibt eine Reihe von Veränderungen für den benötigten Schub, das alleine 1.2 Mrd Dollar kostet. 23 Ares I Raketen sind geplant, das macht schon ohne Produktionskosten über 50 Millionen pro Triebwerk, also so viel wie ein SSME kostet.
Das zweite: Auch die Space Shuttles fliegen mit gemischten Triebwerken. Diese werden einzelen ausgewechselt und haben ein gleiches Schubniveau.
Siehe http://mainengine.gratis-webspace.de/ssme_flightsall.html
Der letzte Flug erfolgte z.b. mit zwei Block 2A und einem Block 2 Triebwerk.
Wobei wir nicht wissen, wie viele der 50 Triebwerke überhaupt noch in einem flugfähigen Zustand sind. Zudem kommen hier die Kosten der Umrüstung für eine Wiederzündbarkeit im Flug dazu. Nach allem, was ich in den wenigen Quellen dazu gefunden habe, dürfte diese Umrüstung praktisch eine teilweise Neukonstruktion mit allen entsprechend nötigen Tests und Zertifizierungen darstellen, die vermutlich nicht billiger als die Entwicklung der J-2X Triebwerke ist. Zudem bleibt unklar, ob die bestehenden Triebwerke überhaupt umgerüstet werden können. Bei einem Einsatz der SSME in der EDS der Ares 5 dürften die Kosten daher keinesfalls niedriger liegen als beim Einsatz modifizierter J-2 Triebwerke.
Bei der Ares 1 ist es eher ein Grenzfall. Hier fällt die Wiederzündung im Flug weg, das Triebwerk muss nur 1-mal im Flug gezündet werden. Das sollte mit deutlich weniger Aufwand machbar sein. Da man das J-2X aber eh für die Ares 5 entwickeln muss, macht es Sinn, auch bei der Ares 1 das J-2 einzusetzen. Man spart sich dafür die Umrüstungskosten und den Support für ein drittes Flüssigkeitstriebwerk.
Ich bin allerdings grundsätzlich der Meinung, dass die Ares Träger unglücklich entworfen sind. Besonders die Übernahme der Shuttle Booster stört mich. Hier wäre eine Wiederaufnahme der Produktion des F-1 Triebwerkes und der Einsatz in Flüssigkeitsboostern für die Ares 5 bzw. der Ares 1 Startstufe (könnte wie bei Energia – Zenit die gleiche Stufe sein) wesentlich Sinnvoller gewesen. Auch der Einsatz von Wasserstoff in der Grundstufe der Ares 5 ist eher zweifelhaft. Ich sehe da keinen Vorteil. Wasserstoff macht bei Oberstufen Sinn (bzw. ist dort unentbehrlich), für Start- oder Grundstufen allerdings bringt er keinen Vorteil (das Aufgrund des Volumens und der Isolierung nötige größere Tankgewicht dürfte die Energievorteile des Wasserstoffes wieder aufzehren), zudem sind Stufen mit Wasserstoff grundsätzlich teurer als Stufen mit normalen Treibstoffen.