Bernd Leitenbergers Blog

Solaris und unbemannte Raumstationen

Nein, ich bin nicht im Urlaub, ich habe in der letzten Woche nur relativ viel Zeit damit verbracht am Launchlog, BSE und Smartsearch Verbesserungen einzubauen, vor allem beim Launchlog, wo ich nun mal anfange das ganze etwas besser zu dokumentieren. (Man kann sich von dem aktuellen Stand hier überzeugen). Derzeit habe ich wieder mehr Spaß am Programmieren als am Schreiben.

Eines gibt es aber an das mich die Liste der restlichen Space Shuttle Starts erinnert hat, die nun von der NASA veröffentlicht wurde (es sind noch 10 Stück bis zum 31.5.2010, 2 dieses Jahr, darunter die HST Service Mission, 5 nächstes Jahr und noch 3 im darauffolgenden Jahr). Danach wird die ISS weitgehend fertig sein. Nicht für 7 Astronauten wie mal geplant aber für 6. es fehlt das russische Labor und ein Wohnquartier der Russen. Vor allem beschäftige ich mich derzeit mit den Stoffkreisläufen die man braucht um Atemluft und wasser zu regenerieren. Bei der ISS sind diese Kreisläufe auch im Endausbau nicht geschlossen. Sie werden es auch auf einer Marsmission nicht sein, aber bei der ISS wird nur Wasser und Kohlendioxid aufgearbeitet. Der Stickstoff und Sauerstoff stammt aus Druckgasbehältern und das erzeugte Methan bei der Kohlendioxidreduktion wird über Bord abgelassen.

Derartige Verluste wird man sich bei einer Marsexpedition nicht leisten können. Eigentlich sollte ja die ISS ein Vorposten im All sein, bei dem man vieles erprobt was man auf dem Mars beherrschen muss. Das sehe ich nicht. wozu das alle aber? Für die Forschung? Welche Forschung an Bord der ISS kann man nur dort durchführen? Nun eine Reihe von Dingen kann man an der ISS nicht besser machen als auf einem Satelliten, z.B. Erderkundung. Manche Dinge kann man sogar dort nicht durchführen wie Astronomische Beobachtungen (Die Bewegung der Astronauten und die laufenden Bahnanhebungen stören  die Langzeitausrichtung).Die wichtigsten Forschungsfelder sind Werkstoffforschung und Medizin/Biomedizin. Die Medizin und Biomedizin ist dabei sehr grenzwertig, denn im wesentlichen geht es darum festzustellen welchen Einfluss die Schwerelosigkeit auf Organismen hat um damit die Aufenthaltsdauer von Menschen zu verlängern. Würde man keine bemannte Raumfahrt betreiben, so wäre auch diese Forschung unnötig. Daneben gibt es noch einen Bereich von biologischer Grundlagenforschung, der sinnvoll ist, jedoch auch in unbemannten Missionen durchgeführt werden kann.

In den späten 80 ern gab es seitens der CNES den Vorschlag eine unbemannte Raumstation zu entwerfen, als Alternative zur bemannten Raumfahrt. Sie wäre nur ab und an von Astronauten besucht worden, die dann Experimente repariert oder ausgetauscht hätten oder Ergebnisse  und Verbrauchsmaterialen (Filmrollen, Werkstoffe) ausgetauscht hätten. und dann wieder abgelegt hätten. In den frühen Planungen der ESA war auch ein "Free flying Laboratory" geplant, das dann der Beteiligung an der ISS zum Opfer fiel.

Ich glaube wenn es wirklich nur um die Forschung geht, dann wäre es sinnvoller als Columbus. Nehmen wir einmal die Tatsachen: Heute arbeiten in zahlreichen Fabriken schon Roboter selbstständig an Werkstücken, befüllen Hochregallager oder ähnliches. Ein Columbus Labor, in dem in der Mitte auf Schienen einige Roboter arbeiten mit unterschiedlichen Fähigkeiten hinsichtlich Feinfühligkeit, Biegsamkeit oder Tragekraft könnten den Menschen ersetzen, der meistens eh nur Experimente beobachten, Knöpfe drücken und Materialen auswechseln. Wenn wirklich etwas defekt ist wird man meist das ganze Experiment auswechseln müssen. Beobachten kann man mit Fernsehkameras und Datenkanälen auch vom Boden aus. Fernsteuern ebenso. Man muss die Roboter auch nicht autonom betreiben sondern kann sie von der Erde aus steuern, z.B. durch Personen in einer Cave, einer simulierten Weltraumstation am Boden. Anders als mit Astronauten wäre ein 24 Stunden Betrieb möglich, denn man kann das Bodenpersonal alle 8 Stunden austauschen.

Man spart sich die Mannschaftquartiere, das ECLSS und die Versorgung mit Flüssigkeiten und Gasen und Vorräten. Als Folge sinkt auch der Strombedarf und durch die Masse der Raumstation der Bedarf an Treibstoff für die Aufrechterhaltung der Umlaufbahn.

Exemplarisch gerechnet: Die ESA könnte eine Raumstation von 23.8 t Masse auf eine 200 x 300 km Bahn mit 0 Grad Neigung befördern (mehr als zur ISS, da diese eine Neigung von 51.6 Grad hat). Das ist ausreichend für ein voll ausgestaltetes Columbus Labor (maximale Masse 21 t, leer 10.275 t, maximale interne Zuladung an Experimenten 9 t – gestartet wurde es mit 2.5 t Experimenten, der Rest wird bis 2010 mit Space Shuttles nachgeliefert). Dazu bräuchte man dann noch Solarzellen zur Stromversorgung und einen Antrieb zur Aufrechterhaltung der Bahn. Da man noch 2.9 – 4.5 t je nach Ausbau übrig hat reicht eine Ariane 5 um ein so modifiziertes Labor zu transportieren. on Zeit zu Zeit besucht es dann ein modifiziertes ATV, welcher eine Sektion hat welche den Wiedereintritt übersteht. Er ergänzt Verbrauchsmaterialen, hebt die Bahn an und bringt neue Experimente oder führt alte zur Erde zurück. Sollte wirklich einmal ein Menschlicher eingriff notwendig sein, so kann ein Kurzbesuch einer Sojus Kapsel dies erledigen. Das ATV hat denselben Kopplungsadapter wie eine Sojus/Progress.

Ich bin überzeugt, dass die kosten für Europa nicht höher wären als die ISS Beteiligung. Der Nutzen wäre jedoch höher. Auf der ISS werden von 6 Astronauten nur 3.5-4 an der Forschung arbeiten und dies über 8 Stunden in 3 Labors (US Labor, Kibo und Columbus). Bestenfalls gibt es also 12 Arbeitsstunden im Labor pro Tag. Davon steht Europa knapp die Hälfte zu also 6 Stunden. Mit 3 Robotern (einer alle 2 m) und drei Operateuren am Boden im 24 Stunden Betrieb wären es aber 72 Stunden – das dreifache. Selbst wenn nur einer am Boden arbeiten kann und nur halb so produktiv wie ein Astronaut ist wäre es noch das doppelte.

Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund für Forschung auf der ISS – das zeigte sich schon während der Planung als man noch glaubte den Unterhalt wenigstens teilweise durch Fremdfinanzierung seitens der Industrie für durchgeführte Forschung aufbringen zu können: Keine Firma will diese Kosten tragen, wenn sie in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Ich weiß nicht ob eine unbemannte Station wirtschaftlich erfolgreich wäre, Aber sie wäre kostengünstiger als eine bemannte Station.

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