Von dem Umgang mit Toten

Verschiedene Dinge haben mich dazu gebracht, mal darüber nachzudenken wie unsere Gesellschaft mit Toten, menschlichen Überresten und dem Glauben den diese zu Lebzeiten hatten, umgeht. Es waren Berichte über Forschung in Ägypten und an Mumien, aber auch in Europa, wo man aus dem Erbmaterial einer bronzezeitlichen Familie, aus den Gebeinen die in einer Höhle lagerten, rekonstruieren konnte und sogar 3 lebende Nachfahren in der Umgebung heute fand.

Am meisten bewegte mich aber ein Beitrag wo auch Ramses II im ägyptischen Museum gezeigt wurde, angegafft von Tausenden von Besuchern jeden Tag. Die alten Ägypter glaubten, wie viele andere Völker und im Endeffekt auch wir, an ein Leben nach dem Tode. Dafür musste der Körper erhalten werden und dieser Aufwand für die Mumifizierung wurde deswegen betrieben. Zerstörte man die Mumie, so zerstörte man nach deren Ansicht auch die Möglichkeit des Lebens nach dem Tod. Das schlimmste Vergehen das bei den – damals schon vorkommenden – Grabräubereien auftrat, war nicht der Diebstahl von Wertsachen sondern die Störung der Totenruhe oder die Beschädigung der Mumie.

Das mag uns seltsam vorkommen, doch sind wir so weit weg? Wer sich verbrennen lässt, bekommt kein Begräbnis mit Pfarrer, zumindest bei uns ist das so. Anders wird nur auf den letzten Teil des Ritus die Abschiednahme am Grab verzichtet, die immer so gerne im Fernsehen kommt (Asche zu Asche, Staub zu Staub).

Natürlich kann man argumentieren, dass wir nun nur noch von sterblichen Hüllen reden und die Betroffenen lange tot sind und nichts davon merken, dass ihre Knochen wissenschaftlich untersucht oder in aller Öffentlichkeit ausgestellt werden. Doch darum geht es nicht. Es geht um den Respekt, den wir für andere und ihre Vorstellungen haben und dieser sollte nicht beim Tod enden. Auf der anderen Seite gibt es die Wissenschaft, die natürlich mehr über die Menschen und ihr Leben herausfinden will. Ich meine das dies nicht unvereinbar ist: Wissenschaftliche Untersuchungen ja, aber danach bitte wieder zurück in die Begräbnisstätte. Aber keine Ausstellung für die gaffende Volksmenge.  Interessanterweise haben wir hier eine Zweiklassengesellschaft. Von einem Beitrag gestern Abend im ZDF erfahre ich, dass man die etwa 40 bronzezeitlichen Gräber in einer Höhle vollkommen ausgeräumt hat und die Skelette nun alle schön sortiert in Pappkartons in der Kühlkammer lagern. Als man bei Friedrich dem Großen Untersuchungen machte, hat man die Knochen dagegen danach wieder in den Sarg zurückgelegt. Was unterscheidet Friedrich den Großen von Ramses dem II ? Beide waren Herrscher, Ramses der II sogar ein größerer und weltweit bekannterer, als Friedrich. Gibt es eine Zweiklassengesellschaft weil der eine christlich bestattet wurde, und der andere nicht? Was würden Menschen denken, wenn man das Skelett von Friedrich II auf der Berliner Museums Insel ausstellen würde?

Ich denke in keinem unserer Museum muss eine echte Mumie oder ein Skelett ausgestellt sein. Bei sehr alten (und wertvollen) Funden wie Fossilien von Vormenschen ist das auch heute schon der Fall – was sie sehen ist ein Abguss, eine Replik. Warum geht das nicht auch mit Mumien? Die Frage ist auch, was wollen uns Museen vermitteln? Wollen sie Originale ausstellen und diese erklären oder die Kultur und die Vergangenheit erklären? Ich glaube das sehr oft die Menschen mehr von Rekonstruktionen haben, als wenn sie Bruchstücke eines Originals ansehen. Inzwischen eröffnen sich ja dank Computertechnik noch weitere Möglichkeiten – ich kann Dinge tun, die kein Museum leisten kann, wie virtuell durch eine antike Stadt gehen.

Das zweite was mich bewegte, ist wie auch heute mit Verstorbenen umgegangen wird. Wissen sie was passiert, wenn sie als Harz-IV Empfänger sterben und keine sofort fassbaren nahen Verwandten haben? Da man innerhalb weniger Tage bestattet werden muss und das Sozialamt zu langsam und zu träge ist, nach Verwandten zu suchen, werden sie in diesem Falle auf die billigste Art und Weise bestattet: Als anonyme Urne auf einem Gräberfeld. Ohne Kreuz, ohne Schmuck, wer nicht weiß, das es ein Gräberfeld ist, könnte es auch für eine Rasenfläche halten.

Es ist klar, dass wir heute in vielem von dem Abrücken müssen, was früher üblich war, wie ein dauerhaftes Grab, wie man es noch vor 100 Jahren hatte und man es von alten Friedhöfen kennt. Ansonsten gäbe es bald nur noch Friedhöfe in den Städten und kaum noch Wohnraum. Heute ist ein Grab nicht für ewig sondern für 25 Jahre gemietet. Aber wie hier mit Sozialhilfe Empfängern verfahren wird, ist doch nochmal eine andere Dimension. Sie verschwinden eigentlich nach dem Tod. Es gibt kein Grab, kein Kreuz. Darauf bin ich gekommen, durch einen Beitrag als eine Tochter nicht innerhalb der 3 Tage gefunden werden konnte, und diese dann ratlos vor der Rasenfläche stand. Niemand konnte ihr sagen, wo ihre Mutter begraben war "Irgendwo da", sagte der Friedhofsgärtner und machte eine ausholende Armbewegung. Das man jemand verliert, auch wenn man lange von ihm getrennt ist, ist schon schwer. Aber dann nicht mal ein Grab zu haben, wo man Abschied nehmen kann oder das man pflegen und besuchen kann – auch für viele richtig – das ist doch eine andere Dimension.

Mal dumme gefragt: Ist unser Staat so arm, das er sich nicht ein Holzkreuz und ein paar Grenzmarkierungen leisten kann, die eine Parzelle eingrenzen und die es ermöglichen, wenn es doch noch Verwandte gibt, das diese das Grab schmücken oder sofern sie das Geld haben, auch einen Grabstein kaufen? Angesichts dessen, das der Staat von nun an ja jeden Monat Geld an dem Verstorbenen spart, sollte man das erwarten können.

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