Zeit für Entscheidungen
Im November ist die nächste Ministerratssitzung der ESA in Den Haag. Diese Treffen alle paar Jahre, legen den Kurs der ESA für die nächsten Jahre fest – meist werden dort die größeren Projekte beschlossen oder über ihr Weiterführen entschieden, also Dingen wie Ariane 5 Entwicklung, Columbus oder die Cornerstone Missionen.
Die ESA wird wahrscheinlich (neben anderen Dingen) zwei wichtige Punkte zu entscheiden haben:
- Will man die ESC-B Entwicklung wieder aufnehmen oder vielleicht sogar neue Maßnahmen ergreifen um die Ariane 5 weiter in der Nutzlast zu steigern?
- Wie soll es bei Europas Beteiligung an der ISS weitergehen? Die bisherigen Verträge laufen 2013 aus.
Es ist unwahrscheinlich, dass man den ersten Punkt wiederaufnimmt, dann gehen nochmals ein paar Jahre ins Land und die ESC-B wird sicher nicht vor 2016 verfügbar sein. Vielleicht zu spät für ein Trägersystem, das für Europas Bestreben nach einem unabhängigen Zugang zum Weltraum steht, für das wir von den Amis anfangs belächelt wurden, das sich aber zu dem kommerzielle erfolgreichsten Transportmittel in den Weltraum entwickelt hat und an dem über 10000 Arbeitsplätze in ganz Europa hängen. Ein System das wesentlich höhere Rückflüsse in Form von Steuereinnahmen einbringt als der Staat für es investiert.
Das Europa sich weiter an der ISS beteiligen wird gilt dagegen als unstrittig. Fast alle rechnen mit einer Verlängerung. Es wird im Gegenteil, sogar damit gerechnet, das man das ATV weiter entwickeln wird, zuerst zu einem Träger der Fracht auch zur Erde zurückbringen kann (das soll noch für 300 Millionen Euro bis 2013 zu machen sein) und dann in einer zweiten Stufe zu einem bemannten Raumschiff von und zur ISS für 5 Astronauten. (Das soll über 1 Milliarde Euro kosten und erst 2019 verfügbar sein – da könnte es sein, dass es die ISS nicht mehr gibt und ob man mit 1 Milliarde bei einem bemannten Raumschiff auskommt halte ich auch für zweifelhaft).
Europas Beteiligung an der ISS wird etwa 8 Milliarden Euro kosten (http://www.esa.int/esaHS/ESAQHA0VMOC_iss_0.html) das umfasst Columbus und die ATV Entwicklung und Flüge, aber auch gravierende Mehrkosten durch den verzögerten Ausbau der Station. Die Kosten für Ariane 5 sind schwerer zu fassen, weil es durch die Fehlstarts Mehrkosten gab, doch ich schätze es dürften etwa 6.5 Milliarden Euro sein. (Addition des Entwicklungskosten der Ariane, des Evolution Programmes und des Rettungsplanes ergibt 5.9 Milliarden Euro).
Für die 8 Milliarden Euro erhält Europa 8.3 % an der ISS Crewzeit und an den Ressourcen, das ist bei 120 Wochenstunden (3 Astronauten braucht man alleine für die Stationssysteme) nicht mal der Anspruch, dauernd einen Astronauten an Bord zu haben. Vom eigenen Labor kann man von 10 Racks nur 5 selbst nutzen. Bei einem ATV Flug pro Jahr kostet die ISS Europa jedes Jahr etwa 350 Millionen Euro nur für dieses System.
Für die 6.5 Milliarden Euro hat Europa das weltweit erfolgreichste und leistungsstärkste Trägersystem entwickelt. Mit einem Backlog über 3 Jahre. Derzeit wird die Produktion angekurbelt um alle Aufträge bedienen zu können. Jeder Träger wird in Europa gefertigt, sichert Arbeitsplätze und kostet kein Geld, sondern bringt Geld über die Steuereinnahmen in den Staatssäckel.
Vor allem aber kann ich mich mit Ariane identifizieren. Sie ist eine europäische Erfolgsstory, sie ist unserer unabhängiger Zugang zum Weltraum. Bei der ISS sind wir nur ein Juniorpartner und haben nicht viel zu sagen, nur viel zu zahlen. Morgen Abend startet erneut eine Ariane 5 – mit Superbird 7 für Japan und AMC-21 für die USA. Die beiden Satelliten im Gewicht von 7276 kg liegen weit unterhalb der maximalen Nutzlast der Ariane 5 EC-A, weswegen man die Reserven nutzt um die Inklination von 7 auf 2 Grad zu verringern. Es ist der 5.te Ariane 5 Start in diesem Jahr, die letzten 26 Flüge waren allesamt erfolgreich.
Für mich ist die Entscheidung einfach, welches Projekt ich bevorzugen würde.
zu 1. meiner Meinung nach ist eine Entwicklung des ESC-B für alle Scenarien eine Bereicherung, da sowohl die GTO Nutzlast gesteigert wird, als auch die LEO Nutzlast steigt. Diese Oberstufen könnte weiterhin die bisherigen ersetzen und damit auf eine höhere Stückzahl kommen, was den Preis reduzieren dürfte. Auch Mond und Planetenmissionen mit großen Nutzlasten sollten damit möglich werden.
zu 2. eine Weiterentwicklung des ATV für den Materialrücktransport finde ich auch sehr sinnvoll, ob dies dann allerdings im Rahmen der ISS stattfindet, oder ob der ATV als eigenständiges Forschungslabor (unbemannt) genutzt werden sollte hängt stark von Neuverhandlungen über die ISS Nutzung ab. Es spricht nichts dagegen z.B. Versorgungsflüge zur ISS zu verkaufen. Die Entwicklungskosten sind bereits bezahlt und die Herstellungskosten werden mit jedem produzierten Exemplar geringer. Bei unbemannten Forschungsmissionen wären 100% der Ergebnisse als Gegenwert zu den 350 Millionen Euro Missionskosten zu buchen. Eine automatisierte Versuchsdurchführung würde eine 100% Nutzung der Zeit in der Schwerelosigkeit evtl. im 3 Schichten Betrieb ermöglichen.