Bernd Leitenbergers Blog

Gülcan und Collien ziehen aufs Land

Seit ich letzte Woche über den Abschluss dieser Sendung gestolpert bin. ist sehe ich mir sie in der Mittagspause zusammen mit einer Kollegin an und wir lachen uns schepps dabei. Für die, die nicht wissen warum es geht: Collien Fernandez und Gülcan Kamps, Moderatoren bei VIVA machen für 3 Wochen ein Praktikum bei einem kleinen Bauernhof, mit dem Ziel, diesen am Ende für 2 Tage zu führen.

Das ganze ist also eines dieser Formate: "B-Promi mal ganz anders" nicht ganz so extrem wie Dschungelcamp aber viel lustiger. Warum? Nun ja weil Gülcan und Collien sich vor der Arbeit, wo es nur geht drücken. Anstatt eine Alm hochzugehen und Essen zu bringen, versuchen sie es mit dem Auto – das dann stecken bleibt. Heu, wird mit den Fingerspitzen vorsichtig zu den Kühen geschaufelt und anstatt den Mist weg zu bringen, bezirzen sie eine halbe Stunde lang den 12 jährigen Sohn bis er die Arbeit macht. Als Trick fällt ihnen dann noch ein, dass man doch ne Allergie haben können oder sie streiken wegen der zu geringen Bezahlung um ausschlafen zu können – als ob sie von Pro 7 nicht gut für diese PR bezahlt werden. Die alte Oma und der alte Opa aber auch die beiden 9 und 12 jährigen Kinder lassen die beiden recht blass bei der Arbeit aussehen.

Das beste aber ist: Sie wissen dass die Kamera dabei ist, das die ganze Show nur 3 Wochen dauert und die Bauernfamilie diesen Job ihr ganzes Leben lang macht. Anstatt also sich zusammen zu reißen und 3 Wochen eben mal auch dreckige und schwere Arbeit zu machen – Wie schon gesagt, Millionen von Menschen tun dies ihr Leben lang. Das wäre die Gelegenheit sich positiv zu präsentieren und (vielleicht berechtigte) Vorurteile abzubauen. Stattdessen präsentieren sie sich genau so, wie man es sich denkt: Sie kommen mit 13 Koffern an, so dass man bei der Abreise einen Kleinbus nur für das Gepäck braucht. Sie verbringen viel Zeit mit dem Aufbrezeln und erscheinen im Kuhstall in knappen Designerklamotten, bei denen man nicht nur die Glocken der Kühe sehen kann. Und sie drücken sich vor der Arbeit oder verbringen mehr Zeit mit dem Rumschnattern als dieser. Pro 7 reibt auch noch Salz in die Wunde, indem es die Fehler der beiden deutlich hervorhebt wie das Einspielen von Anweisungen, welche die beiden geflissentlich ignorieren oder der Zoom auf die gut sichtbare Oberweite beim Apell im Designer Outfit im Kuhstall. Aber das war zu erwarten, und das kennt man ja von solchen Formaten. Um so wichtiger wäre es für mich gewesen mich gut zu präsentieren.

Ich frage mich, was die beiden Damen geritten hat dies zu tun. Gülcan Kamps hat es ja nicht nötig. Schließlich bekommt sie von ihrem Ehemann die Brötchen umsonst (Erbe des Kamps Bäckereiimperiums). Immerhin bekommt man neue Einblicke in die Welt von B Promis, die wohl als solche schon geboren werden. Wie anders kann es sein, dass Collien Fernandes mit 16 von zu Hause auszog aber noch nie in ihrem Leben ein Ei aufgeschlagen hat? Wie bitte, hat sich die junge Dame in den letzten 10 Jahren ernährt? Gülcan braucht zwei Versuche um Pfannkuchen zu produzieren – die dann von den Kindern als nicht genießbar eingestuft wurden. Und wozu braucht man einen Rückspiegel im Auto? Um sich drin zu betrachten? Ich hoffe nur Collien findet auch noch einen reichen Mann, der eine Köchin und Haushälterin beschäftigen kann, ansonsten ist sie ernsthaft in Gefahr zu verhungern. Warum machen die Damen so etwas, wenn man doch nur an Ansehen verlieren kann? Zumindest bei den Menschen die selbst arbeiten müssen. Vielleicht wirkt das Cool bei Jugendlichen, die sich so die Arbeitswelt vorstellen (Money for nothing and the Chicks for free) und das scheint wohl auch das Zielpublikum zu sein. Doch müssen die Damen ja auch von jemand engagiert werden und eine schlechtere Vorstellung ihrer Arbeitsmoral kann man ja nicht bieten. Das reicht dann eben mal für eine Stunde lang die Charts anzusagen, schon die Arbeit an einem Film, wo man konzentriert arbeiten muss, wird die beiden wohl überfordern.

Die tiefere Frage die ich habe: Sind solche unselbständigen, "Ich" bezogenen Geschöpfe, ein Produkt unserer Wohlstandsgesellschaft? Es scheint immer mehr davon zu geben. Ich kann mich nicht erinnern, so jemanden vor 20 Jahren kennen gelernt zu haben, weder in der Schule noch Studium. Ist es so verbreitet zu glauben, man müsste nichts können und würde fürs Nichtstun bezahlt werden? Oder wenn man etwas leistet, dann müsste es wahnsinnig viel mehr Kohle geben, mehr als man ausgeben kann, soviel wie die Manager verdienen? Kann sein. Wir hatten bei uns eine Kollegin mit nur einem kurzen Gastspiel. Sie hatte Null Qualifikation, nervte ihren Chef mit dauernden Anrufen, wie sie ihre Arbeit machen sollte, anstatt sich selbst einzuarbeiten und besuchte Vorlesungen die sie schon als Student hätte hören müssen und saß in der Bibliothek anstatt den Datenbankserver zu administrieren und das Labor zu betreuen. Nun hat sie uns verlassen um den Master zu machen und gleich in einer Position anzufangen, in der sie leiten kann und nichts können muss – so glaube ich denkt sie zumindest.

Der Gegensatz dazu finde ich in den heutigen Nachrichten: Da sollen Arbeitslose nun Demenzkranke betreuen. Ihnen Essen und Trinken geben. Ihnen vorlesen und mit Ihnen Spaziergänge machen. Ich halte diese Arbeit nicht für leicht. Selbst wenn die Kernpflege von ausgebildeten Kräften übernommen wird, ist das doch für jemanden belastend und ich glaube man muss so etwas tun wollen und psychisch dem gewachsen sein. Es handelt sich schließlich nicht um Menschen und nicht Dinge, mit denen man zu tun hat.

Auf der einen Seite haben wir also heute solche Luxusgeschöpfe wie Gülcan und Collien und auf der anderen Seite scheint der Pflegenotstand schon so schlimm zu sein, dass wir daran denken jeden der arbeitslos ist, für die Pflege einzuteilen. In unserer Gesellschaft stimmt etwas nicht. Leider ist das nicht das einzige, das nicht stimmt.

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