Politikum ISS
Es gibt wieder Neuigkeiten vom Space Shuttle und der ISS: Beide US Präsidentschaftskandidaten sind für mehr Shuttle Flüge. Obama hat ein recht ausführliches Statement über seine Raumfahrtambitionen veröffentlicht, McCain ein weniger deutliches. Doch legte er nun nach, und forderte in einem Brief nicht die Shuttle Infrastruktur lahmzulegen.
Das ist der letzte Schlusspunkt in der nicht enden wollenden Story des politischen Geschachere um die ISS. Eigentlich fing ja schon alles mit Freedom an, doch dann wird der Blog hier zu lange. Also fangen wir mit der ISS an – Die Verträge wurden im November 1993 unterschrieben. Damals nur zwischen Russland und den USA. Der Gedanke war, dass die USA ihren weitgehend unveränderten Alpha Entwurf durch russische Module ergänzten, welche es ermöglichten den USA die Kosten für Wohnmodule, Forschungsmodule und Logisticmodule einzusparen. 3 Milliarden Dollar sollte so die ISS weniger kosten als Freedom.
Europa und Japan kamen erst 2 Jahre später dazu. Sie wurden Juniorpartner, nachdem sie sich vorher bei Freedom nicht mit den USA über die Rechte auf der Station einigen konnten. Russland diente hier so als Druckmittel, nach dem Motto "Wir brauchen euch nicht".
Die Einschätzung über Russland musste schon bald revidiert werden: Sarja wurde von den USA gekauft und das zweite Modul Swesda wurde erst 2 Jahre nach dem Termin geliefert – Die NASA musste einen Space Shuttle Flug starten um die Rumpfstation anzuheben und gelichzeitig wichtige Reparaturen an Sarja durchzuführen. Schon im Jahr 2000 war der Zeitplan Makulatur und aus 3 Milliarden Dollar Einsparungen durch die Hinzunahme Russlands, waren 2 Milliarden mehr Ausgaben geworden.
Mit Dschorge Dabbel-Ju Busch wurde es doch erst richtig schlimm. Schon vor dem Columbia Unglück gab es 2001 den Vorschlag an der ISS die enorme Summe von 2 Milliarden Dollar einzusparen (enorm, weil man dies in Verhältnis zu 100 Milliarden Dollar Gesamtkosten setzen musste). Für diese Einsparung hätte man nur die Stammbesatzung von 7 auf 3 Personen reduzieren müssen. Super! Vor allem, wenn man bedenkt, dass von den 120 Arbeitsstunden pro Woche, welche die 3 Besatzungsmitglieder leisten können, 100 für die Housekeeping arbeiten, also das "In-Schuss" Halten der Station drauf gehen.
Mit dem Verlust der Columbia kam dann kurzzeitig die Idee auf, doch die Shuttles gleich ganz außer Dienst zu stellen. Schließlich kostet die ISS nur Geld und bringt nichts für die Forschung. Dumm nur, dass diesmal Japan und Europa Verträge abgeschlossen haben, in denen es happige Konventionalstrafen vorgesehen waren. Weiterhin gab es außerhalb der Regierung doch einige Leute, die einen Gesichtsverlust der USA fürchteten.
Also kam man zu dem Plan der heute noch gilt: Fertigstellung der ISS mit einigen Modifikationen (z.B. nur Raum für 6 anstatt 7 Astronauten) Allerdings Begrenzung des Betriebs bis 2016/7, da dann für das Mondprogramm erheblich höhere Finanzmittel benötigt werden.
Dass ist so eine typische Entscheidung die keinen zufrieden stellt. Man braut also 12 Jahre lang, bis die Station endlich 2010 fertig ist und, dann wird gerade mal 6-7 Jahre lang geforscht. Noch besser: Es gibt ab 2010 eine Lücke in der Versorgung mit Fracht und vor allem Personen. Die Sojus können zwar die 6 Personen befördern, aber keine Versorgungsgüter. Vor allem fehlt das einzige System, welches auch Experimente und Materialen zurück zur Erde bringen kann.
Äh hallo? Was soll das? Welchen Sinn macht dann die Station? Vor allem haben die USA den Hauptanteil an der Station und befördern dann 5 Jahre lang nichts zur Station? So allmählich dämmert das auch in den USA, vor allem, weil man nun ja für den Transport eigener Astronauten vollständig auf die Russen angewiesen ist, das krankt so ein bisschen am Selbstbewusstsein.
Doch müssen dem auch Taten folgen. Die NASA plant zwar nun (zumindest inoffiziell) mit einem Betrieb der ISS bis 2020 und danach. Sie setzt wohl darauf, dass der nächste Präsident das Constellation Programm revidiert. Entweder zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen oder – das ist wahrscheinlicher – die Ares V und den Altair Lander einzustellen. Doch dann ist es zumindest für die Space Shuttles zu spät. Das Haushaltsjahr der NASA beginnt schon im Herbst und die Verträge mit zahlreichen Zulieferern sind gekündigt. Das Grundproblem des Space Shuttles sind die Fixkosten. Von den 3.2-3.5 Milliarden Dollar die das Programm pro Jahr kostet sind 2 Milliarden Fixkosten. Sie fallen an, selbst wenn die Shuttles nicht starten, weil alleine in Florida 6400 Personen fest an dem Programm arbeiten, dazu kommen noch etliche bei den Zulieferern.
So richtig ernst hat aber die NASA schon vorher mit der ISS nicht genommen. Das Problem der fehlenden Fracht hat sie ja mit dem COTS Programm angegangen: Private Firmen sollen den Frachttransport übernehmen. Die Idee ist gut, doch wie geht die NASA es an? Sie vergibt Aufträge an Newcomer, die noch dazu so ausgelegt sind dass die NASA erst zahlen muss, wenn der Newcomer (SpaceX, Rocketplane-Kistler und OSC) ein System hat das auch funktioniert. Auf dieselbe Ausschreibung bewarben sich auch Boeing und Lockheed – mit Adaptionen des ATV und HTV. Also verfügbaren Systemen – Das hätte Entwicklungskosten gespart und die Lösung wäre schnell verfügbar gewesen. Ob die Systeme von SpaceX und OSC funktionieren muss sich noch zeigen (zumindest bei dem von SpaceX habe ich Zweifel). Selbst wenn, dann stehen sie erst in einigen Jahren zur Verfügung.
Aber wie schon gesagt, es geht ja gar nicht um die ISS, Es geht um Politik. In einem gewissen Sinne zeigt die ISS wie tief Raumfahrt nun gesunken ist. War das Raumfahrtprogramm schon immer ein Spielball der Politik, und es gab Hoch-Zeiten und Tief-Zeiten. Aber die betrafen bisher immer die unbekannte Raumfahrt. Da wurden mal anspruchsvolle Missionen gestrichen oder die USA entwickelten ein Jahrzehnt lang keinen Erdbeobachtungssatelliten mehr oder müssen sich von Europa einen Meteosat ausleihen, weil sie selbst keinen Wettersatelliten an der Westküste mehr operationell hatten. Nur: Die bemannte Raumfahrt war immer sicher vor Kürzungen: Egal wie viel Geld die Entwicklung des Space Shuttles zusätzlich kostete : Es wurde fertiggestellt. Egal, ob ein Flug soviel kostete wie zwei Planetensonden – Es gab 6-8 davon jedes Jahr.
Ob nun alles besser wird? Ich glaube nicht. Es geht bei den Aussagen von McCain um Wählerstimmen, die, von den Leuten die arbeitslos sind, wenn das Shuttle eingemottet wird. Und auch Obama hat sich nicht gerade geoutet, als jemand der sich viel für Forschung oder Weltraumforschung im Allgemeinen interessiert. Selbst wenn: Die USA haben einige andere Probleme, wie die unter Busch angestiegene Staatsverschuldung. Da werden alle Ressorts erst mal zurückstecken müssen.
Egal wer Präsident wird: Den ersten Haushalt den er beeinflussen kann ist der für 2010. Dann ist es für die Shuttles zu spät. Der Abbau der Einrichtungen für das Schweißen der externen Tanks beginnt z.B. diesen Herbst und wird 2009 abgeschlossen sein. So gesehen bekommt man nur was man gewollt hat.
Eine gute Zusammenfassung warum es bei der ISS leider in Wahrheit immer wirklich gegangen ist: Arbeitsplatz und Pfründeerhaltung in der US Luft und Raumfahrtindustrie. Schon vor 10 Jahren konnte ich in Piers Bizonys „Die Internationale Raumstation“ schon lesen, daß sich eigentlich niemand so richtig einig war „wofür“ die Raumstation eigentlich gut sei.
Imo wirds wahrscheinliche das letzte Raumstationprojekt dieser Art sein. Die nächsten Raumstationen werden sicher wieder kleiner und effizienter sein und hoffentlich von einigen neuen Technologien profitierten wie z.b. Bigalows BA 330. (dessen Vorgänger ja bisher zu funktionieren scheinen…)
Meiner Meinung nach wissen auch die Europäer (speziell die Deutschen) nicht was sie eigentlich auf der Raumstation wollen. Die meisten Versuche machen nur dann Sinn wenn wirklich ernsthafte Pläne für eine bemannte Raumfahrt bestünden. Doch dann wären auch andere Projekte (Raumkapsel, Bemannte Starts und Landungen) angesagt. Projekte und Untersuchungen zu einer Produktion im LEO und zu möglichen Produkten gibt es nicht.