Lieber Herr Glos und Frau Schawan,

Da sie sich nicht so richtig entscheiden können, ob die Luft und Raumfahrt, zum Wirtschaftsministerium oder Wissenschaftsministerium gehört, ist dieser Blog an sie beide gerichtet. Nebenbei ist, die Tatsache, dass die DLR nun keinem Ministerium so richtig angehört, der letzte Tiefpunkt in der Talfahrt welche die Raumfahrt, in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erlebte. Lange her sind die Zeiten, dass man über ein eigenes Raumfahrtministerium nachdachte. Heute reicht es nicht einmal für ein nationales Programm, dass sich mit dem europäischen Beitrag messen kann.

Sie diskutieren nun über Milliardengeschenke an die Automobilindustrie, die letztendlich wegen der großen Zahl an Fahrzeugen doch Keinen zum Neukauf eines Autos bewegen werden. Sinnvoller wäre das Geld in die Förderung der heimischen Raumfahrtindustrie investiert. Nun stehen wieder die ESA Ministerratssitzungen an, die bei Politikern doch so beliebt sind. Schließlich gibt es da lecker Essen, schöne Fotos mit den Kollegen für die PR Agenturen und wichtig kann man sich auch vorkommen, entscheidet man doch in wenigen Tagen über den Kurs der ESA in den nächsten 3 Tagen.

Ich möchte sie bitten, einmal hier an die Deutsche Raumfahrtindustrie zu denken, in der Tausende von hochqualifizierten Arbeitsplätzen stecken. Die Ariane 5 muss weiter entwickelt werden: Nur so bleibt ihre Weltmarktposition stabil. An der Produktion der Rakete hängen viele Arbeitsplätze und die Erlöse durch den Verkauf übertreffen die investieren Steuereinnahmen bei weitem. Es ist also nicht nur im Interesse von Deutschland als Technologiestandort, sondern auch zum Sichern der Arbeitsplätze geboten, hier zu investieren. Folgende Optionen halte ich für wichtig:

  • Entwicklung der ESC-B Oberstufe. Deren Entwicklung wurde schon begonnen. Sie würde nicht nur die deutsche Industrie stärken, sondern auch Kompetenz in der Technologie von Triebwerken nach dem Typus des geschlossenen Kreislaufs (Expander Cycle) bringen.
  • Neuentwicklung der Booster: Die Vega Rakete setzt neue Graphit-Verbundwerkstoffe ein, die bei der Ariane 5 die Nutzlast weiter steigen würde. Diese Technologie wurde von Italien entwickelt und sie könnte die Fertigung die derzeit zum Teil noch bei MAN erfolgt, ablösen. Wollen Sie dies zulassen? Es wäre an der Zeit auch das System flexibler zu gestalten: Nicht nur wie bisher 2 Booster, sondern ein System von 2,4,6 und 8 Boostern die auch nacheinander (bei einer 6/2 Konfiguration) gezündet werden können.
  • Vulcain 3 Triebwerk: Wollen sie das Filetstück der Ariane den Franzosen überlassen? Die Brennkammer fertigen wir ja schon. Es wäre Zeit für einen großen Sprung zu einem Triebwerk der 1700-2000 kN Klasse und das ist die Gelegenheit für Deutschland sich mehr einzubringen.

Sie mögen nun sagen. "Das wird ja alles so teuer". Klar man muss sparen. Also hier ein paar Sparvorschläge:

  • Die DLR will das ATV mit Kosten von 1 Milliarde Euro zu einem rückführbaren Raumtransporter ausbauen. Dieser würde nicht vor 2013 zur Verfügung stehen. Danach soll ein bemannter Raumtransporter folgen, der nicht vor 2018/9 zur Verfügung stehen sollte. Diese Entscheidungen kommen um Jahre zu spät: Nach dem Beschluss der Ausmusterung der Space Shuttle 2004 hätte man sofort reagieren können, dann würden diese Gefährte auch 2010 zur Verfügung stehen. Bis 2013 ist es zu spät. Bis dahin gibt es schon einen US Frachttransporter mit Rückkehrmöglichkeit und 2018/9 ist die ISS am Ende ihre Lebenszeit und die Orionkapsel verfügbar, was einen europäischen Transporter überflüssig macht.
  • Exomars wird erheblich zu teuer. Deutschland ist hier nicht groß involviert, aber bei geschätzten Kosten von 1.6 Mrd. Euro ist es Zeit das Projekt zu kippen. Die Kosten stehen in keinem Verhältnis mehr zum wissenschaftlichen Nutzen. Wie wäre es mit meiner Mars Net Idee? (siehe Blog vom Montag). Ansonsten könnte das Streichen auch bei den Partnern Mitteln freisetzen um die Ariane weiter zu entwickeln.

Dann gäbe es noch die nationale Forschung. Die ist ein Trauerspiel. Eine Nation die von der Technologie lebt, muss einen eigene Forschungslinie haben, finanziert von einem Etat der vergleichbar zu dem ESA Beitrag ist, und der pro Jahr mindestens 1-2 eigene Missionen ermöglicht. Mögliche Projekte wären:

Ein ziviler Erderkundungssatellit, der neue Kommunikationsstrategien wie Datenübertragung per Laser oder im Breitband zum Bundeswehrkommunikationssatelliten durchführt. Mit hochauflösenden Kameras bestückt, findet sich sicher auch bei der Bundeswehr ein Partner zur Mitfinanzierung

Eine Flotte von Satelliten mit Multspektralkapazität und Radar, um Umweltsünder in Deutschland und der Nordsee schnell dingfest zu machen. Querfinanzierung durch saftige Bußgelder wäre denkbar.

Ein deutscher Mondorbiter bestückt mit den leistungsfähigen Kameras und Radargeräten die wir schon entwickelt haben (TerraSAR, HRSC). Denken sie dran wie sich Frau Merkel freuen würde, wenn sie eine Rede zum Anlass der ersten nationalen Raumsonde halten könnte! (Ein Tipp: Schicken sie sie mir vorher zu, damit nicht solche Faux Pas wie die Zuschreibung der Teflonpfanne und des CD-Players als Raumfahrttechnologien vorkommen. Das war bei der Rede zur Auslieferung von Columbus echt peinlich, zumal unsere Bundeskanzlerin ja Physikerin ist und vielleicht daher mehr Ahnung von Technik haben sollte).

Dies alles macht mehr Sinn, als dem Autofahrer 1-2 Tankfüllungen als Steuervergünstigungen zu schenken. Denken Sie einmal drüber nach!

Ihr Bernd Leitenberger

Was gibt es noch neues? Ich habe gestern durch Zufall bemerkt, dass unsere Hochschule einen Zugang zu den E-Books bei Springer hat. Da habe ich mir doch gleich mal den Belitz-Grosch (DIE Bibel für Lebensmittelchemiker) und den Frede (Das entsprechende Buch für die Technologie) heeruntergeladen. Dazu noch ein paar andere. Leider gab es bei Raumfahrt nur das Lehrbuch von Messerschmidt, an dessen Qualität ich angesichts einiger Fehler im Kapitel Trägersysteme (das ich überflogen habe) doch meine Zweifel habe. Aber immerhin. Nun kann ich mein neues Buch dem aktuellen Stand der Forschung anpassen.

Danken möchte ich dann noch Dr. W. Hofmann: Von Ihm stammt die erste Kundenkritik zum Geminiprogramm, und dann gleich mit 5 Sternen! Vom ATV Buch habe ich übrigens noch keine Rückmeldung bekommen, außer dass ich anstatt "Weltraumspaziergang" eher einen fachlicheren Begriff wählen sollte. Aber vielleicht hat es auch noch keiner ganz durchgelesen. Ich hoffe danach gibt es auch eine Rezension zu diesem Buch bei Amazon.

One thought on “Lieber Herr Glos und Frau Schawan,

  1. bei den Britten ging schlimmer

    1955 BLUE STREAK begann als Mittelstrecken Rakete in Verteidigung Ministerium
    1958 ganze Projekt gestoppt und Wissenschaft Ministerium übergeben
    lief als Blue Prince Konzept
    1961 Geburt ELDO mit EUROPA Rakete Konzept
    1966 die Labor Partei stellt die Regierung in Britannien
    Minister Tony Benn erklärt „Groß Britannien benötig keine Raumfahrt, wir haben die USA dafür“

    ab hier wandert das EUROPA Rakete Programm von Wissenschaft Ministerium
    über Luftfahrt-, Wirtschaft-, Transport- Ministeriums

    Am ende in 1973 ist das EUROPA Rakete Programm in Händen des SCHIFFFAHRT Ministerium
    „Its a Rocketship“ = ist ja ein Raumschiff, muss also in Schifffahrt Ministerium rein.

    die Spinnen die Britten …

    Frankreich
    Präsident De Gaulle gründet die CNES in 1961
    CNES von Anfang an mit Sonder Rechte Ausgestattet (25% der Forschungsgelder für CNES)
    Mistet unter zig Raketen Programmen aus und bring Frankreich ersten Satelliten in den Orbit
    baute das das Centre Spatial Guyanais bei Kourou
    und rette das Europäische Raumfahrt Programm vor dem totalen aus !
    durch Ariane Rakete (naturlich mit kleine Hilfe von Deutschland )
    CNES bilde das Rückgrat der heutigen Europäische Raumfahrt

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