Bernd Leitenbergers Blog

Flüssiges Methan als Raketentreibstoff?

Zuerst einmal: Was ist der Vorteil von Methan? Methan ist eigentlich nur ein Kohlenwasserstoff, aber ein besonderer. Normale Kohlenwasserstoffe haben sehr lange Ketten An jedem Kohlenstoffatom sitzen zwei Wasserstoffatome. An den Enden gibt es dann jeweils eines mehr. Aber durch den Gehalt an Alkenen und ringförmigen Molekülen weist Kerosin, der übliche Kohlenwasserstoff in der Summe in etwa die Zusammensetzung CnH2n auf. Auf ein Kohlenstoffatom kommen zwei Wasserstoffatome. Methan hat die Summenformel CH4. Oftmals wird auch von LNG (Liquid natural Gas) gesprochen. Verflüssigtes Erdgas besteht zu 90% aus Methan.

Methan enthält also doppelt so viel Wasserstoff wie Kerosin. Das hat zwei positive Auswirkungen:

Doch was sind die Nachteile? Flüssiges Methan hat eine niedrige Dichte von 0.42 und ist nur zwischen -183 und -162 °C flüssig. Kerosin dagegen hat eine Dichte von 0.8 bis 0,85 g/kg und siedet erst bei rund 180 °C (Werte für JP-1 den meist eingesetzten Treibstoff, Kerosin ist ein Synonym für ein breites Gemisch an Kohlenwasserstoffen, es gibt auch Gemische die erst bei 300°C verdampfen). Es ist also wie flüssiger Wasserstoff ein voluminöser Treibstoff und es ist nicht bei Zimmertemperatur flüssig, bzw. der Temperaturbereich in dem es flüssig bleibt ist nur 21°C groß.

De Fakto habe ich damit einen kryogenen Verbrennungsträger mit denselben Anforderungen an die Technik, wie flüssiger Wasserstoff. Die Frage ist: Lohnt sich der Übergang von Kerosin auf Methan?

Ich muss sagen, dass ich lange Zeit selbst Probleme hatte zu verstehen, warum Wasserstoff so viel mehr Aufwand macht, als flüssiger Sauerstoff, der ja schon immer als Oxydator verwendet wurde. Meine Vorstellung war: Sicher, die Temperatur ist niedriger und man braucht größere Tanks und eventuell verdampft etwas von dem Wasserstoff, weil der Temperatur-Bereich, in dem er flüssig ist, kleiner ist und er eine geringere Dichte hat, also das Verhältnis Oberfläche/Volumen größer ist. Doch was macht das aus? Für die Beanspruchung von Materialen macht es keinen Unterschied ob es -180 oder -250 Grad sind. Bei beiden Temperaturen sind Kunststoffe die bei Raumtemperatur weich sind, hart wie Stein und Metall steif und kaum dehnbar. Mir wurde es erst klar, als ich mich mehr mit der Technik eines Raketentreibwerks beschäftigt habe. Flüssiger Sauerstoff als Oxydator hat in einem Raketentriebwerk einen einfachen Weg: Ein Teil wird im Gasgenerator verbrannt und erzeugt das Arbeitsgas für die Turbine. Der Rest wird durch die Turbopumpe in die Brennkammer gedrückt und dort verbrannt. Das ist nicht viel mehr Aufwand wie für eine Pumpe die auch Wasser fördert (die ersten Turbopumpen der A-4 stammten von Pumpen für die Feuerwehr ab). Durch die große Dichte haben Turbopumpen für flüssigen Sauerstoff auch noch gut beherschbare Drehzahlen, typisch zwischen 6000 und 13.000 Umdrehungen pro Sekunde.

Der Verbrennungsträger hat mehr Funktionen. Als erstes einmal wird mit dem Verbrennungsträger jedes Lager und jedes bewegliche Teil geschmiert. Die Möglichkeit einen eigenen Schmierstoff zu nutzen, scheidet bei Methan oder Wasserstoff wegen der niedrigen Temperaturen aus. Dann wird mit dem Verbrennungsträger die Brennkammer und Düse gekühlt. Weiterhin hängt die Leistung der Turbopumpe von dem transportierten Volumen ab, nicht vom Gewicht. Die LOX Turbopumpe des Vulcain 2 hat z.B. eine Leistung von 5.1 MW bei 12.600 U/min. Die für den Wasserstoff muss siebenmal weniger Gewicht fördern, hat aber eine Leistung von 14.1 MW bei 35.500 U/min weil Wasserstoff eine 16 mal geringere Dichte als Sauerstoff hat.

Nun zu den Herausforderungen, die Wasserstoff als Verbrennungsträger für die Technik stellt:

Das sind die technischen Herausforderungen bei Wasserstoff. doch wie sieht es bei Methan aus? Nicht viel besser. Der Bereich in dem es flüssig ist, ist ebenfalls nur etwa 20 K groß. Methan verdampft bei niedrigen Temperaturen wenn auch etwas höheren als Wasserstoff. Ein Treibstoff von -180 Grad Celsius muss bewegliche Teile schmieren, wodurch diese aus Materialen hergestellt werden müssen die bei diesen Temperaturen nicht aneinander haften. Etwas besser sind die Anforderungen an die Turbopumpe. Das geförderte Volumen ist nur 60% größer als bei Kerosin.

In der Summe hat man also einen Antrieb mit nahezu den gleichen technischen Anforderungen, die auch den Einsatz von Wasserstoff teurer machen, als den von Kerosin. Aber bringt es wenigstens etwas? Nein, denn der spezifische Impuls ist nur wenig größer. Ich will dies an zwei Beispielen zeigen. Zum einen am Vergleich real existierender bzw. projektierten Triebwerke für Erststufen, Oberstufen oder Satellitenantreiben.

Triebwerk NK-33 RD-170 Vulcain 2 SSME Volga RL-10A-3 RL-10A-3 Methan EADS 500 N Triebwerk Aerojet 445 N Triebwerk
Treibstoff LOX/Kerosin LOX/Kerosin LOX/LH2 LOX/LH2 LOX/LCH4 LOX/LH2 LOX/CH4 MMH/NTO LOX/Methan
Brennkammerdruck 145.7 Bar 300 Bar 118 Bar 220 Bar ? 28 bar 28 bar 11-18 bar 11,2 – 14,4 Bar
spezifischer Impuls Boden 2923 m/s 3030 m/s 3118 m/s 3560 m/s ?
spezifischer Impuls Vakuum 3247 m/s 3305 m/s 4256 m/s 4462 m/s 3530 m/s 4365 m/s 3400 m/s 3187 m/s 3109 – 3138 m/s

Das zweite sind Berechnungen mit dem NASA FCEA Programm. Diesmal mit folgenden Eckwerten:

Treibstoff LH2/LOX CH4/LOX Kerosin/LOX
Verbrennungsverhältnis 1/6,10 1/3,06 1/2,62
spezifischer Impuls 4225,8 / 4374,8 m/s 3416,8 / 3515,8 m/s 3263,1 / 3356,1 m/s
Verbrennungstemperatur: 3514 K 3505.6 K 3695,2 K

In der Summe erreicht man mit Methan also etwa 200-300 m/s mehr gegenüber Kerosin, aber immer noch 700-800 m/s weniger als mit Wasserstoff/Sauerstoff. Die Frage ist: Ist dies den Aufwand wert? Meiner Meinung nach nein. Der Gewinn von 200 m/s steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Das gilt auch für andere Antriebe, so setzt die NASA ja das RS-68 in der Ares V ein, obwohl der spezifische Impuls dem eines SSME unterlegen ist, aber es ist preiswerter zu produzieren. Ich denke das gilt noch mehr für Methan, das in weiten Teilen die gleichen Herausforderungen wie flüssiger Wasserstoff stellt, ohne das man den Vorteil des hohen spezifischen Impulses als Nutzen hat.

Was derzeit erprobt wird, ist nicht Kerosintriebwerke auf Methan umzurüsten, sondern LOX/LH2 Antriebe auf Methan. Diese sind schon an die kryogenen Treibstoffe angepasst. Beim RL-10 wurde dies schon in den sechziger Jahren erprobt. Der Vorteil liegt in zwei Punkten: Gegenüber Wasserstoff sind die Tanks kleiner (Das Mischungsverhältnis beträgt typisch 2,6 bis 3,5 gegenüber 5,5 bis 6. Selbst unter Berücksichtigung dessen sind die Tanks nur ein drittel so groß wie bei Wasserstoff. Damit sind sie auch leichter.

Das Triebwerk hat einen höheren Schub. Wird gleich viel Sauerstoff gefördert, so resultiert durch das höhere Mischungsverhältnis und die höhere Dichte ein größerer Treibstoffdurchsatz. Beim RL-10 wären es 147 zu 99 kN gewesen.

Zuletzt ist die Temperatur die aufrecht erhalten muss näher an der von Sauerstoff und auch der Bereich in dem Methan flüssig ist, näher an Sauerstoff. Dies ist wichtig wenn man den Treibstoff längere Zeit kühl halten muss wie bei Mondmissionen. Hier wurde das RK-10 in einer abgewandelten Version untersucht. Methan wurde gewählt, weil es problematisch wäre Wasserstoff mit den großen Tanks und niedrigem Siedepunkt / kleinem Temperaturbereich in dem er flüssig ist, flüssig zu halten. Das RL-10 wurde untersucht, weil es im Schub reduzierbar ist, was für Mondlander notwendig ist. Es wurde aber nie mit lagerfähigen Treibstoffen getestet (die man beim Apolloprojekt für dieselbe Aufgabe einsetzte), daher griff man zu LOX/Methan.

Das DLR hat in einer Studie untersucht, ob Methan bei einer widerverwendbaren Erststufe einen Gewichtsvorteil bringt. Da die Tanks größer als bei Kerosin sind, eine Isolation erfordern, stieg dei Leermasse an. Dis hatte bei einer Wiederverwendung dann Auswirkungen auf andere Systeme (Flügelfläche, Treibstoff zum Erreichen des Startplatzes, Schub der triebwerke9, sodass als Folge die stufe schwerer wäre als mit LOX/Kerosin. Dies kann bei einer nicht wiederverwendbaren Rakete anders sein, doch ein höheres Leergewicht wird in jedem falle etwas von dem Gewinn durch den höheren spezifischen Impuls aufzehren.

Links

Fully Reusable Access to Space Technology

100-Lb(f) LO2/LCH4 Reaction Control Engine Technology Development for Future Space Vehicles

Comparative Study of Kerosene and Methane Propellants for – DLR

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