Swing-By an der Erde und der Venus
Missionen ins äußere Sonnensystem sind teuer. Das liegt an vielen Gründen: z.B. dass man auf RTG als Energiequelle angewiesen ist, dass die Missionsdauer zwangsläufig recht lang ist. Aber natürlich auch, dass eine viel größere Trägerrakete benötigt wird: Eine Atlas 551 transportiert z.B.6500 kg auf den Fluchtkurs, aber New Horizons, die Plutosonde, musste weniger als 500 kg wiegen. Der Grund sind die hohen Geschwindigkeiten, die jenseits Mars recht rasch ansteigen Die energieärmste Bahn zum Jupiter erfordert z.B. eine um 8.8 km/s höhere solare Geschwindigkeit. (relativ zur Sonne). Bei Pluto sind es schon 11.9 km/s. Relativ zu einem Erdorbit sieht es etwas besser ist, weil durch den Hyperbolischen Exzess man die Restenergie nach Verlassen der Erde mitnehmen kann. Trotzdem sind relativ zur Fluchtgeschwindigkeit 3.2 km/s zu Jupiter nötig und bei Pluto sind es 5.2 km/s.
Nun starten ja in der Regel die Sonden heute nicht mehr direkt zu den Planeten, sondern machen einige Umwege über Venus, Erde und Mars. Diese sind in der Regel nicht einfach zu berechnen, mit einer Ausnahme: Man nähert sich immer dem gleichen Planeten, z.B. der Erde. Ein Erdvorbeiflug liefert je nach Geometrie 3-4 km/s. Das bedeutet dass 3 Vorbeiflüge an der Erde die Geschwindigkeit zu Jupiter und maximal 4 auch zu Pluto liefern. Dasselbe gilt für die Venus. Wie sind die Bahnen berechenbar? Nun ganz einfach: Es ist nur nötig, dass die Bahn der Raumsonde so zu verändern, dass die neue Bahn einen gemeinsamen Teiler mit der Erdbahn hat. Also 1 Jahr, 1.5 Jahre, 2 Jahre, 2.5 Jahre, 3 Jahr, 4 Jahre etc.
Umlaufszeit | Geschwindigkeit relativ zur Erdbahn | Bahn |
---|---|---|
1 Jahr | 0 | 150 Millionen km kreisförmig |
1.5 Jahre | 3328 m/s | 150 x 242 Millionen km |
2 Jahre | 5081 m/s | 150 x 325 Millionen km |
2.5 Jahre | 6163 m/s | 150 x 401 Millionen km |
3 Jahre | 6930 m/s | 150 x 473 Millionen km |
4 Jahre | 7926 m/s | 150 x 604 Millionen km |
5 Jahre | 8566 m/s | 150 x 725 Millionen km |
Wie ist dies zu interpretieren: Nehmen wir ein Beispiel: Wir wollen zum Jupiter (8800 m/s mehr relativ zur Sonne).
- Zuerst startet unsere Sonde auf Fluchtgeschwindigkeit auf eine Bahn mit der gleichen Umlaufszeit wie die Erdbahn, aber etwas anderen Bahnparamatern (andere Inklination, elliptischer Bahn).
- Nach 1 Jahr hat die Sonde ihre Bahn einmal durchlaufen und auch die Erde. Die Erde befindet sich also an derselben Position im Raum und die Sonde auch.
- Es kommt zu einem Swing-By, das so gelegt wird, dass eine neue Bahn von 150 x 242 Millionen km Erdentfernung resultiert. Die Sonde wird um 3328 m/s schneller und hat nun eine Bahn mit 1.5 Jahren Umlaufszeit.
- Nach zwei Umläufen auf dieser Bahn sind genau 3 Jahre vergangen und die Erde hat die Sonne dreimal umrundet.
- Erneut kommt es zum Swing-By. Nun könnte die Sonde um weitere 2800 m/s beschleunigt werden und auf einer Bahn von 150 x 401 Millionen km Entfernung von der Sonne landen.
- Diese Bahn hat eine Umlaufszeit von 2.5 Jahren und nach 5 Jahren hat die Sonde die Bahn zweimal durchlaufen und die Erde ihre Bahn 5 mal.
- Erneut treffen sie an der gleichen Position im Raum zusammen und nun nimmt die Sonde noch die Restgeschwindigkeit auf um zu Jupiter zu gelangen. Der Flug zu Jupiter dauert dann noch weitere 2.25 Jahre.
In der Summe war die Sonde so 1+ 3+ 5 + 2.25 = 11.25 Jahre unterwegs, anstatt 2.25 beim direkten Transfer. Das ganze ist natürlich noch optimierbar. Zum Beispiel kann man direkt in die 1.5 Jahresbahn starten. Das kostet nur 520 m/s mehr als die Fluchtgeschwindigkeit beträgt. So wird ein Jahr eingespart. Auch wäre eine 3 Jahresbahn nach der 1.5 Jahres Bahn denkbar. Beides zusammen senkt die Dauer dann auf 8.25 Jahre. Raumsonden nutzen auch ihre Treibstoffvorräte um nicht ganz geradzahligen Bahnen durch Korrekturmanöver noch "hinzubiegen". Sowohl Galileo, wie auch Cassini und Messenger führten solche "Deep Space Manöver" durch.
Umlaufszeit | Geschwindigkeit relativ zur Hohmannbahn zur Venus | Bahn |
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227 Tage (Venus) | 0 | 108,4 Millionen km kreisförmig |
1 Jahr 89 Tage (2 Venusjahre) | 3263 m/s | 108,4 x 236 Millionen km |
1 Jahr 316 Tage (3 Venusjahre) | 5443 m/s | 108,4 x 344 Millionen km |
2 Jahre, 178 Tage (4 Venusjahre) | 6615 m/s | 108,4 x 440 Millionen km |
3 Jahre 40 Tage (5 Venusjahre) | 7355 m/s | 108,4 x 528 Millionen km |
Die Geschwindigkeit die man erreichen muss, ist aber auch höher: Sie beträgt bei Jupiter die nötige Geschwindigekit relativ zur Venus 11.4 km/s anstatt 8.8 km/s wie bei der Erde. Vergleicht man allerdings mit der Transferbahn zur Venus, so resultiert nahezu die gleiche Geschwindigkeit. Mit reinen Venus Vorbeiflügen könnte daher die Reise so aussehen:
- Transferbahn zur Venus; 146 Tage
- Bahn mit 2 Venusjahren Umlaufszeit: 1 Jahr 89 Tage
- Bahn mit 4 Venusjahren Umlaufszeit: 2 Jahre 178 Tage
- Flug zum Jupiter: 2 Jahre 207 Tage Reisezeit
- Zusammen sind das dann etwa 6 Jahre 3 Monate Flugzeit.
Die Startgeschwindigkeit zur Venus liegt bei rund 11.4 km/s nur wenig höher als für eine Fluchtbahn. So verwundert es nicht, das Galileo und Cassini die Venus sehr oft passierten um Schwung aufzunehmen. Bei den äußeren Planeten (ab Uranus) wird man wohl mehr Schwung aufnehmen, weil sonst die Reisedauer in einer klassischen Hohmann Ellipse zu lange ist. Denkbar wäre auch die Kombination von Ionenantrieben mit Swing-Bys. Das erlaubt zum einen mehr Feinheiten bei der Wahl der Bahnen, da man Ungenauigkeiten ausgleichen kann. Darüber hinaus kann der Antrieb wenn es sich die Sonde bis zur Venus der Sonne nähert effizienter arbeiten.
Eine offene Frage ist noch: Wie sieht es mit dem Mars aus? Mars ist zum einen in einer guten Position: Er isst von der Erde aus relativ schnell zu erreichen und die benötigte Geschwindigkeit (relativ zur Erdoberfläche) beträgt auch nur 11.5 bis 11.9 km/s je nach Position auf seiner elliptischen Umlaufbahn. Aber er ist auch klein. Typischerweise kann man bei einem Marsvorbeiflug nur etwa 1 km/s an Geschwindigkeit aufnehmen. Das ist ganz gut, wenn er sowieso auf der Flugbahn liegt, aber alleine reicht es nicht aus. Dawn wird übrigens am 17. Februar Mars passieren.
Zahlreiche Raumsonden haben dies in der Vergangenheit benutzt, nicht nur um ins äußere Sonnensystem zu kommen: So NEAR, Messenger, CONTOUR, Stardust, Rosetta. Es werden sicher mehr werden, zumal natürlich noch beide Planeten kombiniert werden können.