Das Europa der nationalen Eigenmächtigkeiten

Einer der Vorteile der Recherche für das neue Buch ist, dass man über verschiedene Dinge stolpert, In diesem Falle über die Pläne für die Weiterentwicklung von Ariane und Vega und wie diese irgendwie nicht richtig vorwärts kommen. Dazu kam ein Bericht über die ESA Beschlüsse in der aktuellen Sterne und Weltraum. Erstaunlicherweise fand ich keinen Bericht bei den ESA Pressemitteilungen. Derzeit läuft einiges schief. Frankreich versucht mehr und mehr ESA Projekte zu EU Projekten zu machen. Der Grund: Bei ESA Projekten gibt es die Garantie des Mittelrückflusses. Das bedeutet, dass entsprechend der finanziellen Beteiligung auch die heimische Industrie Aufträge erhält. Zum einen fördert das natürlich die Bildung einer Raumfahrtindustrie auch in den Ländern die weniger zum ESA Budget beitragen. Zum anderen ist so natürlich der gewählte Auftragnehmer vielleicht nicht der kostengünstigste, sondern er musste gewählt werden weil ein sich Land an dem Projekt beteiligt. Bei EU Projekten gibt es dagegen nur einen Auftragnehmer, alle anderen Konkurrenten gehen leer aus. Frankreich, mit seiner leistungsfähigen Raumfahrtindustrie rechnet damit mit mehr Aufträgen.

Auf der anderen Seite versucht Italien seit einigen Jahren weniger sich bei der ESA zu beteiligen und mehr nationale Raumfahrtprojekte zu fördern. Der Gipfelpunkt wurde auf der Konferenz in Den Haag erreicht, als bekannt wurde, dass Italien zusammen mit den USA eine eigene Versorgungskapsel entwickelt.

So ist es nicht verwunderlich, dass der Ausbau der Ariane still steht. Hier noch mal der Link zu einem Dokument von Fredrik Engström, ehemaliger Direktor der Trägerraketenentwicklung der ESA. Er beschreibt, dass Frankreich inzwischen zum Hemmschuh geworden ist, weil es gerne alles selbst machen wollen: "

The French side jealously defends and maintains a management organization that was appropriate 30 years ago and should have been changed a long time ago. Ariane is today a fully European program that obviously should be technically and financially managed by one unified organization, the European Space Agency, that takes all decisions regarding the program. By blocking necessary development work on a new third stage based on the new Vinci engine, the French side strangle the French industry who consequently suffocates the launcher industry in ESA member states and thus puts the whole Ariane system in jeopardy.".

Umgekehrt ist Deutschland nicht an der Vega beteiligt und DLR Referenten schreiben öffentlich "Die Vega gefährdet die innereuropäische Solidarität zur Ariane". Inzwischen scheint man doch mitspielen zu wollen und hat eine Studie für eine Oberstufe in Auftrag gegeben. Das gleiche hat die ASI gemacht: Die ASI plant eine Oberstufe mit der Bezeichnung Lyra und einem Mira genannten Triebwerk mit 10 t Schub und LOX/LCH4 als Treibstoff. Die deutsche Studie untersucht den Einsatz des Aestus und Aestus 2 Triebwerks (identisch zum RS-72, das sich auf SNECMA Seiten findet?) und den Einsatz des Vinci Triebwerks.

Die ESA dagegen überlegt die ersten beiden Stufen zu verlängern (100 und 40 t Treibstoff). Eventuell noch Booster um die erste Stufe (zusätzliche Z23 Stufen) und eine kryogene H10 Oberstufe. Alle Vorschläge bringen mindestens 2 t (anstatt 1,.5 t ) Nutzlast, manche bis zu 4 t.

Da die Vega noch nicht erfolgreich flog wurde jede Entscheidung darüber vertagt. Doch wenn – welches ist das beste Konzept? Meiner Ansicht nach verteuern die Lyra und Stufen mit dem Aestus Triebwerk nur die Vega, ohne mehr Nutzlast zu bringen: Die spezifischen Impulse sind nicht viel höher als beim Zefiro 9A Antrieb, und dieser ist schon sehr leichtgewichtig. Wenn also diese Stufe ersetzt werden soll, dann durch eine kryogene Oberstufe. Eine kleine Rechnung: Packt man die H10-III Oberstufe der Ariane 4 mit der VEB der Ariane 4 auf die Vega, so steigt deren Nutzlast von 2300 auf 4800 kg (für den 5 Grad/200 km Orbit) oder 3600 kg für den 700 km SSO Referenzorbit (Vega: 1500 kg).

Das Vinci Triebwerk würde eine größere Stufe ermöglichen, welche zweite bis vierte Stufe ersetzen könnte. Eine 18 t Stufe (Leermasse mit VEB 2.3 t) würde in zweistufiger Bauweise 4.2 und in dreistufiger Bauweise 5.7 t maximal transportieren. Sofern also das Vinci für die Ariane 5 kommt wäre das eine Option, ansonsten würde ich (da sicher ist, dass vor 2011 keine Entwicklung für die Ariane 5 kommen wird)  wäre eine Anpassung der alten H10 Stufe sicher die beste Lösung, da auch das HM-7B derzeit noch in der Produktion ist.

Wo steht in diesen nationalen Alleingängen Deutschland? Zum einen gibt es keine solchen nationalen Alleingänge. Zum anderen fehlt der DLR der Mut auch vorzupreschen und wenn es wirklich alleine zu tun. Nehmen wir Ariane 5. Die ESC-B steht praktisch seit 2003. Zuerst weil man das Geld für die Requalifikation nach dem gescheiterten Jungfernflug brauchte. Das war noch verständlich. Doch danach hätte es weiter gehen sollen. Deutschland möchte gerne weiterhin die Oberstufe bauen. Warum finanziert man diesen Teil dann nicht komplett und stockt so die Beteiligung auf? Das gleiche bei der Vega – erst madig machen und dann selbst nach einer neuen Oberstufe suchen lassen.

Das genaue Gegenteil findet man bei ATV: Hier wollen die anderen Nationen keinen wiederverwendbaren ATV. Deutschland drückt dafür aber alleine 20 Millionen Euro an EADS ab. Wofür? Glaubt man im ernst in 3 Jahren sind alle anderen Nationen anderer Meinung? Der Nutzen eines wieder verwendbaren ATV sinkt um so mehr, je später er kommt. Jetzt lässt die NASA schon Transporter entwickeln. Die eventuell zur Verfügung stehen, wenn der nächste Beschluss für ein ATV Ende 2011 ansteht. Und die ISS wird auch nicht jünger…

Das ist rausgeschmissenes Geld. Aber derzeit wird ja gerne Geld verpulvert…..

n

{democracy:3}

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.