Ein Schritt in die richtige Richtung
Gestern hat das Bundesverfassungsgericht sich gegen die Verwendung von Wahlcomputern ausgesprochen. Es fehlt an der Nachvollziehbarkeit und Öffentlichkeit. Dieser Schritt war überfällig. Die Wahlcomputer sind ein Beispiel für zwei Tendenzen, die seit Jahren durch unsere Regierung gefördert werden: Zum einen das blinde Vertrauen in Computertechnik und zum anderen die schleichende Aushöhlung des Rechtsstaates.
Die Wahlcomputer sind ein gutes Beispiel: Wie will man sicherstellen, dass sie korrekt funktionieren? Mal von Fehlermöglichkeiten abgesehen (z.B. nicht korrekte Zuordnung eines Tastendrucks auf dem Sensorpanel zur richtigen Partei, Eingabefehler / Korrektur) wie soll man wissen ob sie korrekt zählen? Man stelle sich mal das Szenario vor, dass der Wahlcomputer so manipuliert wäre, dass er 1 % der CDU/FDP Stimmen der SPD zuschlagen würde. Würde dies entdeckt werden, wenn es zufällig erfolgt und bei allen Geräten? Hochrechnungen sind gut, aber auch sie schwanken ohne Problem um 1-2 % (man erinnere sich an 2002, als die CDU sich als Wahlsieger nach den Hochrechnungen feierte und am Schluss doch weniger Stimmen hatte als Rot/Grün). Eine Manipulation kann nur ausgeschlossen werden, wenn nach jeder Stimmabgabe ein Kontrollzettel ausgedruckt wird, auf dem der Wähler die Stimme kontrollieren kann. Dann muss man alle Zettel noch auszählen (um zu vermeiden, dass Ausdruck und internes Zählen abweichen) – und dann sind wir wieder bei dem klassischen Verfahren.
Das solche Wahlcomputer einfach eingeführt wurden, ohne dass sich jemand Gedanken gemacht hat um die Sicherheit der Geräte, zeigt wie sorglos unsere Regierung heute mit Computern und ihrer Technologie umgeht. Umgekehrt stellt sie die Bevölkerung unter Kriminalverdacht. Unter dem Mantel der Terrorismusbekämpfung erfolgen mehr und mehr Eingriffe in die Grundrechte.
Den Anfang machte der Bundestrojaner – angeblich um Terroristen zu bekämpfen. Also wenn ein Terrorist wirklich nur etwas Ahnung von Technik hat, dann würde Er einige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Zum Beispiel nicht über den heimischen DSL Anschluss online gehen sondern ein Internet-Cafe oder einen öffentlichen Hotspot benutzen. Oder auf dem eigenen Rechner keine Daten zu speichern sondern verschlüsselt auf einem USB Stick. Ob man wirklich mit einem Trojaner so gegen Terroristen ankommt, ist zweifelhaft. Viel eher dürfte das auf die Breite Masse der Anwender zielen.
Das nächste war die Vorratsdatenspeicherung. Auch hier angeblich um Terroristen habhaft zu werden – doch wenn der Terrorist sich nicht über einen festen Vertrag einwählt, sondern über Wege, bei dem die IP nicht Hinweise auf seinen Aufenthaltsort liefert dann ist das sinnlos. Aber diese Datenspeicherung ist ideal für die Medienindustrie, die nun 6 Monate Zeit hat um über die IP Adressen Tauschbörsennutzer ausfindig zu machen und mit Abmahnschreiben (samt gepfefferter Gebührenrechnung) zu überziehen. Wenigstens haben die Gerichte einen vereinfachten Zugriff (denn die Medienindustrie haben wollte) bisher noch abgelehnt. Ach ja – als kleiner Nebeneffekt kann nun der Staat rausfinden, welche Webseiten sie wann, wie oft besuchen, er kennt die Header ihrer Emails (Sender, Empfänger und Betreff) – die erste Stufe zum Überwachungsstaat.
Was kommt nun? Das nächste ist eine Inhaltsfilterung auf Provider-Ebene. Das will nun unsere Familienministerin durchsetzen. Wie immer kommt man mit einem "Totschlag" Argument, es ginge darum Kinderpornographie zu bekämpfen. Natürlich will niemand Kinderpornografie. Und diese steht auch schon unter Strafe (übrigens machen sei sich schon strafbar, wenn sie eine Seite absichtlich besuchen). Was gemacht wird ist auf Providerebene bestimmte IP Adressen zu sperren. Aus Deutschland kommt man dann nicht mehr auf Server, die Kinderpornografie hosten. Das klingt doch toll oder? Es ist aber eine Umkehrung der bisherigen Rechtsprechung. Anstatt ein Verbrechen zu ahnden geht es darum ein Verbrechen zu verhindern. Das mag bei Kinderpornografie toll sein. Doch man kann das leicht ausdehnen. Als erstes mal Kinderschutz – Sollen Kinder Zugang zu Websites haben die "normale" Pornografie anbieten? Natürlich nicht. Da man an der IP das Alter nicht erkennen kann, sperrt man die also am besten auch gleich. Dann: Soll es erlaubt sein Medieninhalte als Raubkopie herunterzuladen? Nein, dann sperren wir dich diese IPs auch. Da ist der Schritt nicht mehr Weit zur Zensur oder einer Liste von "erlaubten" Ip’s – China lässt grüßen.
Das kann man übrigens ausdehnen. Es gibt ein System das man auf Bundestraßen und Autobahnen einsetzen kann (und das auch in Österreich eingesetzt wird). Es fotografiert jedes Auto beim Eintritt in eine Zone mit Tempolimit und beim Verlassen. Dabei wird das Bild automatisch nach Kennzeichen untersucht und die Zeit protokolliert. Nehmen wir an, eine Zone hat ein Tempolimit von 80 km und ist 4 km lang. Dann braucht ein Auto mit 80 km/h genau 3 Minuten für die Strecke. Braucht nun ein Auto nur 2 Minuten 40s, so hat es mindestens einmal die Höchstgeschwindigkeit überschritten und bekommt automatisch einen Strafzettel – Das gleiche kann man auch mit den Vorratsdaten aus der IP Adressenspeicherung anstellen. Wenn jemand Daten von einer IP runterlädt, welche Raubkopien hostet gibt es eben gleich eine Anzeige und eine Abmahnung….
Auch für das Prinzip der Verhinderung von Verbrechen im Ansatz kann man leicht Beispiele finden. Wenn jedes Auto einen Empfänger hat, dann kann ein Sender an Straßen z.B. die maximal erlaubte Höchstgeschwindigkeit übermitteln und eine Elektronik regelt dann den Motor herunter, so dass sie niemals die Höchstgeschwindigkeit überschreiten. Aber wollen wir das?
Nicht nur das. Die Bundesregierung will ja mit dem neuen Personalausweis alle Bürger wie Kriminelle behandeln. Da muss jeder einen Fingerabdruck abgeben. Wo landen denn die? Mal ein Szenario an die Wand gemalt: Sie essen im Park und werfen die Verpackung in den Papierkorb. Am Abend wird daneben jemand ermordet. Was macht die Polizei? Sie sucht nach Fingerabdrücken. Dank Personalausweis mit registriertem Fingerabdruck wird man sie so leicht finden. Die Frage ist: Wie nutzt die Polizei diese Information? Sind sie für sie ein Zeuge, oder einer vor 6 Verdächtigen – im Unterschied zu 82 Millionen, die eben nicht am Tatort waren? Ich denke da immer an die Fernsehkrimis, wo die Leute immer ein Alibi haben. Ich habe für den größten Teil es Tages kein Alibi, weil ich Single bin. Haben sie eines? Ach ja das ganze kann man natürlich auch mit den RFID Etiketten der Verpackung erreichen. Dazu muss man nicht mal Fingerabdrücke hinterlassen. Aber jedes RFID kann einem Käufer zugeordnet werden.
Es wird Zeit zu den Freiheitsrechten zurückzukehren, die wir noch vor wenigen Jahren hatten. Zu rechtsstaatlichen Prinzipen, die nicht alle Bürger unter Generalverdacht stellen und nicht Rechte beschneiden oder die Bürger überwachen, nur um wenige Verbrecher zu fangen. Vor allem, wenn der Nutzen bezweifelt werden kann – ich habe nicht gehört das die Attentäter von 2001 sich übers. Internet ausgetauscht haben. Osama bin Laden soll sein Satellitentelefon aufgegeben haben, weil er darüber zu orten ist. Kinderpornografen werden ihre Daten schnell von Server zu Server verschieben. Aber wir haben einen Überwachungsstaat erschaffen.
Die Verfassungswidrigkeit von Wahlcomputern ist ein Anfang. Jetzt geht es darum die Rechte wieder herzustellen.
Der Fingerabdruck im Personalausweis soll freiwillig sein, nur ein biometrisches Foto Pflicht. Lustigerweise werden von Fotographen teilweise die Gesichter leicht angepasst, damit sie in das Raster passen. Somit gehen natürlich die Vorteile einer möglicherweise automatischen Gesichtserkennung flöten, da dies somit nichtmehr möglich ist.
Noch ein paar Vorstöße Richtung Überwachungsstaat (Die Stasi hätte ihre Freude daran gehabt):
VDS, Mautsystem, Bundestrojaner, Onlineüberwachung/-durchsuchung, eideutige Steuer-Identifikationsnummer, Biometrischer Reisepass/Ausweis, IMSI-Catcher, Anti-Terror-Datei, Rasterfahndung, Filmen friedlicher Demonstranden von der Polizei (speziell beim Thema Überwachungsstaat), Gesundheitskarte…
„Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“
Benjamin Franklin