Deutsche Gerichte und das Internet
Vieles ist bei uns sehr widersprüchlich. Während die Regierung offensichtlich die Technik voll adaptiert hat und Online Untersuchungen, Bundestrojaner oder den Ersatz des seit 2000 Jahren bewährten Wahlsystems, durch unnachprüfbare Wahlcomputer plant, nur um einige Stunden Auszählzeit oder ein paar Millionen einzusparen (Hinweis: Kürzt die Pauschale welche die Partien pro Stimme bekommen und ihr habt das Geld gleich wieder drinnen) tun sich Gerichte mit dem Internet schwer. Das Thema hat viele Aspekte. Ich will heute mal auf die rechtliche Haftung bei eigenen Websites und Blogs eingehen.
Ich denke der Bundesbürger der einen Blog betreibt oder eine Website sieht das so: Die Publikation im Internet wird durch die freie Meinungsäußerung gedeckt und ist vergleichbar einem Gespräch oder einem Leserbrief an eine Zeitung. Vielleicht sieht der eine oder andere es differenzierter, wenn eine Website journalistische Inhalte anbietet oder eine bestimmte Beliebtheit erreicht. Unsere Gerichte sehen das anders. Da sie nichts mit dem neuen Medium anfangen konnten, haben sie nach Vergleichen gesucht und sind bei Printmedien als Vergleich gelandet. Was bedeutet dies? Nun es hat einige Folgen. Das erste ist die Verpflichtung für ein "Webimpressum". Wie jedes Printmedium muss auf einer Seite die Anschrift eines Verantwortlichen stehen. Zwar sind nach dem Gesetz rein private Homepages ausgenommen, doch mangels Kriterium, was eine rein private Homepage ist und wann eine geschäftliche Homepage beginnt (Reichen dazu schon Werbebanner aus? Was ist mit Blogs, welche man mit journalistischer Tätigkeit gleichsetzen könnte?) muss praktisch jede Homepage in Webimpressum aufweisen. Diese seit 2002 bestehende Regung wurde 2007 nochmals konkretisiert. Das zeigt schon, dass unsere Gerichte ein kleines Problem mit den neuen Möglichkeiten des Internets haben. Denn wer eine Homepage betreibt ist natürlich genauso durch eine Who is Abfrage beim Denic herauszufinden. Das Webimpressum ist weltweit einmalig. In keinem anderen Land gibt es so was.
Nach den Gesetzen ist auch der Homepageinhaber rechtlich für den Inhalt verantwortlich. Das wird gerne übersehen. Zahlreiche Websites haben einen Webmaster, teils weil die Websites zu groß sind um sie nebenher zu betreiben, teils weil sie selbst keine Ahnung davon haben (z.B. kleine Firmen, Websites von Promis etc.). Diese meinen dann wenn sie den Webmaster im Webimpressum angeben, wäre alles geritzt und er wäre dann auch haftbar für die Inhalte. Dem ist nicht so. Gerichte sehen das so wie bei Printmedien: Es gibt jemanden der redaktionell schreibt und einen Verlag der sie publiziert. Und da ist eben auch der Verlag verantwortlich. Aufs Internet übertragen: Der Domainbesitzer und nicht der Webmaster.
Warum muss man sich drum kümmern? Nun wenn ich mal die Probleme mit dem Urheberrecht ausklammere (Einbinden von Fotos, Karten etc.) – das Thema ist ja schon hinreichend bekannt und auch schon thematisiert worden.. Es gibt zwei Problemstellungen: Das eine ist das die Leute meinen das Schreiben im Internet wäre wie das Reden auf der Straße, gedeckt durch die freie Meinungsäußerung. Da die Gerichte aber eine Website mit einer Zeitung vergleichen, ist es vergleichbar dem Scheiben eines Artikels oder Leserbriefs in der Zeitung. Wenn eine Zeitung dort über einen Promi herzieht, muss sie dann auch mit einem Prozess rechnen. Recht klar wird dies bei echten Schmähungen, die gerne von Leuten unter Pseudonymen in Foren abgegeben werden. Für Foren hat sich die Situation immerhin etwas entspannt. Bis vor einigen Monaten waren die Urteile von Gerichten noch so, dass Forenbetreiber voll für die Inhalte verantwortlich waren. Es also nicht reichte bei einem Verstoß gegen gängige Bestimmungen (Beleidigungen, Verleumdung) bei Bekanntgabe den Eintrag zu entfernen oder die IP Adresse des Autors zu nennen. Das bedeutete, dass jeder Eintrag vor Veröffentlichung kontrolliert werden musste oder man ein Forum praktisch nicht entsprechend den Wünschen von Gerichten betreiben konnte. Seit ein paar Wochen gibt es ein neues Urteil, dass diese strenge Prüfung zurückweist und auf ein normales Maß zurecht stutzt.
Der zweite Fallstrick sind Markennamen und Werbeslogans. Diese sind geschützt und die Verwendung in privaten Homepages verstößt gegen das Wettbewerbsrecht. Das gilt auch für Slogans die man aus der Werbung kennt. Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter. Sicherlich wird niemand etwas gegen eine kleine Homepage tun, mit einigen Hundert Besuchern. Anders sieht es aus, wenn die Homepage populär ist. Aus diesem Grund habe ich in der "was ist drin" Rubrik Markennamen weggelassen oder verfremdet wie "Molkeschnitte" oder "Children ländlich" ;-). Schlussendlich macht diese Seite keine Werbung für die entsprechenden Firmen: Im Gegenteil. Genauso wie eine Zeitschrift, die sich mit Produkten kritisch auseinander setzt, mit einer Abmahnung oder Gegendarstellung rechnen muss, kann man auch als Homepageinhaber mit Ärger rechnen.
Die Grauzone ist wohl die Grenze zur freien Meinungsäußerung und journalistischen Berichterstattung. Wenn etwas wahr ist, dann ist es auch rechtmäßig es zu publizieren. Nur bis dies bewiesen ist oder der Gerichtsweg durchlaufen ist, dauert es einige Zeit.
Zuletzt noch eine kleine Bemerkung: Zensur im Internet: Mit dem Begriff verbinden viele das Löschen von Gästebucheinträgen und Kommentaren. Der Begriff trifft es aus zwei Gründen nicht: Zum einen versteht man unter Zensur die Vorabkontrolle in nicht freien Medien: Artikel oder Reporttagen werden vor der Veröffentlichung von staatlichen Stellen begutachtet und verändert oder Passagen gestrichen. Mit der Möglichkeit einen Kommentar zu hinterlassen hat dies gar nichts zu tun. Den dieser kann ja erst nachher kontrolliert werden und es handelt sich auch nicht um eine staatliche Stelle. Das ganze ist vielmehr vergleichbar dem Schreiben eines Leserbriefs oder dem Befestigen eines Plakats an der Wand. Wenn dieser dem Herausgeber oder dem Eigentümer der Wand nicht gefällt, dann wird er auch nicht veröffentlicht oder abgerissen. Vor allem: Wenn dies Zensur wäre, dann müsste man ja auch den ganzen SPAM veröffentlichen, der automatisiert von Skripten in Blogs, Gästebüchern oder Foren gepostet wird. Ich mache das inzwischen automatisiert über Plugins – mit der Folge das jeder Blogkommentar der zu viele URLs enthält meist auch als SPAM eingestuft wird.