Wie wohl die meisten schon wissen ist SpaceX meine Lieblingsfirma – Keine andere Firma macht es einem so schwer an Informationen über ihre Raketen und kommen und ändert die Angaben so oft. Das ist wie ich meine typisch für eine Firma die nicht mal das Thema Öffentlichkeitsarbeit gebacken bekommt. Nicht das gute Informationspolitik selbstverständlich ist: Es ist durchaus normal dass es kaum Infos technischer Art gibt. Nur wenn es welche gibt, dann sind die eben auch fundiert und haben Bestand.
Nachdem die Firma nun korrigiert hat, das der Erststart der Falcon 9 im 4 Quartal 2008 erfolgen sollte (also nur 4 Monate nachdem dieses abgelaufen ist). Hat man nun nach einigen Jahren kurz vor dem Start entdeckt, dass es ein Problem zwischen Rakhsat und der Falcon 1 gibt. Rakhsat steht in den Auftragsbüchern von SpaceX seit mindestens 2 Jahren und war kurzzeitig auch für den vierten Flug vorgesehen, konnte so schnell aber nicht startbereit gemacht werden. Nun scheint es eine Inkompabilität zwischen Rakhsat und der Falcon 1 zu geben. So werden wir noch warten müssen um zu sehen ob der vierte Flug eine Ausnahme war.
Trotzdem ich halte recht wenig von SpaceX. Ich denke ich habe inzwischen auch ihr Geschäftsmodell verstanden. Eine Frage die so alt ist wie die Raumfahrt ist die ob es nicht billiger geht. Es gab immer wieder mal Ansätze vieles billiger zu machen und es gibt auch Lösungen: Satelliten können in Kleinserien hergestellt werden wenn sie gleiche Funktionen haben. So geschieht dies bei Kommunikationssatelliten. Bei Raketen kann man die Zahl der Einzelteile reduzieren und so die Fertigung preiswerter machen – das war der Grundgedanke hinter Ariane 5: Nur noch 4 anstatt bis zu 10 Triebwerken pro Rakete. Die Grundproblematik ist aber: Man hat in vielen Bereichen extreme Anforderungen an Leichte Bauweise, extreme Zuverlässigkeit und extreme Umweltanforderungen. Das gekoppelt mit der Tatsache dass man einen Satelliten nicht reparieren und eine Rakete die nicht so funktioniert wie sie sollte notlanden kann.
In der Praxis führt dies dazu, dass die Raumfahrtindustrie ein rigides Qualitätsmanagement hat, denn es gibt keine „Nullserie“ oder „Versuchsfahrzeuge“. Alles muss auf Anhieb funktionieren. Bei der Saturn 1B sind mit die Zahlen bekannt:
Art | Anteil |
---|---|
Herstellung | 65 % |
Startoperation | 18 % |
Bodenanlagen | 12 % |
Transport, Treibstoffe, Bahnvermessung | 5 % |
Gesamt | 100 % |
Die Herstellung kann man noch weiter unterteilen:
Art | Anteil Herstellungskosten | Anteil Gesamtkosten |
---|---|---|
Materialkosten | 6 % | 3.9 % |
Qualitätssicherung | 66 % | 42.9 % |
Fertigung und Montage | 28 % | 18.2 % |
Gesamt | 100 % | 65 % |
Man sieht hier sehr deutlich wie die Qualitätssicherung die Voraussetzung für eine hohe Zuverlässigkeit ist die Kosten bestimmt.
Nicht, dass es von Anfang an so gewesen wäre: Wer einmal auf diversen Websites mal nachschlägt wird feststellen, dass in den 50 er Jahren nur ein kleiner Teil der Atlas, Titan I+II und Thor Flüge beim Militär erfolgreich waren. Dort gab es tatsächlich noch eine Nullserie : Die Raketen wurden in größeren Stückzahlen beschafft und man leistete sich den Luxus sie einige dutzendmal zu starten bis alle Fehler ausgemerzt waren. Das gleiche galt bei den ersten Satelliten und Raumsonden. Das JPL musste bei Mariner 1+2 und Ranger lernen, dass sich die Fertigung von Raumsonden fundamental von Experimentalflugzeugen unterscheidet, bei denen man einfach einen neuen Teststart ansetzt. Seitdem ist die Oberste Maxime in der Raumfahrt die Qualitätssicherung – bei der Konzeption (Redundanz, Sicherheitslevels), bei der Produktion und beim Start. Wenn dieser Posten, der bei der Saturn 1B über 65 % der Herstellungskosten ausmacht weggelassen wird, dann ist es möglich eine Rakete preiswert zu bauen und ein Raumfahrzeug auch. Die Frage ist ob es dann auch erfolgreich fliegt.
Ich denke SpaceX arbeitet so. Es gibt einige Hinweise darauf. So die Betonung bei der Falcon 9 auf die „Engine out Capabilities“, also die Möglichkeit ein Triebwerk im Flug zu verlieren. Das könnte nur die Falcon 9 – aus gutem Grund. Andere Raketen lassen es gar nicht soweit kommen. Ich kenne nur einen Fall wo dies ein Designkriterium war. Das war bei der N-1, weil sie 30 Triebwerke einsetzte. Zudem war die Zuverlässigkeit der ersten Generation recht niedrig eingeschätzt worden. Das Kontrollsystem schaltete dann immer ein gegenüberliegendes Triebwerk ab. Das wird auch bei der Falcon 9 so erfolgen müssen, weil sonst der asymmetrische Schub nicht aufgefangen werden kann (so z.B. passiert bei V36 der Ariane 4 – der Schubverlust konnte aufgefangen werden, nicht jedoch die Tatsache, dass sich dei Rakete zu neigen begann. Ich glaube nicht, dass es bei der Falcon 9 funktioniert: Wenn zwei von 9 Triebwerken abgeschaltet werden dann ist das ein Schubverlust von 22 %. Das ist schon eine ganze Menge.
Auch die bisherige Erklärungen für die Fehlstarts deuten recht stark in Einsparungen bei der Qualitätssicherung, allgemein Sicherheitssystemen hin. Klar ist, dass man so einen Start preiswert anbieten kann. Doch geht die Rechnung auch auf? Nehmen wir mal einen Kommunikationssatelliten in den GTO Orbit. Er kostet etwa 2-3 mal mehr als der Start selbst. So kann die Reduktion der Startkosten eine Einsparung von typischerweise etwa 15 % bringen. Durchaus eine Größe die bedeutsam ist. Doch dies muss mit anderen Faktoren verrechnet werden. Was passiert wenn ich den Satelliten verliere, weil die Rakete einen Fehlstart hat? Wie wirkt sich dies auf die Versicherungsprämien aus? Welche Gewinneinbußen entstehen, wenn der Satellit nun über längere Zeit nicht zur Verfügung steht? Es ist auffällig, das keiner der größeren Anbieter von Kommunikationssatelliten (Loral, Hughes etc.) bislang keinen Start auf einer Falcon 9 gebaucht hat.
Noch mehr verwundert mich die Entscheidung der NASA für das COTS Programm – gerade bei bemannter Raumfahrt ist Sicherheit der wichtigste Aspekt und die kosten kommen dann erst in zweiter Linie. Daher habe ich schon die Vergabe des COTS Deals an SpaceX nicht verstanden – Die Versorgung der ISs von einer Firma abhängig zu machen, die bislang als einzige Leistung 4 Flüge einer 20 mal kleineren Rakete vorweisen kann, von denen nur einer gelang ist schon sehr optimistisch. Das reicht Elon Musk nicht und er hat seine Webgemeinde aufgerufen der NASA Briefe zu schrieben, damit diese eine bemannte Version der Dragon in Auftrag gibt. Ich denke das ist sogar das Langzeit Ziel – denn damit kann man richtig viel Geld verdienen. Auf der anderen Seite will die NASA die Shuttles ausmustern, weil sie Zweifel an deren Sicherheit hat. Dabei handelt es sich um System, das immerhin fast 30 Jahre im Einsatz ist. Ich glaube nicht dass diese Rechnung aufgeht.
Soviel für heute. Ich war in den letzten Tagen ziemlich beschäftigt, aber heute konnte ich endlich mein drittes buch über Lebensmittelkennzeichnung abschließen, das hoffentlich in ein paar Tagen im Handel zu erhalten ist. Mehr darüber an dieser Stelle. Beim Buch über europäische Trägerraketen habe ich die Rückmeldung von einem Korrekturleser, der schon deutlich mehr als sein zugewiesenes Drittel bearbeitet hat während ich von den anderen Beiden mit kleineren Aufgaben noch gar nichts gehört habe. Aber das hat noch Zeit, zumal ich für das Buch auch erst ein Dutzend brauchbare Fotos und noch gar keine Illustrationen habe. Wenn es in einem Monat erscheint, dann ist es immer noch früh genug.