Raketentechnik für Besserwisser
Heute mal eine kleine Kurzanleitung, wie ich zu den Daten und Fakten komme, wenn ich Nutzlasten berechne, die es offiziell nicht gibt. Was man braucht, sind:
- Für jede Stufe die Voll- und Leermasse
- und die Ausströmgeschwindigkeit der Gase
- Eine Referenznutzlast und eine Referenzbahn.
Ich will es mal bei der Ariane 5 erläutern. Im Prinzip setzt man nur die Raketengleichung für jede Stufe an. Diese lautet:
Geschwindigkeit der Rakete = ln(Startmasse/Leermasse)*Ausströmgeschwindigkeit
und diese addieren. Machen wir das mal bei der Ariane 5 ECA:
- Booster: Vollmasse 2 * 281000 kg. Leermasse 2 * 38500 kg, Ausströmgeschwindigkeit: 2657 m/s
- Zentralstufe: Vollmasse: 188300 kg. Leermasse 14100 kg. Ausströmgeschwindigkeit: 4248 m/s
- Oberstufe mit VEB: Vollmasse: 19100 kg, Leermasse: 4500 kg. Ausströmgeschwindigkeit: 4373 m/s
- Nutzlast: 9600 kg in den GTO Orbit, v=10200 m/s
Nimmt man diese Daten, so hat die Rakete beim Start ein Gewicht von 779 t (2*281+188.3+19.1+9.6 t) und nach dem Ausbrennen der Booster eine von 294 t (779 t – 2* 281 t + 2*38.5 t). Setzt man nun an:
2657 * ln (779/294) so erhält man 2589 m/s als Geschwindigkeit bei Abtrennung der Booster
Nun die zweite Stufe: Die Rakete wiegt nun noch 217 t (188.3+19.1+9.6 t) und nach Ausbrennen noch 42.8 t (14.1+19.1+9.6 t). für die zweite Stufe resultieren dann:
4248 m/s * ln (217/42.8) = 6896 m/s
Die Dritte Stufe hat nun nur noch die Nutzlast zu beschleunigen: 19.1 t+9.6 t beim Start (28.7 t) und leer sind es 4.5 t+9.6 t = 14.1 t. So resultiert:
4373 m/s * ln(28.7/14.1) = 3108 m/s.
Die Endgeschwindigkeit ist nun die Summe aller drei Geschwindigkeiten: 2589+6896+3108 = 12593 m/s.
Das sind 2393 m/s mehr als die Orbitalgeschwindigkeit. Der Grund dafür sind die Verluste beim Aufstieg. Luftwiderstand, Gravitationsverluste, Lenkungsverluste. Diese hängen vom Raketentyp und der Bahn ab. Bei der Ariane 5 sind sie relativ hoch. Typisch sind etwas niedrigere Werte. Die Spanne reicht von 1200 m/s bei schnell beschleunigenden, aerodynamischen Raketen bis zu rund 2400 m/s bei Ariane 5 oder langsam startenden Raketen (die Saturn V hatte z.B. 2100 m/s). Das wichtige für die Simulation ist aber: Sobald ein Orbit erreicht ist, sind diese konstant. Wenn z.B. die Fluchtgeschwindigkeit erreicht werden soll, so ergibt sich nach unserer Berechnung eine Nutzlast von 6645 kg (V=11015 m/s). Arianespace gibt 6600 kg an – man kommt also zu denselben Ergebnissen. Das gilt auch für das Austauschen von Oberstufen: Ariane 5G bis Ariane 5 ESV liegen im Bereich von 2316 bis 2409 m/s Verlust.
Natürlich ist es möglich dies genauer zu berechnen, z.B. wurde hier stark vereinfacht. In Wirklichkeit zünden ja beide Stufen zusammen. Das erhöht dann zwar den spezifischen Impuls der Feststofftriebwerke, aber dafür sind auch schon 40 t Treibstoff verbrannt wenn die zweite Stufe dann alleine weiter fliegt. Simuliert man dies auch mit, so resultiert ein Verlust von nur 2055 m/s. Wenn dann noch der niedriger spezifische Impuls am Boden genommen wird und die Zunahme über die Höhe simuliert wird, so wird es noch genauer. Aber: Das ist alles nicht nötig. Es reicht ein Referenzwert, und ob dieser nun mit 205 oder 2393 m/s Verlust behaftet ist, ist Wurst, da sich dieser ja bei allen Nutzelasten wieder raus rechnet.
So ist es möglich die Leermasse der Ariane 5 ECB zu simulieren. Das geht in etwa so:
Wir wissen, dass die die Stufe 28200 kg Treibstoff mitführt und eine Ausströmgeschwindigkeit von 4560 m/s hat. Nun tun wir erst mal so als hätten wir eine ESC-A mit mehr Treibstoff – übernehmen also das Leergewicht von VEB+ESC-A von 4500 kg. Nach ESA Angaben hat die ESC-A eine Nutzlast von 11600 kg. Also wir haben bei der letzten Stufe ein Vollgewicht von 4500+28200kg und ein Leergewicht von 4500 kg bei v=4560 m/s. Macht man nun die Berechnung für 11600 kg Nutzlast, so kommt man auf v=12783 m/s, also ein Verlust von 2583 m/s. Wir erhöhen nun solange die Nutzlast, bis der gleiche Verlust von 2393 m/s resultiert. Das ist bei 12430 kg der Fall. Das sind also 830 kg mehr als angegeben. Anders ausgedrückt: Die Oberstufe ist um 830 kg schwerer als angegeben: anstatt 4500 kg sind es also 5330 kg. Wenn man eine zweite ESA Angabe nimmt, die von nur 11200 kg Nutzlast ausgeht, sind es sogar 5730 kg.
Wenn man etwas genauere Werte (nicht wie hier gerundet) nimmt, die Nutzlastverkleidung auch noch hinzurechnet, so kommt man für die ESC-B und VEB zu einem Leergewicht von 6180 kg bei einer Nutzlast von 11200 kg. das deckt sich in etwa mit dem Trockengewicht von 6 t nach ESA Angaben (BR-250, leider nur auf eine Ziffer genau). Für diese Berechnung habe ich auch eine Zwei-Punkt Bestimmung genommen, die Unterschiede im Verlustfaktor aufspüren soll: Man macht die Berechnung nicht nur mit einer Nutzlast, sondern zwei. In diesem Fall die bekannte Nutzlast der ESC-B für ISS Orbits. Doch das geht dann nicht mehr mit dem Taschenrechner. Die unbekannte Trockenmasse Nutzlast wird so lange verändert bis die Nutzlast bei beiden Orbits am nächsten an den offiziellen Angaben ist. Noch ein Fernsehtipp: So blöd, dass man sich kaputt lachen kann: Americas smartest Modell. Einfach mal anschauen. Auf Viva am Donnerstag ab 16:00 und Samstag 16:30 (beides Wiederholungen der Sendung vom Montag um 21:15) immer auf Viva. einige Auszüge: Um die Zimmer zum Badetür zu öffnen muss man ein Codeschloss betätigen: Der Code ist die Antwort auf die Frage "Wann entdeckte Kolumbus Amerika?". Oder: Buchstabieren sie "Lacroix" – sollte ein Modell eigentlich hinbekommen. Am besten ist es aber durch die Kommentare der Modells, die an Größenwahn leiden….
Nun noch das Lied zum Tag:
Hallo, ich finde die Seite hochinteresant, und habe auch die Exceldatei geöffnet, und ein bisschen als Hobby-Astrophysiker
mit meiner eigenen Exceldatei gespielt
und da fehlte mir jeweils die Austrittsgeschindigkeit bei der Berechnung ich fügte meine Exceldatei in das freie Tabellenblatt2 ein Mit dem ersten Rechenbeispiel auf Tabelle 1
Diskussion auch hier http://lnkd.in/tX5V9R Ich weis nicht ob der Link geht, mit freundlichem Gruß Wolfgang