Bernd Leitenbergers Blog

Die Raumfahrtbefürworter

Heute wieder ein Gast Kommentar von Thomas Jakaitis. Mit einem mehr philosophischen Thema.  Ich hoffe auf rege Beteiligung.

Die Situation der Raumfahrbefürworter in westlichen Ländern wird im folgenden Link beschrieben:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,456996,00.html
Hinzu kommt, dass die Raumfahrtbefürworter keineswegs eine geschlossene Gruppe bilden, sondern erst noch in mehrere „Untergruppen“ zersplittert sind. Diese unterscheiden sich aufgrund ihrer voneinander abweichenden Motivationen.
Die Archetypen unter den Raumfahrtbefürwortern (ihre psychologischen Grundmuster) werden in einem Artikel von Robert C. Parkinson treffend beschrieben. Er zählt dort die folgenden Archetypen auf:


Diese Archetypen werden folgendermaßen in die Tabelle der Motivationstypen eingeordnet, welche ich in meinem Blogeintrag vom 21. Juni veröffentlicht habe:

1 Wissenschaft Forscher „…. das Bedürfnis stillen, zu wissen und zu verstehen“
2 Abenteuer Abenteurer „…. neue Orte zu sehen und neue Perspektiven zu gewinnen“
3 Herausforderung
Abenteurer
„Kolonisierer“
„…. der Weltraum stellt eine zu überwindende Grenze dar, welche unsere Gesellschaft herausfordert, immer höhere Ziele zu erreichen“
4 Evolution der Menschheit „Kolonisierer“ „…. das Schicksal der Menschheit liegt letzten Endes in den Sternen“
5 Überleben „Kolonisierer“ „…. die Ressourcen des Weltraums bieten uns Schutz vor Mega-Katastrophen“
6 Technologie
„Techno-Freaks“
Profiteure
„…. die Raumfahrt fördert fortgeschrittene Technologien, welche der Menschheit von Nutzen sein werden“
7 Sicherheit
Kaufleute
Profiteure
„…. militärische Erdbeobachtung, moderne Kommunikationstechnologie und internationale Zusammenarbeit machen unser Leben sicherer“
8 kommerzieller Profit Kaufleute „…. neue Raumfahrtanwendungen machen kommerziell gesehen Sinn“
9 Prestige
„Techno-Freaks“
Profiteure
„…. Raumfahrt sichert unsere Führung (Leadership) im Weltraum“

….. einmal mehr eine „Kopfweh-Tabelle“ also ……. 😉
==> Hier muss Abhilfe geschaffen werden:

Gehen wir nun kurz – ohne Bewertungen vorzunehmen – auf die Archetypen ein.
Die Forscher werden vom Wunsch getrieben, das Universum kennenzulernen, um die fundamentalen, wissenschaftlichen Fragen zu beantworten wie:

Dementsprechend finden sich unter ihnen auch eher Vertreter der unbemannten Raumfahrt.
Die Abenteurer sind fasziniert vom Gedanken, irgendwohin zu gehen, wo noch nie jemand zuvor gewesen ist. Dies hat auch zur Folge, dass sie schnell das Interesse an einer Herausforderung verlieren, nachdem diese gemeistert worden ist. Beispiel: Das Abflauen des öffentlichen Interesses an den Mondlandungen nach Apollo 11.
Die „Kolonisierer“ wollen den Bereich der menschlichen Aktivitäten aufgrund der folgenden Argumente in den Weltraum hinaus ausdehnen:
  • um von den dort vorhandenen Ressourcen zu profitieren (z.B. Solar Power Satellites, He3 usw.)
  • damit immer an irgendeinem Ort Vertreter der Menschheit überleben
  • weil Raumfahrt an sich bereits eine gute Sache ist (Bauchgefühl)

Parkinson erwähnt, dass in der Motivationslage der „Kolonisierer“ klare, religiöse Parallelen vorhanden seien.
Ich teile diese Meinung nicht ganz und denke eher, dass hier spirituelle Parallelen vorliegen. Mir drängt sich hier vor allem der Gedanke an das taoistische Denkmodell von Yin und Yang auf, weil die Motivation der „Kolonisierer“ sowohl starke expansive als auch defensive Züge aufweist.
Es ist klar, dass sich aus dieser Gruppe (und derjenigen der Abenteurer) die meisten Anhänger der bemannten Raumfahrt rekrutieren.
Die „Techno-Freaks“ sind fasziniert von der Raumfahrttechnologie an sich und argumentieren oft mindestens unterschwellig mit dem Gedanken ans Prestige.
Sie sind davon überzeugt, dass alle Probleme durch eine Kombination von menschlicher Intelligenz, Zeit und Ressourcen gelöst werden können und zitieren auch gerne mögliche „Spin-Offs“ zur Rechtfertigung ihrer Projekte.
Sie haben keine Freude an „Low Technology“ und „smaller, faster, cheaper“ Approaches.
Die Kaufleute wollen mit der Nutzen bringenden Anwendung der Raumfahrt Geld verdienen und zugleich auch den Menschen auf der Erde dienen. Deshalb befürworten sie primär Anwendungen wie Nachrichtensatelliten, Erdbeobachtung, Satellitennavigation, Weltraumtourismus usw.
Eine ganz spezielle Beachtung verdient schließlich die letzte Gruppe, diejenige der Profiteure.
Bernd hat dieses Thema ja bereits am 29. Juni wunderschön in seinem Blogeintrag zur EADS behandelt.
Parkinson bezeichnet diese Gruppe wörtlich als „……those who find it easier to get money and make a profit out of the Government than working in the commercial market place“ ! 😉
Was die Gruppe der Profiteure so wichtig macht, ist ihr profundes Verständnis und ihre große Nähe zu Politik, Macht und Einfluss. Diese Gruppe steht den „Techno-Freaks“ ideologisch nahe und versteht es auch meisterhaft, die Argumentationen der übrigen Gruppen für ihre Zwecke „zurecht zu biegen“.
Dies ist deshalb für die Sache der Raumfahrt so schädlich, weil die Profiteure nicht die folgenden Fragen stellen:

  • Wieviel kostet es, etwas zu tun ?
  • Wie können wir es billiger machen ?

…. sondern weil die Profiteure sich Folgendes überlegen: Wieviele Einnahmen können wir maximal herausholen, ohne die Fortführung des Programms zu gefährden ? (!)
Es wäre aber falsch, die Profiteure deswegen zu verurteilen; Schließlich handeln sie ganz einfach gemäß ihrem Geschäftszweck.
Meiner Meinung nach ist das Vorhandensein einer Profiteure-Wirtschaft im Umfeld staatlicher Organisationen (auch solchen für Raumfahrt) früher oder später unumgänglich und System-immanent.
Dies kommt daher, dass die Profiteure früher oder später in der Politik ihre Lobby-Vertreter platzieren, welche zu gegebener Zeit für „Arbeitsplatz-Sicherung“, „Leadership in Space“, „National Security“ usw. plädieren.
Es stellt sich an dieser Stelle natürlich die Frage: Was sind denn die Alternativen zur Profiteure-Wirtschaft ?

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