Aus dem Hinterhof in den Orbit

Da wir ja nun alles Geld für das deutsche Mondprogramm brauchen, müssen wir an der eigenen Trägerrakete sparen, das sieht der Blogautor ein, schließlich muss unsere Regierung ja Konzerne wie EADS subventionieren. Zudem kam die Frage beim gestrigen Blog auf. Also wie bekommen wir am billigsten zu einer Rakete? Nun da fällt mir spontan das OTRAG Konzept mit seinen Modulen ein – nicht effizient aber spotbillig. Die nötigen Komponenten bekommt man auch heute ohne Probleme, ohne sie selbst zu entwickeln (Röhren aus der Pipeline Industrie als Tanks, Scheibenwischermotoren um Ventile zu steuern, Ventile aus der chemischen Industrie, einen Stahlring mit Löchern als Injektor und ein Epoxidharz/Astbestblock als Brennkammerdüse).

Ich nehme mal die von Lutz Kayser übermittelten Daten für die Module, allerdings korrigiert auf niedrigere spezifische Impulse von 2400 m/s (Boden) und 2600 m/s Vakuum, mit denen auch damals intern gerechnet wurde, wie mir übermittelte Dokumente aufzeigen.

Die kleinste Rakete die man damit entwickeln kann hat 12 Module in der ersten, 3 in der zweiten und eines in der dritten Stufe. Das Datenblatt dieser Rakete finden sie am Ende des Artikels. Eine derartige Rakete wiegt etwas über 21 t und hat eine Nutzlast von 110 kg (mit Steuersystem) – immerhin mehr als Irans Safir mit rund 27 kg und 26 t Startmasse.

Wie würde die Steuerung erfolgen? Nun, auch diese muss Hinterhof-kompatibel sein. Wir verzichten also auf eine aktive Steuerung. Es geht praktisch recht einfach: Eine der Düsen der Erststufe wird so eingebaut, das sie nicht senkrecht nach unten schaut, sondern leicht zu Seite. Der Winkel muss so bemessen sein, dass nach Ausbrennen die Rakete von einem Winkel von 90 Grad zum Horizont auf 0 Grad gesunken ist, sie sich also parallel zur Erdoberfläche bewegt (oder in einem kleinen Restwinkel, aber auf jeden Fall größer 0 Grad). Die Brennzeit muss daher so bemessen sein, dass die Rakete dabei eine möglichst große Höhe erreicht hat.

Bei 25 kN Schub pro Triebwerk in der ersten Stufe beträgt die Startbeschleunigung 1.4 G und die Brenndauer dann rund 120 Sekunden. Bei den Oberstufen kann man einen kleineren Graphitring als Düsenhals einsetzen und eine Brenndauer von 150 Sekunden anstreben (Schub: 20 kN pro Modul).

Wie macht man die Stufentrennung? Das halte ich für am schwierigsten. Das OTRAG System mit einer aus der Unterstufe herausrollenden Stufe (die Stufen sind ineinander verschachtelt) wurde nie erprobt und ich halte es für riskant. Die Steuerung kann recht einfach durch einen Beschleunigungssensor erfolgen: Er muss nur ein Signal auslösen, wenn er unter einen Grenzwert fällt, z.B. weil mindestens zwei Module ihren Treibstoff verbraucht haben. Sinnvoll ist es auch hier noch in einigen Modulen für einige Sekunden Resttreibstoff vorrätig zu halten, denn diese heiße Stufentrennung kann nur gelingen, wenn die Rakete weiter stabil fliegt, dazu müssen zumindest einige Module weiter arbeiten. Am sinnvollsten die vier Module in den Ecken. Bei dieser kleinen Trägerrakete gibt es aber noch eine zweite Möglichkeit: Erste und zweite Stufe werden nur an den vier Ecken verbunden und diese Verbindungen werden nach Zündung der zweiten Stufe gesprengt.

Die Trennung von zweiter und dritter Stufe ist noch einfacher, weil diese in einer Ecke der zweiten Stufe steht (siehe folgende Tabelle)

1 1 1 1
1 2 2 1
1 2 3 1
1 1 1 1

Eine komplexe Elektronik brauchen wir nicht, nur einfache Beschleunigungssensoren und vielleicht einen Zeitgeber. Ein Mikrocontroller kann das ganze Programm ablaufen lassen- Der Satellit wird abgetrennt wenn auch die dritte Stufe ausgebrannt ist. Durch die hypergole Zündung mit Furanol am Tankboden müssen alle Stufen unter Beschleunigung gezündet werden.

So das wäre die Hinterhof Rakete und was kostet sie? Nun Lutz Kayser gibt als Herstellungskosten für vier Module 33.200 Dollar an. Für diese Version brauchen wir 16 Module, also rund 132.800 Dollar oder rund 94.000 Euro. Rechnen wir noch 6.000 Euro für die Steuerung und eine Nutzlastverkleidung (die man bei Zündung der zweiten Stufe abtrennen kann), so haben wir für 100.000 Euro eine 100 kg Trägerrakete – rund 13 mal billiger als eine Falcon 1 von SpaceX. Also Hinterhof-Raumfahrer ran an die Rakete.

Mich verwundert nur, warum die OTRAG rund 150 Millionen DM ausgab und damit nur einige Starts mit einem oder vier Modulen durchgeführt hat. Vielleicht gibt es da noch etwas Optimierungspotential….

Datenblatt „Hinterhof Rakete“

Einsatzzeitraum:
Starts:
Zuverlässigkeit:
Abmessungen:
Startgewicht:
Max. Nutzlast:
Nutzlasthülle:

2009


21,00 m Höhe, 1,20 m Durchmesser
22.000 kg
100 kg in einen LEO-Orbit
3,00 m Länge, 1,20 m Durchmesser, 100 kg Gewicht

Stufe 1 Stufe 2
Stufe 3

Länge

18,00 m

18,00 m

18,00 m

Durchmesser:

1,20 m

0,60 m

0,27 m

Startgewicht:

12 × 1.361 kg

3 × 1.361 kg

1 × 1.361 kg

Trockengewicht:

12 × 172 kg

3 × 172 kg

1 × 172 kg

Schub Meereshöhe:

12 × 25 kN

3 × 20 kN

1 × 20 kN

Schub Vakuum:

12 × 30 kN

3 × 25 kN

1 × 25 kN

Triebwerke:

12 × OTRAG

3 × OTRAG

1 × OTRAG

Spezifischer Impuls
(Meereshöhe):

2400 m/s

Spezifischer Impuls
(Vakuum):

2600 m/s

2600m/s

2600m/s

Brenndauer:

120 s

150 s

150 s

Treibstoff:

Salpetersäure/Heizöl

Salpetersäure/Heizöl

Salpetersäure/Heizöl

16 thoughts on “Aus dem Hinterhof in den Orbit

  1. Hmm, 27t sind aber weder mit der Sackkarre zu transportieren, noch kann man sie in dem Hinterhof, den ich mir vorstellte, starten. 😉

    Ok, ohne Zauberstab bleibt das mit der Sackkarre wohl ein Wunschtraum, denn es wäre naiv anzunehmen, dass man eine Rakete einfach nur linear skalieren kann und damit immernoch in den Orbit kommt. Aber machen wir das mal kurz: Der Sputnik-3 wog ungefähr 1000 kg und wurde mit einer 1,5 stufigen 170t Rakete in den Orbit gebracht. Als hypothetisches 1:10 Modell würde die Rakete 170kg wiegen und 1kg in den Orbit bringen.

    Klar, das geht nicht. Die Drücke in den Brennkammern müssten ja gleich bleiben (und damit deren Wandstärken), die Viskosität der Treibstoffe bleibt natürlich gleich, das Gewicht für die Steuerung kann man auch nicht linear skalieren, der Luftwiderstand sinkt im Gegensatz zum Gewicht auch nur quadratisch und nicht kubisch beim verkleinern etc. Kleine Raketen haben es nunmal nicht leicht.

    Aber dennoch muss es möglich sein, mit einer deutlich kleineren Rakete einen Orbit überhaupt zu erreichen. Die Nutzlast ist hier sekundär, es geht nur darum, dass jemand prahlen kann, dass er einen Satelliten aus dem Hinterhof gestartet hat. 1kg Nutzlast reicht. Andere hätten vielleicht lieber einen Ferrari, aber jedem das seine.

    Was wäre da mit heutiger Technik das absolute Minimum? 1958 brauchte man in den USA knapp 30t um ganze 11 kg in den Orbit zu bringen , noch dazu mit einer Mittelstreckenrakete die nicht dafür vorgesehen war (und immernoch 10 mal mehr schaffte als unser Mini-Angeber-Sputnik!). Außerdem, die große Hinterhofrakete ist gerade einmal halb so schwer wie die Falcon 1 und damit nicht wirklich Hinterhoftauglich.

    Ich würde erwarten, dass man mit modernen Treibstoffen, Kohlefaserkomposit und moderner Elektronik mindestens in die Nähe von 1t Startgewicht oder darunter kommen sollte. (0,1% Nutzlast wäre zwar immernoch mehr als schlecht, aber zum Angeben reicht es.) Für die Sackkarre ist sie dann zwar immernoch nicht leicht genug, aber immerhin leicht genug für einen PKW-Anhänger.

  2. Kann ich dank meines gerade fertig gestellten und hoffentlich bald erscheinenden Raketenlexikons beantworten: Projekt NOTS sollte 1,05 kg in einen 2250 km hohen Orbit transportieren, was ungefähr 2-3 kg in einen niedrigen LEO-Orbit entspricht.
    Ausschnitt aus dem Buch (noch nicht korrekturgelesen):
    http://bernd-leitenberger.de/download/nots.pdf

    Eigene Berechnung anhand verfügbaren Daten: Antares 3B (1256) / Altair 2A (309 kg) / Alcyone 1A (98 kg) (Oberstufen der Scout E) müssten bei 1663 kg Startmasse rund 20 kg in einen Orbit befördern und wären ohne Nutzlastspitze 5,22 m lang mit einem maximalen Durchmesser von 0,76 m. Das Hauptproblem dürfte es sein eine sehr kleine Oberstufe im Arsenal zu finden. Eventuell ging es auch mit einem 200 oder 500 N Satellitenmotor, der dann eine 20-50 kg schwere Stufe möglich macht, allerdings mit recht hoher Leermasse.

    Wenn ein Antrieb mit einem 500 N Triebwerk und 50 kg Startmasse und 10 kg Leermasse (davon alleine 5 kg Triebwerk) möglich sein sollte wäre eine Kombination Altair 2A (309 kg) / Alcyone 1A (98 kg) / Satellitenantreib (50 kg) mit einer Nutzlast von 4 kg (mit Steuerung) bei einer Startmasse von 462 kg möglich (Länge 2,2 m, Durchmesser 0,51 m) – reicht das für den Hinterhof? Ist bloß dank EADS Antrieb teurer als die OTRAG Rakete….

  3. Herr Kayser ist ja anscheinend weiterhin an der Idee dran. Er berät Interorbital Systems die mit ihrem OTRAG-„Derived Vehicle“ Neptune (http://www.interorbital.com/Neptune%20Modular%20Page_1.htm ). Da scheint man aber auch noch nicht unwesentlich aus dem Hinterhof hervorgekommen.

    Immerhin soll damit ja ein GLXP-Mondprogramm( http://www.synergymoon.org/ ) transportiert werden. Und damit schließt sich der Kreis ja (fast) wieder 😉

  4. Ja, das reicht für den Hinterhof. Ok, man muss immernoch auf die Fenster aufpassen, aber zumindest bleibt das Haus schonmal stehen. 😉

    Ernsthaft: Wenn man bedenkt, dass wir (abgesehen von der Oberstufe) von 50 Jahre alter Technologie reden (und entsprechend altertümlichen festen Treibstoffen), dann ist eine halbe Tonne Startgewicht bei 4kg Nutzlast eigentlich erstaunlich wenig.

    Wenn das nächste mal jemand eine angebliche „Weltraumrakete“ aus seiner Garage zieht, sollte der erste Anruf vielleicht doch nicht bei den Leuten mit den einärmligen Jacken sein. 😉

    Klar, wenn nicht aus irgentwelchen Gründen ein nachhaltiger weltweiter Bedarf von ein paar Nanosatelliten pro Stunde entsteht, ist so eine Rakete relativ sinnlos. (Dann käme man in Regionen die sonst PKWs vorbehalten sind und 4-stellige Startpreise wären nicht ausgeschlossen) Aber es ist schon erstaunlich, was alles möglich wäre.

  5. mein Senf dazu
    das trennen der Module ist einfach die Stufe werden paar weise abgesprengt
    sehe diagram

    1111
    1
    1 22 22
    23 1 2
    1 3
    1111

    Zündung entsprich der Russische Variante, Oberstufe zündet wenn erste noch brennt.

    Hier mochte ich zu einer Alternative kommen, die einige Probleme lost und Nutzlast erhöht.
    Parallel Zündung aller Treibwerke mit Treibstoff Transfer zwischen den Stufen
    Vorteil:
    Alle Triebwerke brennen und liefern Schub, besserer Masse Verhältnis
    Nachteil:
    Komplexe Leitung und Ventile Verbindungen zwischen Stufen
    klemmt nur ein Ventil in Stufe lauft der Treibstoff aus.
    und die Rakete stutz ab

    Zu der Bauweise
    ORTAG verwende Stahl für Tanks, ich frage mich ob Kohlefaserkomposit Tanks billiger sind ?
    wenn ja wirk sich das Positiv auf Masse Verhältnis aus. Mehr Nutzlast.

    Zu Treibstoff
    Salpetersäure / Kerosin (Diesel) = lausige Isp (sl): 268 dafür Spot billig 1 kg nur $0,20
    N2O4/UDMH = besser Isp (sl): 285. aber Teuer 1 kg kosten $15 !
    also umstellen auf Ariane Rakete Treibstoff treibt kosten hoch um Faktor 75 !
    weil Salpetersäure und Kerosin werden überall gebraucht werden.
    wahren der N2O4/UDMH giftig, teuer und unter Naturschutzauflagen hergestellt wird.
    eine andere alternative wahre Lachgas und Festtreibstoff (wie bei Space Ship One)

    zur Steuerung und Flugkontrolle
    warum soviel wegwerfen ?
    zurück zur guten alten Radiokontrolle aus 1960er
    nur das nötigte in der Rakete, der Rest bleibt an Boden

    genug für heute

  6. @Michel: Mit dem Konzept der OTRAG habe ich mich wirklich schon ausführlich auseinander gesetzt. Es göbe da sicher noch was zu optimieren. Eine Möglichkeit ist es z.b. die Tanks zu verlängern was auch vorgeschlagen wurde für die ersten Stufen und so Gewicht bei der Nutzlastverkleidung.

    Das Kernproblem ist, dass das Triebwerk nie breiter sein kann als der dünne Tank. Bei einem minimalen Düsenhalsdurchmesser von 80 mm und einer maximalen Öffnung von 27 cm, kommt die Düse nie über ein Expansionsverhältnis von 11. Das kostet ispez, nicht so sehr der Treibstoff. Wenn schon ersetzen, warum dann nicht auf LOX/Kerosin? Ewig lang betankt kann man die Drucktanks eh nicht lassen wie der zweite Start zeigte als die Dichtung unter dem Druck sich verformte und ein Triebwerk nicht zündete als Moboutu zu spät für den Besuch kam,

  7. mist das Diagramm ist durcheinander

    wenn wir auf LOX/Rp-1 Wechsel
    warum nicht gleich auf Europa IIIE (ELGO) Prinzip ?

    ELGO war eine Studie für Europa III Rakete
    von Dornier und Französische Firmen aus 1970
    ein Standard Antriebs Modul das in Gruppen von 1,3,4,5,7 Module eine Trägerrakete bilden.
    Doriner und SEP studierten diverse Treibstoff und Triebwerks Kombinationen
    Turbopumpen , Druckgas Forderung mit Lox/Kerosin, N2O4/UDMH, Lox/Wasserstoff
    Nutzlast wahre so max 5000 kg in LEO bis 800 kg in GEO oder zum Mond oder Mars
    die Entwicklung ELGO wurde um 500 Mio Euro Kosten
    gegen 100.000 Euro für die Hinterhof Rakete

    und wie Starten ?
    aus Hinterhof sicherlich nicht, weil Länder wie England oder Polen waren nicht erfreut von herunter fallen Deutsche Raketenstufen.
    Ideal wahre wenn man die Rakete auf einen Schiff nahe des Äquators bringt und von Deckt startet
    (natürlich sitzt die Besatzung sicher in Beibooten weit weit weg)
    der Start von Internationale Gewässer hat Vorteile, keine Teure Pacht oder Diktatoren die ihre Meinungen andern wie Moboutu
    oder Muammar al-Gaddafi der kurzer Hand ORTAG verstaatlichet und draus eine Militärrakete machen wollte.

  8. Ich würde auf so eine Hinterhofrakete doch ein Elektronik-Board packen. Um Strom zu sparen, irgendetwas mit einem ARM-Prozessor. Große Verarbeitungsgeschwindigkeit wird nicht benötigt,

    An Sensoren braucht man einmal GPS und zwei 3D-Beschleunigungssensoren. Beschleunigungssensoren sind heute Standardbauteile. In der Automobilindustrie beispielsweise für ABS, ESP und Airbag-Auslösung. In Smartphones drehen sie den Bildschirminhalt, wenn man das Gerät dreht, im Wii-Controller ermöglichen sie eine neue Form des Gameplay.

    Zwei Beschleunigungssensoren, an unterschiedlichen Positionen der Rakete angebraucht deshalb, um auch Rotation erkennen zu können. Aus Beschleunigung und Drehbeschleunigung kann man vom Prinzip her die Position und Orientierung der Rakete zu jedem Zeitpunkt bestimmen. Leider addieren sich die Messfehler im Lauf der Zeit auf, so dass man ohne teure high-end-Sensoren recht schnell orientierungslos wäre. Daher zusätzlich GPS zur mittelfristigen Stabilisierung der Daten.

    Mit einem Einsteiger-Smartphone bekommt man bereits ARM-CPU, Akku, Power-Management, GPS und einen Beschleunigungssensor zum überschaubaren Preis. Wobei GPS UND Akzelerometer wahrscheinlich zu schrottig für die Rakete sind, da nur A-GPS und keine besonders gute Auflösung des Beschleunigungssensors. Aber digitale Akzelerometer mit Auflösungen von unter 1/100 g und Messbereich bis 16 g kosten nicht die Welt:
    http://www.sparkfun.com/commerce/product_info.php?products_id=9156

    Ebenso gibt es vernünftige autonome GPS-Chips für unter 100 Euro.
    Der sollte mit den beiden Akzeleromotern prinzipiell reichen, um die Flugrichtung auf /- 1° zu stabilisieren. Es könnte aber nötig sein, die Firmware der GPS-Chips etwas zu updaten, da diese i.d.R. nicht damit rechnen, einige 100 km über Normalnull und bei Geschwindigkeiten von einigen Kilometern pro Sekunde eingesetzt zu werden. Vielleicht kooperiert aber auch der ein oder andere GPS-Chip-Hersteller der Chips: „Findet sich auch im Weltraum zurecht“ wäre ja durchaus ein interessantes Werbeargument 🙂

    Interessant wäre auch, eine wie auch immer geartete Telemetrie zu haben. Und wenn es ein Bitstrom mit 100 Bit/s ist, der einfach nur Position, Geschwindigkeit, Orientierung und Beschleunigung übermittelt. Eine kleine Solarzelle könnte dem dauerhaften Betrieb des Senders dienen.

    Brennstoff/Triebwerke: Zwei Flüssigkeiten bei stark veränderlichen Umgebungsbedingungen (Druck in den Tanks, Beschleunigung, Vibration etc. pp.) zuverlässig mit konstanter Fließrate in eine Brennkammer einzuspritzen, halte ich für zu ambitioniert. Bleiben Festbrennstoffe, die zwar teurer sind, aber den Schätzungen zufolge braucht man ja nur eine gute Tonne davon.

    Stufen: Der Einfachkeit halber würde ich alles gnadenlos am Boden zünden. Die Brennzeiten wären durch die Treibstoffzusammensetzung entsprechend abgestuft, z.B. 1, 2, 3, 5 und 8 Minuten. Die 8-Minuten-Stufe enthält Elektronik, schwenkbare Düse (das dürfte das komplizierteste Stück Technik sein!) und ggfls. Nutzlast und wiegt deswegen 10 kg leer, 4 kg mehr als die Booster. Alle Booster wiegen jeweils 6kg leer mit 40kg Treibstoff.

    Die länger brennenden Booster und die zentrale Hauptstufe haben beim Festbrennstoff ein Ringprofil mit konstanter Abbrandrate, wobei der Hohlraum 1/3 des Gesamtdurchmessers beträgt. Der Schub beträgt zu dieser Zeit nur die Hälfte des Durchschnittsschubs. Nach der halben Brennzeit hat sich der Durchmesser auf 2/3 des Gesamtdurchmessers erhöht, der Schub beträgt den Durchschnittsschub. Nach nochmal der halben Brennzeit, kurz vor Brennschluss, brennt fast der gesamte Durchmesser und der Schub beträgt das eineinhalbfache des Durchschnittsschubs.

    Die 1-Minuten-Booster haben ein Sternprofil mit einem möglichst gleichmäßigen Schub über die Brennzeit.

    Es gibt eine 8-Minuten-Zentralstufe, zwei 5-Minuten-Booster, vier 3-Minuten-Booster, acht 2-Minuten-Booster und 16 1-Minuten-Booster. Die sechs Booster mit 3 und 5 Minuten Brennzeit kann man in einem Ring rund um die Zentralstufe anordnen. In den nächsten Ring passen schon 12 Booster. Da man insgesamt 24 Booster unterzubringen hat, verbindet man immer zwei davon fest miteinander, und hängt diese als Paare ein, so dass sich 12 Booster im zweiten Ring befinden und 12 im dritten Ring.

    Die Stufen werden einfach ineinander eingehakt, und zwar so, dass die schubstärkere Stufe mit der kürzeren Brennzeit jeweils gegen den Haken der weniger schubstarken und länger brennenden Stufe drückt, in dem sie hängt. Sobald die Stufe mit der kürzeren Brennzeit ausgebrannt ist, fällt sie einfach zurück. Gummis zwischen den beiden Teilen, die sich berühren, könnten Vibrationen dämpfen.

    Ich rechne mit einem Isp von 220/s. Zum Start zünden wir (16 8 4 2 1)*40 kg Treibstoff, mit unterschiedlichen Abbrandraten wie oben erläutert. Der Startschub beträgt knapp 2g, der maximale Schub kurz vor Brennschluss der 16 Booster von Stufe 1 knapp über 5g.

    Als Delta-v habe ich berechnet:
    Stufe 1: 1800 m/s
    Stufe 2: 1550 m/s
    Stufe 3: 1240 m/s
    Stufe 4: 1740 m/s
    Stufe 5: 2350 m/s
    Summe: 8680 m/s

    Das reicht wahrscheinlich noch nicht ganz, zumal die aerodynamischen Verluste in der Startphase erheblich sein sollten. Andererseits ist durchaus noch Optimierungspotenzial vorhanden. So sind Stufenzahlen und Brennzeiten quick-and-dirty gerechnet. Alleine schon die Umstellung auf 6 Phasen bei unveränderter Gesamt-Boosterzahl, mit 12/8/4/4/2/1 Boostern und 40s/80s/130s/190s/300s/480s Brenndauer bringt weitere 65 m/s. Gelingt es, die Zentralstufe erst im Flug bei Brennschluss der vorletzten Stufe zu zünden, bringt das sogar 300 m/s.

    Beim Originalkonzept beträgt direkt nach dem Abfallen von allen Boostern der Stufen 1 bis 3 der Schub nur 0,86 g. Da zu diesem Zeitpunkt bereits in etwa die halbe Orbitalgeschwindigkeit erreicht ist, sollte das kein großes Problem sein. Bei einer Flughöhe von 200 km beträgt die verbleibende effektive Erdbeschleunigung zu diesem Zeitpunkt nur noch 0,71 g.

    Direkt nach dem Abfallen der beiden Stufe-4-Booster sinkt der Schub sogar auf 0,69 g. Die Rest-Erdbeschleunigung beträgt ca. 0,47 g.

    Wählt man die Variante mit Selbstzündung der zentralen Stufe, wird man die Brenndauer der vorletzten Stufe etwas reduzieren bzw. die der drittletzten etwas erhöhen, damit die vorletzte Stufe ab dem Zeitpunkt, wo sie allein ist, nicht allzu schwachbrüstig wird. Die selbstzündende letzte Stufe bekommt natürlich wieder ein Brennprofil, bei dem der Schub über die Zeit etwa konstant bleibt oder gar leicht sinkt.

    Will man am google Lunar X-Price teilnehmen, dürfte die Garagenrakete dann aber langsam ihre Berechtigung verlieren…

    Kai

  9. Um 100 km Gipfelhöhe zu erreichen benötigt man nur wenig Geschwindigkeit. Die V-2 erreichte 183 m/s bei einer Endgeschwindigkeit von 1900 m/s. 100 km brauchen eher noch weniger. Bei LOX/RP-1 als Antrieb korrespondiert dies mit 50% Treibstoffanteil, verglichen mit 5% für einen Orbit. Die Rakete kann also schon deswegen um den Faktor 10 kleiner sein. Dazu kommt noch die winzige Kabine. Schub und Brennzeit lassen eine Treibstoffmenge von 900-1000 kg abschätzen, so dass die ganze Rakete etwa doppelt so schwer sein würde.

    Das gilt für alle Suborbitalen Versuche. Leider geht bei der Berichterstattung vorbei dass zwischen diesen und Orbitalgeschwindigkeit ein Quantensprung in den Anforderungen liegt (nicht nur bei der Rakete sondern eben auch dem Raumschiff) und selbst wenn ein suborbitaler Flug für 200.000 $ möglich ist, dann heißt das noch lange nicht das ein orbitaler in der gleichen Größenordnung möglich ist.

  10. Danke schonmal für die Analyse. Du meintest 183km Höhe bei der V-2. Was meinst Du mit 50% Treibstoffanteil bzw. 5% ? Diese Sätze verstehe ich nicht ganz.

    Das stimmt, der Laie denkt sich beim Bericht, daß es gleich einem orbitalen Raumflug käme, der aber deutlich aufwendiger wäre.

    Gruß, T.

  11. Die genaue Brennstoffmenge zu berechnen ist schwierig, das muss man simulieren. Also ist der einfachste Weg ohne Stunden oder Tage zu investieren der Vergleich mit Trägern bekannter Performance.

    Die V-2 wurde einige Male als Höhenforschungsrakete gestartet und erreichte 183 km Gipfelhöhe. Ihre Daten sind bekannt. Aus diesen und dem bekannten spezifischen Impuls von RP-1/LOX kann man errechnen das eine Rakete etwa 50% Treibstoffanteil (z.B. 1 t bei 2 t Startgewicht) aufweisen muss um diese Höhe zu erreichen.

    Bei einem Flug in den Orbit liegt bei guten Trägern der Nutzlastanteil bei 5% z.b. 100 t beim Space Shuttle bei 2000 t Startgewicht (brutto). Bei den meisten eher niedriger. Bei LOX/RP-1 als Treibstoff eher im Bereich von 2-3 %.

  12. Interessant übrigens auf deren Webseite die Treibstoffkombinationen: nach LOX/Paraffin sind sie auf LOX/Polyurethan umgestiegen. Über so eine merkwürdige hybride Kombination habe ich auf Deiner Seite nichts gefunden, nur über Salpetersäure/Polyurethan. Warum nimmt man so eine Kombination mit vermutlich schlechterem Impuls als z.B. LOX/RP1?

  13. Wäre dann wohl die erste im Einsatz befindliche Hybridrakete.

    Im spezifischen Impuls wohl zwischen LOX/RP-1 und HNO3/PU. Was mich viel mehr interessiert sind die Schubdiagramme auf

    http://www.copenhagensuborbitals.com/boosters.php

    Demnach hat sich das alles verschlimmbessert. Das unterste ist noch recht gut, das letzte zeigt starke Schwankungen des Schubs. Ziemlich am Anfang eine zwischen 4 und 6 kN und später noch welche zwischen 0,5 und 2,5 kn. das wird wohl kaum jemand aushalten. Sie sind gut beraten wenn sie beim ersten Test einer dieser Crash Test Dummys einsetze und mal messen ob das jemand überlebt….

  14. Copenhagensuborbitals geht es bei der Wahl des „Hybridantriebs“ (*grins*) bestimmt um eine Kombination aus hoher Verlässlichkeit und Einfachkeit bei vernünftiger Sicherheit und Steuerbarkeit.

    Flüssigtreibstoffe verlangen komplex konstruierte Triebwerke. Bei Festtreibstoffen muss man den Zeitpunkt der Treibstoffherstellung und das Eingießen in die Raktenhülse sehr genau kontrollieren. Und man kann nach der Zündung nichts mehr kontrollieren. Mit flüssigen Oxidator und festem Treibstoff hat man immer noch eine einfachere Konstruktion als mit zwei Flüssigkeiten. Anders als bei Festbrennstoffen reicht aber nicht bereits ein Funke, um alles zu zünden…

    Jag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.