Warum wohl die Raumfahrt nicht schnell billiger werden wird

Eines was immer in Diskussionen wieder auftaucht ist den Transport in den Weltraum entscheidend zu verbilligen – nicht nur um 20 oder 30 % sondern die Kosten zu halbieren oder auf ein Zehntel zu senken. Initiativen dazu gab es genügend. Das Space Shuttle, die deutsche OTRAG Rakete. Heute liegen die Hoffnungen auf SpaceX oder andere Newcomer.

Bislang hat es nie geklappt. Ob es nun mit SpaceX klappen wird? Ziemlich oft ist dann wird auch Raumfahrtfirmen unterstellt, die Preise so hoch zu halten um gut zu verdienen oder sie seien einfach unfähig billige Raketen zu produzieren. Mal Zeit dem ganzen auf den Grund zu gehen.

Wie immer gibt es bei allem ein Körnchen Wahrheit und viel Phantasie. Zum einen ist es richtig, dass heute Raumfahrtkonzerne einen ziemlichen bürokratischen Overhead haben der mitfinanziert werden muss. Das macht die Träger teurer als nötig. Auf der anderen Seite gibt es bei allen Trägern im Westen das Bestreben die Fertigung zu optimieren, also diese preiswerter zu machen oder die Nutzlast bei gleichen Produktionspreisen zu steigern. In der Tat ist heute ein Raketenstart viel preiswerter als früher, selbst verglichen mit den frühen sechziger Jahren als selbst bei den USA zeitweise 50 Starts einer Thor pro Jahr stattfanden, es also eine viel höhere Stückzahl und damit niedrigere Kosten pro Exemplar gab.

Ein Beispiel. Ein Ariane 1 Start kostete 1983 etwa 60 Millionen Dollar, bei einem höheren Wechselkurs also heute (rund 2 DM/$), das entsprächen heute also rund 61 Millionen Euro. Eine Ariane 5 kostet, nachdem die Startpreise in den letzten Jahren angsteigen, sind rund 160 Millionen Euro. Allerdings transportiert sie die fünffache Nutzlast einer Ariane 1. Die Startkosten sind also auf 55 % gesunken. Berücksichtigt man die Inflationsrate, so kostet heute ein Start eines 1,8 t Satelliten weniger als 30 % dessen was 1982 zu zahlen war. Der Grund ist dass eine größere Trägerrakete immer günstiger ist und bei der Weiterentwicklung der Ariane 1 wie auch Neuentwicklung der Ariane 5 auf niedrige Produktionskosten geachtet wurde.

Das ganze geht aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Etwas was in der frühen Raumfahrt gelernt wurde war, dass Qualitätskontrolle der Schlüssel zur Zuverlässigkeit ist. Raketen sind nicht deswegen so teuer, weil sie teure Materialen einsetzen. Sie sind so teuer, weil zwei gegensätzliche Forderungen aufeinanderprallen: Absolute Zuverlässigkeit und höchste Leistung (Schub, Gewicht etc). Es ist natürlich möglich einen Treibstofftank absolut sicher zu fertigen: Einfach 5 cm dicken Stahl nehmen und er hält jede Belastung beim Flug aus. Nur kommt man so nicht in den Orbit. Das macht immer wieder beim Raketenbau Spezialverfahren notwendig oder man versucht bestehende Verfahren an die Grenze auszureizen um Gewicht zu sparen. Dann ist eine besondere Kontrolle notwendig, die anfängt bei der Schaube und bei der Rakete aufhört. Sie gewährleistet dass zum einen es keine Risse, Schäden oder Schwachstellen gibt und trotzdem das Ziel einer niedrigen Leermasse oder eines hohen Schubs erreicht wird. In einem Beitrag über Ariane 4 habe ich mal gesehen wie nur die Stufen verschraubt wurden: Ein Techniker schraubte mit einem Gerät mit Drehommentanzeige, ein zweiter notierte für jede Schraube das Drehomoment. Nach der Arbeit wurde der Schlüssel in einen Koffer an eine vorher markierte Stelle abgelegt und ein Benutzungsbuch ausgefüllt. Das klingt enorm bürokratisch, es ist aber die Folge von nicht erfolgten Stufentrennungen weil Schrauben zu fest angezogen waren und Ausfällen von Raketen weil Werkzeuge irgendwo vergessen wurden.

Ich glaube das Newcomer sicher eine Möglichkeit haben, Kosten zu optimieren: Sie können heute schon auf den früheren Erfahrungen aufbauen und Wege beschreiten die sich als kostengünstig erweisen haben. Wenn sie etwas völlig neues versuchen kann es dagegen in die Hose gehen. So hat SpaceX ihr Konzept für das Merlin Triebwerk still und heimlich begraben – Die Abationskühlung verschlechterte nur die Triebwerksleistung ohne dass es einen Kostenvorteil brachte. Gerade diese Firma musste ja bitter lernen, dass fehlende Qualitätskontrolle oder aus Kostengründen eingesparte Systeme doch nötig sind und die anderen etablierten Konkurrenten nicht umsonst beides einsetzen, auch wenn sie dann eben viel teurer sind.

Noch ist SpaceX deutlich billiger als die Konkurrenz, auch wenn die Startpreise deutlich in den letzten Jahren angestiegen sind. Wird dies so bleiben und damit der Durchbruch kommen? Ich glaube nicht. Denn es gibt ja schon eine Konkurrenz die viel preiswerter ist: Russland und China. Aufgrund des viel niedrigeren Lohnniveaus (vieles beim Raketenbau ist Handarbeit) sind diese Träger in der Produktion. Russland zahlt für eine Proton umgerechnet 25 Millionen Dollar an den Hersteller. Da kommen natürlich noch die Startkosten dazu, die bei Baikonur wegen der Pacht die man an Kasachstan zahlen muss, recht hoch sind, aber selbst dann ist das kein Vergleich zu den 100-120 Millionen Dollar die ein westlicher Kunde zahlen muss. Russland und China bleiben immer einen bestimmten Prozentsatz unter dem Startpreis des Marktführers Ariane. Anfangs wurden die Träger wirklich zu einem Burchteil des Preises angeboten – mehr Aufträge gibt es deswegen auch nicht. Obwohl Arianespace seit die US-Träger aus dem Markt ausgeschieden sind, der teuerste Anbieter ist, kann die Firma ihren Marktanteil halten: Ihr Träger ist ausgreift und sicher, auch der Service stimmt, es ist so ein bisschen wie beim Transport von Päckchen. Es nützt nix wenn ein Anbieter billiger ist, aber man das Päckchen genau am Geburtstag und nicht 5 Tage später zugestellt haben will.

Aber mal eine kleine Beispielsrechnung. In den letzten Jahren transportierte Ariane um die 40-50 %, Zenit und Proton je 25-30 % der Nutzlasten. Nehmen wir an die Proton hat einen Anteil von 30 % bei Kosten für den Kunden von 110 Millionen Dollar pro Start und eigenen Startkosten von 40 Millionen Dollar. Das macht bei 6 Flügen pro Jahr einen Gewinn von 420 Millionen Dollar. Wenn nun die Proton für 60 Millionen Dollar angeboten werden würde, und man 100 % des Marktes gewonnen hätte, dann wären es 20 Flüge pro Jahr, der Gewinn würde aber auf 400 Millionen Dollar sinken.

Ich glaube daher, dass wenn ein neuer Konkurrent auf dem Markt kommt, wie z.B. SpaceX oder OSC (Taurus II) so wird nach einer Einführungsphase bis der Träger etabliert ist und auch Kinderkrankheiten beseitigt sind, der Startpreis ansteigen, auf ein Niveau dicht unter dem was heute das niedrigste Angebot ist. Einfach um den Gewinn zu maximieren.

Das mag denen nicht schmecken, da es so niemals revolutionäre Änderungen geben wird. Aber es hat einen Effekt, den man seit Anbeginn der Raumfahrt beobachten kann: Die Starts werden nicht schlagartig billiger, aber dadurch dass neue Anbieter etwas billiger als die alten sind, wird auf diese der Preisdruck höher und so sinken auf lange Sicht die Startpreise. Ich glaube auch das selbst wenn das Space Shuttle tatsächlich die Startkosten auf ein Zehntel gesenkt hätte, die Kunden nur etwas geringere Preise bezahlt hätten – schließlich rechnete die NASA vor, das kommerzielle Starts nicht nur die laufenden Fixkosten bestreiten sollten, sondern sogar die Entwicklungskosten zurückzahlen sollten.

Zumindest im Bereich der Kommunikationssatelliten scheinen auch Kosten nicht alles zu sein. Nach dem Bankrott von Sealaunch haben einige führende Satellitenhersteller Aufträge zugesagt wenn die Firma wieder aus dem Chapter 11 herauskommt und für den Fall, dass dies nicht der Fall ist, Boeing und Lockheed-Martin aufgefordert, in den freien Markt zurückzukehren, damit es mindestens drei Anbieter gibt. Einer ließ sich sogar zu der Aussage hinreisen, man möchte nicht von chinesischen Starts oder SpaceX abhängig sein. Ginge es nur um die Transportkapazität, so ist dies unnötig, wie Arianespace Chef LeGall vorrechnete: Selbst die verbliebenden Konkurrenten haben genug Kapazität um 27 Satelliten pro Jahr zu starten, es gibt aber nur rund 20 neue Aufträge pro Jahr. Aber die Intention ist natürlich klar: Konkurrenz belebt das Geschäft und hält die Startkosten niedrig.

Heute wieder ein Video, bei dem ich lange nach dem Titel gesucht habe: Er fiel mir zuerst als Titelmusik des Space Night Films „Space Cowboys – das Apollo Programm“ auf. Ich habe dann auch bald gemerkt, dass es ein Stück von Mike Oldfield sein musste, aber weil es um das Apollo Projekt ging, habe ich im falschen Jahrzehnt gesucht: Es ist „Wonderful Land“ von der 1980 er LP „QE2″…

4 thoughts on “Warum wohl die Raumfahrt nicht schnell billiger werden wird

  1. Lieber Herr Leitenberger, es ist sehr interessant in Ihren Blogseiten herumzustöbern. Da ich auch raumfahrtbegeisterungsgeschädigt bin, möchte ich mich für Ihre sehr fundierte und sicher enorm zeitaufwändige Arbeit bedanken und hier eine Idee unterbringen, die zu „billiger“ passt, aber mehr zu alternativen Antrieben:

    Meine Idee zu „Raumfahrt billiger machen“, dazu noch ungiftiger:

    Ein elektrischer Raketenmotor mit drahtloser Energieübertragung

    Vor etwa 30 oder 40 Jahren las ich immer wieder in wissenschaftlichen Beilagen zur Perspektive der Raumfahrt, dass bald riesige Solarstromanlagen im geostationären Orbit errichtet werden, die dann per Mikrowellenstrahlung unsere Energieversorgung auf der Erde sicherstellen. Das fand ich schon als Kind äußerst unglaubwürdig.

    Wie wäre es aber, die Richtung umzudrehen, ein Raumfahrzeug kurzzeitig mit Energie zu versorgen, damit es sich in den Orbit katapultiert. Also weg vom Prinzip des autarken PKW, hin zum ferngversorgten Transportmobil.

    W e n n drahtlose Elektroenergieübertragung möglich ist, dann sollte es kostengünstig möglich sein, die gesamte Energie eines Kraftwerkes, am schönsten natürlich eines Solarkraftwerkes, für 15 Minuten einem Raumfluggerät zur Verfügung zu stellen. Dieses könnte dann mit der saubersten Stützmasse – Wasser – auf etwa 30 km/s beschleunigt, als einstufiges Gerät in einen Erdorbit gebracht werden.

    Da das Elektrische Triebwerk zunächst das Wasser auf Plasma-Temperatur bringen muss, bietet sich eine Wassergekühlte Außenverkleidung als Empfangsantenne an. Ein direkter Weg des Stromes in die Lichtbogenbrennkammer (oder Mikrowelle?) und anschließend in die Magnetfelder wäre durch Drähte, die völlig von Wasser durchflossen werden mit guten Stahl- oder Kupferrohren denkbar. Nach meiner glücklichen Rechnung sind mit der angestrebten Ausströmgeschwindigkeit bei einem Massedurchsatz von 1kg etwa 30kN (3Mp oder t) Schubkraft möglich und 1GW Leistung nötig. Mit 60t Wasser und einem geschätzen Apparateaufwand von 100t kämen bei 100GW noch 20t Nutzlast mit in die Umlaufbahn. Und der Abstieg der teuren Transportmaschine sollte auch mit Wasserkühlung schonend erfolgen können

    Ein halber km² eines Solarkraftwerkes mit 20% Wirkungsgrad würden das in einer sonnigen Viertelstunde ermöglichen.

  2. @Goetz Lindenberg: Du willst die Rakete also bis in 50km Höhe mit 1GW Mikrowellenleistung bestrahlen. Dafür braucht es eine Sendeantenne mit extremer Richtwirkung. Für solch eine Richtwirkung muß der Parabolspiegel um den Faktor 1000 größer sein als die eingesetzte Wellenlänge. Damit in der Rakete die empfangene Leistung elektrisch noch einigermaßen verlustarm zur Brennkammer übertragen werden kann, sollte die Frequenz aber auch nicht zu hoch gewählt werden. Nehmen wir also die Frequenz eines Mikrowellenherdes von 2,455 GHz, welche ohnehin für solche Zwecke freigegeben ist. Bei der entsprechenden Wellenlänge von 12cm muß der Parabolspiegel in der Größenordnung von 120m liegen und sollte seinen rechnerischen Brennpunkt dann in 50km Höhe haben. Zu beachten ist, daß der Strahl dennoch nach oben hin immer unschärfer wird und immer mehr ausfranst. Die Bündelung des Spiegels entspricht dabei einem optischen Parabolspiegel im sichtbaren Licht von 0,5mm Durchmesser. (gleiches Verhältnis zur Wellenlänge).

    So, jetzt kommen wir aber zum eigentlichen Problem: Der Richtstrahl hat im Idealfall einen Durchmesser von 120m mit kreisförmigem Querschnitt. Aus aerodynamischer Notwendigkeit wird deutlich, daß die Rakete immer nur einen Bruchteil der Leistung dem 120m Strahl entziehen kann. Man kann die Rakete mit tragflächenähnlichen Flachantennen ausstatten (so aufgebaut wie die Sat.-TV-Flachantennen), aber die elektrischen Strukturen zur Verschaltung tausender Dipole wiegen auch. Optimistisch geschätzt kann die Rakete dem Richtstrahl 10% der Energie entnehmen, Tendenz mit steigender Höhe sinkend. Entsprechend müssen wir also die Sendeleistung auf 10GW erhöhen. Kurzzeitig einen Kraftwerkspark mit 10GW komplett für einen Raketenstart zur Verfügung zu stellen, stößt auf erhebliche infrastrukturelle Probleme. Zumal der Gesamtwirkungsgrad ja wirklich ziemlich schlecht ist.

    Unterm Strich wird wohl die Energiebilanz bei der Herstellung von Lox, LH und Hydrazin und Feststoffbooster besser sein.

    Eine andere Alternative für elektrische Raketenstarts habe ich mal hier irgendwo vorgeschlagen: an der Westküste Südamerikas (äquatornah) eine Vakuumröhre bauen, die Richtung Osten in die Anden aufsteigt und ihre Mündung auf dem Punkt der Erde mit der geringsten Schwerebeschleunigung, dem Chimborazo (6310m ü. NN), hat. Das Projektil wird mittelst Transrapid-Prinzip elektrisch beschleunigt und passiert an der Mündung eine pyrotechnisch gesprengte Membran. Anschließend steigt es mit 1. kosmischer Geschwindigkeit auf (wie ein umgekehrter Meteoriteneinschlag), unterstützt durch ein Oberstufentriebwerk. An das Hitzeschutzschild werden dabei erhebliche Anforderungen gestellt

  3. Nachtrag zur Mikrowellen-Rakete: Zwar kann mich mir eine Rakete in Form eines riesigen Überschall-Deltas (gleichseitiges Dreieck mit 50m Kantenlänge) vorstellen, welches eine Dipolwand aus tausenden Mikrowellen-Dipolen enthält und an der Unterkante mehrere Wasserdampf-Düsen.

    Es gibt da aber noch ein anderes Problem: Beim Start ist der Richtstrahl fast horizontal, also müßte dieser Bereich 500km weit für die Luftfahrt gesperrt werden, dazu noch der komplette Korridor in 50km Umkreis und unbegrenzter Höhe. Man beachte, daß an der Rakete auch Reflexionen entstehen, die immer noch im MW-Bereich strahlen.

    Satelliten in niedriger Umlaufbahn würden mit Sicherheit vom Strahl irreparabel beschädigt werden. Und geostationäre Satelliten werden für die Dauer der Strahlenlast zumindest gestört.

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