Ein Blog von Thomas Jakaitis. Von mir gibt es frühestens was neues am 9.11, da ich derzeit für eine Woche im Urlaub bin.
An dieser Stelle, bevor es vor lauter Fachsimpelei untergeht, ein Riesendankeschön an Dich, Bernd, fürs „Gastrecht“ auf Deiner Website ! 🙂
Nun folgt also endlich der letzte Teil meiner Gastblog-Serie betreffend einem „vernünftigen“, bemannten Mondprogramm.
In den ersten drei Beiträgen der Serie ging es um Folgendes (alle Beiträge sind auf dieser Website noch auffindbar):
20.07.2009 Zielsetzung und Grundsätze des Mondprogramms
23.07.2009 Transportarchitektur
02.08.2009 Die Mondbasis
Die in diesen Beiträgen beschriebenen Charakteristiken des Mondprogramms waren die folgenden:
-
Eine neue Zielsetzung kam neben den „klassischen“ Zielsetzungen (Forschung usw.) ins Spiel: Die Ressourcen des Mondes sollen genutzt werden. Bejaht man dieses Ziel, so ist dafür ein bemanntes Mondprogramm erforderlich.
-
Wenn sich dieses Programm am Minimum orientiert, so hat es aus finanziellen Gründen die größten Chancen zur Verwirklichung („Minimalprogramm“).
-
Die Transportarchitektur ist dadurch gekennzeichnet, dass Fracht- und Personentransport strikt voneinander getrennt werden, und dass für den Frachttransport Ionentriebwerke angewendet werden. Deshalb kann auf die Entwicklung von Trägern der Saturn V Klasse verzichtet werden. (Daher auch der Begriff „vernünftig“ im Sinn von „bescheiden“ im Titel.)
-
Aufgrund der Leserkommentare konnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass auf eine Raumstation in einer Mondumlaufbahn (= auf einen „Safe Haven“) mit hoher Wahrscheinlichkeit verzichtet werden kann. (Danke Max & Co. ! 😉 )
In diesem Beitrag will ich nun auf das eingehen, was SOFORT angegangen werden müsste: Das unbemannte Mondprogramm.
Das unbemannte Mondprogramm hat im aktuellen Kontext (= als Bestandteil eines bemannten Mondprogramms) den folgenden Zweck:
-
Technologieerprobung
-
Forschung / Erkundung
-
Nutzung
Es verfolgt somit eine ähnliche Linie, wie sie im Gastblog „Die fehlende Vision“ von tp1024 vom 27.09.2009 auf dieser Website auch schon beschrieben wurde.
Im folgenden will ich auf die einzelnen Zwecke näher eingehen.
Technologieerprobung
Die Missionen zur Technologieerprobung sollten normalerweise mit Trägern der Vega-Klasse oder noch kleineren Raketen abgewickelt werden, und es werden ausschließlich Oberstufen mit Ionentriebwerken angewendet. Die Anzahl notwendiger Missionen beträgt ca. 20.
Ich gehe davon aus, dass ein Träger der Vega-Klasse (Nutzlast in einen niedrigen Erdorbit im 2 t Bereich) ca. 300 kg Nutzlast auf der Mondoberfläche absetzen kann, wenn er eine Oberstufe mit Ionentriebwerken verwendet.
Aber eben: Genau so etwas gilt es ja im Technologieerprobungsprogramm zu beweisen !
Zur Erprobung der folgenden Technologien sollen unbemannte Mondmissionen durchgeführt werden:
was | wie | warum |
Oberstufen mit Ionentriebwerken in verschiedenen Nutzlastklassen |
|
|
standardisierte, unbemannte Mondlander in verschiedenen Nutzlastklassen |
|
|
ferngesteuerte Roboter (inklusive Rovers) |
|
|
ISRU (= Produktion von Sonnenzellen, Wasser, O2, Metallen usw. auf dem Mond) |
|
|
Es ist klar, dass der Weg zur ISRU (= In Situ Resource Utilization) ein speziell steiniger ist. Umso interessanter ist aber die Frage, was mit ferngesteuerten Robotern auf dem Mond erreicht werden kann !
Forschung / Erkundung
Die Mondoberfläche soll durch ferngesteuerte, unbemannte Rovers erkundet werden. Diese Rovers haben die folgenden Aufgaben:
-
Grundlagenforschung
-
Suche verwertbarer Ressourcen
-
Suche der Standorte von bemannten Mondbasen
Zu diesem Zweck untersuchen und sammeln die Rovers lunare Bodenproben. Je nachdem können lunare Bodenproben auch zur Untersuchung in Labors zur Erde zurückgeführt werden. Aus Kostengründen ist dies aber leider nur bei einer Minderheit der Proben möglich.
Ich gehe davon aus, dass ein Träger der Dnepr- oder der Taurus II – Klasse (Nutzlast in einen niedrigen Erdorbit im Bereich von ca. 3,5 bis 5 t) ca. 600 kg Nutzlast auf der Mondoberfläche absetzen kann, wenn er eine Oberstufe mit Ionentriebwerken verwendet.
Wenn kleinere Rovers bereits den Job erfüllen: Umso besser ! 😉
Bereits 1970 und 1973 führte die Sowjetunion die Missionen Lunokhod 1 und 2 durch. Diese beiden ferngesteuerten, unbemannten Rovers mit Massen von ca. 750 kg und 850 kg waren damals schon in der Lage, viele Mondnächte durchzustehen und legten bereits 10,54 km (Lunokhod 1) und 37 km (Lunokhod 2) zurück.
Nach den Erfahrungen mit den Mars Exploration Rovers betreffend Langlebigkeit gehe ich davon aus, dass die durchschnittliche Lebensdauer eines lunaren Rovers ca. fünf Jahre beträgt. Wenn jeder Rover bei Tageslicht pro Stunde durchschnittlich 1 km zurücklegt, beträgt die zurückgelegte Distanz nach fünf Jahren somit 5 (Jahre) x 182 (Tage) x 24 (Stunden) = 21840 km !
Es ist deshalb anzustreben, über einige Jahre hinweg z.B. jährlich 1 neuen Rover zum Mond zu schicken. Nach ca. zehn bis zwanzig Jahren haben die Rovers bereits einen großen Teil der Mondoberfläche erkundet, und zwar zu einem vertretbaren Preis !
Nutzung
Nachdem die Aktivitäten in der Technologieerprobung und in der Erkundung des Mondes einen gewissen Stand erreicht haben (= nach z.B. zehn bis zwanzig Jahren), kommt der große Moment:
Nun steht die Entscheidung an, ob und warum das Mondprogramm bemannt fortgeführt werden soll.
Abgesehen von der politischen und ökonomischen Großwetterlage hängt die Entscheidung von den folgenden Kriterien ab:
-
davon, was für Forschung auf dem Mond zu welchen Kosten bemannt betrieben werden kann
-
davon, was für verwertbare Ressourcen auf dem Mond gefunden wurden
-
vom Erfolg der ISRU Versuche
Falls die Entscheidung negativ ausfällt, wird das Mondprogramm beendet und auf die Nutzungsphase verzichtet.
Falls die Entscheidung positiv ausfällt (= falls die Errichtung einer bemannten Mondbasis beschlossen wird), werden stationäre Produktionsmodule zur Nutzung lunarer Ressourcen an den geplanten Ort der Mondbasis geschickt, welche weitgehend ferngesteuert betrieben werden.
Aus heutiger Sicht wird dann so verfahren, wie dies in den Teilen 2 und 3 dieser Blog-Serie beschrieben ist.
Wenn zu diesem Zeitpunkt in z.B. zehn bis zwanzig Jahren bessere Lösungen vorhanden sind: Umso besser !
Ich gehe davon aus, dass die größten, heutzutage verfügbaren Träger (Ariane 5, Proton, Delta IV, Atlas V usw.) ca. 3500 kg Nutzlast auf der Mondoberfläche absetzen können, wenn sie Oberstufen mit Ionentriebwerken verwenden.
Im weiteren gehe ich davon aus, dass in ca. zehn bis zwanzig Jahren Träger zur Verfügung stehen werden, welche sogar ca. 5000 kg auf der Mondoberfläche absetzen können (solche mit einer Nutzlast von ca. 30 bis 40 t in einen niedrigen Erdorbit also).
Fazit
Ein unbemanntes Mondprogramm soll wie beschrieben durchgeführt werden.
Nach ca. zehn bis zwanzig Jahren soll aufgrund der Erkenntnisse entschieden werden, ob und warum eine bemannte Mondbasis errichtet werden soll.
Falls ja, ist dieses Vorhaben durch das unbemannte Mondprogramm hervorragend vorbereitet.
Falls nein, sind folgende Ziele erreicht, und das unbemannte Mondprogramm hat auch so einen Sinn gehabt:
-
Operationelle Oberstufen mit Ionenantrieb sind verfügbar.
-
Die Mondoberfläche ist erkundet.
-
Die Möglichkeiten und Grenzen der robotischen Nutzung lunarer Ressourcen sind bekannt.