Gemini war preiswert!
Gestern habe ich den Rechercheteil für die Auflage 2 des Gemini Buches abgeschlossen. Das ging recht schnell, da es zum einen es leichter ist an Infos heranzukommen und zum Zweiten das Buch sich mehr an die Allgemeinheit richtet, also das Anspruchsniveau nicht so hoch ist. Dabei bin ich auch über einige Zahlen für die Kosten gestolpert. Vielleicht zuerst einmal eine Gesamtbilanz:
- Gemini kostete damals 1354 Millionen Dollar
- Es wurden 12 Flüge, davon 10 bemannt durchgeführt
- Dazu kamen sieben Flüge von Zielen an die angekoppelt wurde.
- Heute entspricht dies nach dem Augustine Report rund 7,2 Milliarden Dollar
Zuerst mal: 7,2 Milliarden sind in der bemannten Raumfahrt keine so große Zahl. Das Programm lief über 5 Haushaltsjahre, das heißt es kostete rund 1,4 Milliarden pro Haushaltsjahr, also weniger als der Unterhalt der ISS oder die Hälfte des jährlichen Shuttle Budgets.
Allerdings entfallen wie bei allen Raumfahrtprojekten der größte Teil auf die Entwicklungskosten: Die Produktionskosten waren in den 60 ern noch deutlich niedriger als heute, aber die entwicklungskosten recht hoch. Pro Flug fielen nur folgende Kosten an:
- Missionsüberwachung: 82,4 Millionen für 12 Flüge = 6,9 Millionen pro Flug
- Titan: 7,4 Millionen pro Start
- Kapsel: 13 Millionen Dollar pro Exemplar.
Für Kopplungsflüge kamen noch hinzu:
- 1 Atlas-Agena: 4,7 Millionen pro Flug
- 1 Docking Adapter: 2,15 Millionen pro Stück
Für eine Mission mit Andocken würden so Kosten von 34,15 Millionen an, für einen reinen Gemini Flug 27,3 Millionen Dollar an. Mit dem Faktor 5,32 (übernommen von Augustine) kommt man auf Kosten im Wert von 2009 rund 145 Millionen Dollar für einen reinen Gemini Flug und 182 Millionen für einen Kopplungsflug.
Ich denke die NASA wäre froh heute ein Versorgungssystem zu haben, das zwei Astronauten zur ISS bringt. Also: Orion ade, Gemini johe? Nun ja es dürfte etwas problematisch werden einige Komponenten aufzutreiben. Ringkernspeicher für den Bordcomputer wird man wohl nur noch im Museum finden. Die Titanproduktion wieder aufzunehmen dürfte auch problematisch werden, aber es gibt ja noch die Taurus II oder zum Test des Rettungssystems auch die Falcon 9.
Es müssen auch nicht nur zwei Astronauten sein. McDonnells „Big G“ Studie von 1969 sah eine verlängerte und auf 4 m Durchmesser vergrößerte Gemini Kapsel für 9 (später 12) Astronauten. Träger dafür wäre eine Titan 3M gewesen, also eine Atlas V oder Delta IV würde dafür ausreichen – und ein Flug würde ausreichen alle Astronauten der ISS auszutauschen. Schade das es dafür keine Kostenabschätzung gab.
Wie skalieren eigentlich Raumschiffe, wenn sie einmal im Orbit sind (und wieder herunter kommen sollen)?
Ich komme auf die Frage, weil du erwähnst, dass eine Gemini mit 9-12 Leuten geplant war. Die Sojus wiegt ja z.B. 2.5t pro Besatzungsmitglied – wie würde es denn mit größeren Raumschiffen aussehen? Der Antrieb würde wahrscheinlich leichter werden, ebenso die Außenhülle, da die auch bei höherem Volumen nicht dicker werden müßte und ihre Fläche nur mit V^(2/3) steigt.
Was ich überhaupt nicht einschätzen kann, ist dagegen das Hitzeschutzschild. Ich habe irgentwie das Gefühl, dass das Schild überproportional mit der Masse des eigentlichen Raumschiffs skaliert.
Denn der Durchmesser des Raumschiffs skaliert ja ungefähr mit V^(1/3), wenn dessen Dichte gleich bleibt und wir das Raumschiff nicht immer weiter Abflachen wollen.
Wenn dem so ist, dann muss aber das Hitzeschutzschild pro Flächeneinheit immer mehr Energie absorbieren und könnte damit nicht mehr linear mit der Masse des Raumschiffs skalieren …
Im schlimmsten Fall kann es sein, dass man ein großes Raumschiff *gar nicht* mehr in einem Stück landen kann. Kennst du dich da aus, Bernd?
Vom Gefühl her würde ich annehmen, dass man am Ende eine Art umgekehrte Raketengleichung heraus bekommen könnte, nur mit einer Korrektur für die Energie die Plasma beim Wiedereintritt an die Umgebung abgibt und nicht an den Schild.
Was in jedem Fall geht, ist natürlich eine gegebene Masse in beliebig viele kleine Teile aufzuteilen. Also z.B. mit einem Raumschiff 30 Leute in den Orbit zu schicken, die dann mit 10 Sojuskapseln zurück kehren … die Frage ist nur, ob das mehr oder weniger Masse braucht als eine Landung „am Stück“.
Im Allgemeinen wird es um so günstiger je größer das Raumschiff wird, wie Du schon erkannt hast. Erfahrungswerte gibt es nicht, weil die Tendenz besteht bei größeren Raumschiffen ja mehr Raum jedem zur Verfügung zu stellen. (Der shuttle Nutzlastraum ist 18,3 m lang und hat 4,7 m Durchmesser – wäre es ein Flugzeug, dann würden dort sicher 22 Reihen mit 8 Sitzen befinden, oder 6 Siotze pro Reihebei zwei Etagen. Also 176-264 Personen – da wäre sogar das Shuttle preiswert.
Den Denkfehler den Du machst ist der dass Du annimmst das Hitzeschutzschild würde verbrennen. Es nimmt nicht die Orbitalenergie auf. Es verkohlt nur die oberste Schicht. Die Energie wird abgebaut über die Dauer der Reibung beim Eintritt und die tubulente Strömung. (Die Energie die darin steckt ist viel größer als die aufgenommene, würde man den ganzen Hitzeschutzschild verbrennen würde der nur einen Bruchteil der Energie aufnehmen welche das Raumschiff aufweist).
Je kleiner das Raumschiff ist, desto kürzer kann diese sein. So nahm die Belastung beim Wiedereintritt von Mercury zu Gemini ab, da der Bremsweg länger wurde. Beim Space shuttle ist sie noch geringer. Sicher hat diese Methode auch Grenzen, aber bei der dichten Erdatmosphäre kann man wirklich sehr große Elemente noch so wirksam abbremsen. Beim Mars ist das etwas problematischer, da müssen Hitzeschutzschilde schon ziemlich groß sein.
Danke für diesen Blog!
Mit Gemini verfügten die Amerikaner bereits vor über 40 Jahren über einen preiswerten und zuverlässigen Zugang in den LEO. Mit dem MOL Programm und der Big Gemini gab es auch Konzepte für die Zubringerflüge zu einer Raumstation. Wäre die NASA mit einer zeitgemäßen Weiterentwicklung dieses Konzeptes nicht besser dran als mit Ares / Orion, dessen Kosten jetzt schon höher kalkuliert werden als die für einen Space Shuttle Start?
Die Erkenntnis, die Du jetzt niedergeschrieben hast war einer der Gründe, weshalb ich Dich damals darum gebeten habe, einen Aufsatz über das Gemini Programm zu schreiben. Ich habe wirklich nicht erwartet, dass Du darauf hin gleich ein ganzes Buch darüber schreibst, und jetzt sogar noch ein zweites!
Kein zweites, sondern eine zweite Auflage, die um einiges dicker wird (derzeit 124 anstatt 68 Seiten). Ich denke nächste Woche macht sich das Manuskript auf Reise nach Florida.
UUPS
ich hatte hier Noch Sachen Über MOL und Lunar Gemini und Vorschlage
für Blue Gemini und Erweiterte Missionen für Gemini
Interesse ?