Unwörter
Es wird ja immer das „Unwort des Jahres“. Das letzte Jahr waren es die „notleidenden Banken“. Ich will mich mal nicht an der suche dessen beteiligen, aber besonders viele gibt es in der Politik. Immer dann wenn etwas komisch klingt, dann ist es meistens auch etwas faules.
Nehmen wir mal die „Abwrackprämie“, pardon, es soll ja „Umweltprämie“ heißen. Beides trifft es nicht. Warum soll ich eine Prämie bekommen wenn ich etwas für die Umwelt tue? Oder wenn ich etwas abwracke? Da sollte man ja schon mal hellwach werden. Ich hätte eigentlich mal vor, das wirklich wörtlichen nehmen sollen: Umweltprämie. Ich bilde mir ein, etwas ökologischer als der Rest der Bevölkerung zu leben. Ich habe kein Auto, lege alle kurzen Strecken zu Fuß oder per Rad zurück, längere per Bahn. Mein letzter Flug war mit 10. Das ist in Deutschland schon außergewöhnlich. Also sollte ich eigentlich doch auch eine Umweltprämie bekommen. Warum prämiert werden soll, wenn man eine Umweltbelastung durch eine neue ersetzt – darauf können nur Politiker kommen.
Noch besser ist „Wachstumsbeschleunigungsgestz“. Ist das nicht eine tolle Welt in der die Politiker leben? Die Wirtschaft kriselt. Die Arbeitslosenzahlen sinken und was machen die Politiker. Sie beschließen ein Gesetz, wie viele andere. Nur anstatt irgend eine Gebührenordnung oder eine Satzung, verdonnern sie einfach die Wirtschaft schneller zu wachsen! Ja so geht das. Also, das kann doch nur der Anfang sein. Wie wäre es als nächstes mit dem „Arbeitslosigkeitsabschaffungsgesetz“, dem „Schuldenrückganggesetz“, dem „Geburtenzuwachsgesetz“. einfach mal festlegen dass jede Frau 3 Kinder bekommen muss und schon läuft es!
Dann gibt es ja noch so viele nette Altlasten, wie „Mehrwertsteuer“. Da wird also der Mehrwert besteuert. Welchen Mehrwert? Muss ich nur Steuer bei hochwertigen Sachen zahlen oder Designerstücken? Oder nur bei 10 er Packungen, bei denen man umsonst eine Flasche dazu bekommt (den Mehrwert)?
Besonders lustig fand ich immer die Wortverrenkungen in kommunistischen Systemen. Weil dort nicht alles so heißen dürfte, wie es war oder für Dinge die im Westen normal sind, neue Tatbestände als Strafe eingeführt werden mussten gab es da einige Wortungetüme.
So lernte ich 1987 das Wort „Rowdytum“ als Tatbestand kennen. Wer nun an Demonstranten denkt, die sich mit der Polizei kloppen liegt falsch. Das war die Landung von Matthias Rust auf dem Kreml. So was wird als „Rowdytum“ bezeichnet.
In der DDR gab es dann noch den Tatbestand der „Republikflucht“. Also wenn man diesem Land den Rücken kehren will, ist das strafbar. In der BRD ist es nicht mal strafbar wenn man aus einem Gefängnis ausbricht! In der DDR gab es auch noch Paragraphen gegen „Menschenhandel“ (damit wurde Fluchthilfe bestraft) und gegen „ungesetzliche Verbindungsaufnahme“ (Kontakt zu Personen aus dem Westen).
Wichtig in der DDR war auch, dass es für alles ein Wort gab das mit „ismus“ endete und dass man der BRD unterstellen konnte: Faschismus, Kapitalismus, Monopolismus, Revisionismus, Revanchismus….
Vor allem aber die Umbenennung von Dingen, wie „antifaschistischer Schutzwall“ (hat seine Funktion voll erfüllt: Noch heute gibt es in den Bundesländern im Osten mehr Nazis als im Westen, er hat uns also wirksam vor den Nazis beschützt) oder Weihnachtsendfigur (mit Flügel: Engel, ohne Flügel: Nikolaus).
Meine Blogleser dürfen sich nun überlegen, was die DDR unter „konterrevolutionären Unruhen“ und „konterrevolutionärer Aufruhr“ verstand. Ein Tipp: Das Zitat stammt von 1989.
Ein eigenes Kapitel ist das Militär, das erstaunliche Bezeichnungen zur Verharmlosung einführen kann. Wie die vom Golfkrieg bekannte „chirurgische Kriegsführung“ – das eigentlich etwas positives – Chirurgen heilen schließlich Kranke – mit Krieg verbindet oder die Benennung von Waffen, damit sich niemand darunter vorstellen kann was es ist, wie die „Neutronenbombe“ – Eine Kernwaffe die alle Lebewesen tötet, aber die gesamte Infrastruktur intakt lässt. Man denke in diesem Zusammenhang auch an die Probleme der letzten beide Bundesregierungen den Krieg in Afghanistan auch als Krieg zu bezeichnen.
Was ist für Dich, Lieber Leser ein Unwort? Und was ist ein Kandidat für das Unwort des Jahrs 2009?
In Italien gab es einmal ein Gesetz, nachdem die Heuschrecken nicht mehr über die Felder herfallen sollten …
Abgesehen davon sollte man die Zeigefinger Richtung Innerdeutscher Mauer zumindest so lange einmal anderswohin zeigen lassen, bis an der Grenze zwischen den USA und Mexiko oder zwischen Afrika und Europa endlich wieder einmal in einem Zeitraum von 4 Jahren weniger Menschen sterben als in den 30 Jahren in denen an der Mauer Grenzsoldaten mit Schießbefehl standen. (2004 starben nach *offiziellen* Statistiken der USA 500 Menschen an der US-Mexikanischen Grenze. Die Dunkelziffer ist schlicht unbekannt.)
Es gab zum Tag des Mauerfalls eine ZDF Satire im Zweiten, leider sehr spät ausgestrahlt wo u.a. auch das Erfolgsmodell „Mauer“ in die ganze Welt exportiert wurde: Nach Israel, den USA ….
Es geht aber nicht um die Mauer, sondern dass sie nicht „Mauer“ heißen dürfte. Über Sinn und Unsinn von Mauern habe ich auch mal referiert – ist zwar bald 4 Jahre her aber immer noch aktuell:
http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2006/06/21/von-mauern/
Mein Favorit: „Gipfel-Minimalisten feilen am Klimakompromiss“ (Spiegel Online, 18.12.2009)
Meine Favoriten, vielleicht nicht nur für 2009 sondern eher allgemein:
Raubkopierer
rechtsfreier Raum
neuartige Rundfunkempfangsgeräte
Internetsperre
HD+