Die Suppe lügt!
Das ist der Titel eines Buches von Hans-Ulrich Grimm. Er taucht immer wieder in Talkshows oder anderen Verbrauchersendungen als „Verbraucheranwalt“ auf. Meines Erachtens zeigt er aber nur, dass man als Politikwissenschaftler (das hat er gelernt) nicht über Ernährung und Gesetze schreiben soll, obwohl seine Bücher sich wohl gut verkaufen, denn er prangert immer irgendwelche Methoden der Industrie an. Als ich ihn zuletzt im Fernsehen sah, hat er sich mit dem Chef des Verbandes für Fleischerzeugnisse gestritten. Seiner Ansicht nach dürfte ein Schinken der im Schwarzwald geräuchert, aber von Schweinen aus Norddeutschland stammt nicht „Schwarzwälder Schinken“ heißen. Das zeigt nicht nur eine Unkenntnis der Herstellung und Besonderheit des Produktes, sondern auch der Gesetze. Schlussendlich scheint er ein Feindbild zu haben, denn das die Unternehmen ja nur das ausnützen, was gesetzlich erlaubt ist ist normal. Anprangern sollte man (wie ich es tue), dass bei uns die Gesetzeslage immer lascher und verwirrender wird.
Doch in einem hat er recht: Die Suppe lügt tatsächlich. Ich will an dieser Stelle einmal ein Produkt eines Markenherstellers, der mit „M“ beginnt besprechen (sie können auch eines Hersteller, der mit „K“ beginnt nehmen oder ein Noname-Produkt, die Zusammensetzung wird fast die gleiche sein, doch dazu später mehr). Schauen wir uns erst mal das Zutatenverzeichnis an:
„Klare Rinds-Bouillon“: Der Name des Produktes
Jodsalz: Also der Hauptbestandteil ist nicht Fleisch oder Fleischextrakt, es ist Salz. Schon das sollte uns zu denken geben.
Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat, Dinatriumguanylat: Es gibt noch keinen Geschmack in der Zutatenliste, aber er wird schon verstärkt durch zwei Geschmacksverstärker für fleischartige Aromen. (bzw. nach neueren Erkenntnissen stellen sie selbst einen Geschmack dar, der „unami“ japanisch für „herzhaft“ bezeichnet wird.
pflanzliches Öl gehärtet: Kein tierisches Fett, kein Speck, dafür das billigere pflanzliche Öl, damit das Pulver pulverförmig und fest bleibt, ist es gehärtet.
Aroma (mit Weizen, Sellerie): Nun kommt die erste Aromakomponente, doch nicht Sellerieextrakt, sondern künstliches Aroma und „Weizen“ meint wohl angeröstetes Weizenmehl das extrahiert wurde.
Milchzucker: Füllstoff und leichte Geschmackabrundung
Fleischextrakt*: Nun, an sechster Stelle im Zutatenverzeichnis kommt der Fleischextrakt. Davon kann es nicht viel geben. Wie viel darüber informiert uns die Anmerkung zum Stern(*).
Hefeextrakt: Ist vom Wirkprinzip hier kein Lebensmittel sondern ein weiterer Geschmacksverstärker. Er besteht aus Aminosäuren und Purinen, die geschmacksverstärkend für Fleischaromen wirken.
Gewürze: Muss nicht kommentiert werden
karamellisierter Zucker: Bislang waren alle Bestandteile mehr oder weniger farblos oder nicht intensiv gefärbt. Der Verbraucher wünscht jedoch eine goldgelbe Brühe obwohl er nur einen Teelöffel Pulver zugibt, das erreicht man durch karamellisierten Zucker als natürlichem Farbstoff.
Kräuter: Zur Geschmacksabrundung, offensichtlich noch weniger als Gewürze in der Brühe enthalten.
Maltodextin: Wahrscheinlich der Trägerstoff für die Gewürze und Kräuter oder zur Geschmacksabrundng / Färbung
pflanzliches Öl: Da es hier nochmals kommt wahrscheinlich Trägerstoff für Aromen oder zur Einstellung der Konsistenz zugegeben
[Spuren: Eier, Senf]: Offensichtlich scheut der Hersteller sich vor einer korrekten Belehrung von Allergikern, wonach das ganze beginnen sollte „Allergikerhinweis kann Spuren von Eiern und Senf enthalten“. So wäre das schon ein Grund dies zu beanstanden
*335 mg/l, 50 % der Vorgabe gemäß EU-Beurteilungskriterien: Dazu später mehr
Nährwertkennzeichnung
Nährwerte pro 100 ml | |
---|---|
Brennwert: | 23 kJ = 6 kcal |
Eiweiß | 0,3 g |
Kohlenhydrate | 0,2 g |
Fett | 0,4 g |
Beurteilung
Nun man wird sicher nicht erwarten, dass eine Fleischbrühe, pardon „Rinds-Bouillon“ aus 100 % Fleisch und Gemüse besteht, wenn sie industriell hergestellt wird. Das kann der Verbraucher nicht im Ernst erwarten. Aber es ist hier schon arg weit gekommen. Fleisch taucht her erst an sechster Stelle auf. Gemüse überhaupt nicht. Stattdessen entdecke ich zweimal Geschmacksverstärker einmal natürlich und einmal synthetisch und Aromen. Mit Rindsbouillon hat nur noch der Fleischextrakt zu tun, dessen Menge man nur abschätzen kann, weil die Menge im Glas nirgends angegeben ist. Das ist leider erlaubt. Es ist erlaubt die Menge im verzehrsfähigem Produkt anzugeben, das heißt nun eben pro Liter. Da der Hauptbestandteil Salz ist, kann man auch schlecht unter- oder überdosieren außer man will eine fade oder übersalzene Suppe.
Wenn ich die Angabe von „einem leicht gehäuften Teelöffel in 250 ml Wasser“ mal mit 5 g pro 250 ml gleichsetze, so enthalten 100 ml rund 2 g Pulver. Bei den Nährwertangeben hat der Hersteller bewusst nur das genommen was ihm gefällt und sich nicht mal den GDA Angaben (die der Autor als verwirrend ablehnt) angeschlossen, da diese Natrium ausweisen. So kann man aber durch Differenzberechnung zu den 0,9 g an energieliefernden Bestandteilen leicht ausrechnen, dass 1,1 g pro 100 ml nur auf das Salz entfallen. Anders ausgedrückt: Rund die Hälfte der „Rinds Bouillon“ ist Salz. Wäre das leider nicht in allen Produkten so und erlaubt, man würde sicher von Betrug sprechen. Gesetzlich erlaubt ist Salz bis zu einem Anteil von 65 %.
Ein Besuch auf der Website des Herstellers für die Großpackung für die Gastronomie belehrt mich, dass dieser mit 1,6 g Pulver pro 100 ml rechnet und in der Tat 53,6 % Salz in dem Produkt sind – also gut geschätzt!
Nun interessiert den Verbraucher natürlich eines: Wie viel Fleisch ist drin? Nun Fleisch in dem Sinne ist gar keines drin, zumindest nicht in der Form wie sie es erwarten, also Fleisch das in einer Brühe ausgekocht wird. Es wird Fleischextrakt zugesetzt. Dieser entsteht wenn man Rindfleisch sehr fein zerkleinert und dann mit 90° heißem Wasser auslaugt. Dann wird das Fett abgeschieden und die Masse getrocknet. Fleischextrakt enthält freie Aminosäuren, Purine und Mineralstoffe. Obgleich maximal 4 % des Fleisches in Lösung gehen ist das noch deutlich mehr als wenn sie Fleisch selbst auskochen. Dieser echte oder „Liebigsche“ Fleischextrakt ist ein hochwertiges Produkt das in Argentinien noch hergestellt und auch zukaufen ist. Industriell wird das Kochwasser aufgearbeitet das bei der Herstellung Corned Beef entfällt oder andere Fleischabfälle ausgelaugt. Bei letzteren wicht dann die Zusammensetzung schon vom echten Fleischextrakt ab, da der Muskelfleischanteil dann deutlich geringer sein dürfte und dafür mehr Bindegewebseiweiß enthalten ist.
Die Angabe 335 mg/l bedeutet dass in einem Liter rund 335 mg Fleischextrakt vorhanden sind, in dem ganzen Gläschen (das 6 l Brühe entspricht) also rund 2 g Fleischextrakt. Zu dessen Herstellung wurden dann 80 g Frischfleisch verwendet, bzw. das Kochwasser von 80 g Corned-Beef oder der entsprechenden Menge Fleischabfällen. Das entspricht einem Anteil von rund 2,1 % im Produkt. Das ist recht wenig und es wird immer weniger, denn ich habe dasselbe Produkt vor einigen Jahren schon mal beurteilt, damals waren es noch doppelt so viel, rund 670 mg/l.
Es ist natürlich dass die Industrie sparen will. Echter Fleischextrakt aus magerem Rindfleisch hergestellt kostet pro 100 g im Einzelhandel rund 12,95 Euro. Die 2 g da drin entsprechen also maximal einem Wert von 26 ct. (Maximal, weil der Preis bei großen Mengen deutlich günstiger ist und der Fleischextrakt in der Bouillon garantiert nicht aus magerem Rindfleisch stammt sondern eher der Resteverwertung, was kein Nachteil sein muss es aber erheblich preiswerter macht).
Trotzdem muss man sich fragen, wann eigentlich die Irreführung anfängt. Es mag Industriebrauch sein, weil es seit Jahrzehnten so üblich ist eine Fleischbrühe aus Geschmacksverstärkern, Salz und Aromen zu bilden und mit etwas Gemüse, Kräuter und Fleischextrakt abzurunden. Doch was ist, wenn diese wertgebenden Substanzen immer weniger werden? Als ich 1999 eine Fleischsuppe (übrigens von einem Noname Hersteller) auseinandernahm fanden sich dort noch Gemüse, Petersilie und die doppelte Menge Fleischextrakt. Kann man die Rindbouillon noch so nennen, wenn nur noch die Halbe Menge drin ist?
Was ist mit den gesetzlichen Vorschriften über die Lebensmittelkennzeichnung die Mengen wertgebender Substanzen (hier Fleischextrakt) in Prozenten anzugeben? 335 mg/l ist keine Prozentangabe und sie ist auf das fertige Produkt bezogen anstatt auf das Pulver Weiterhin gibt es einen in der LMKV vorformulierten Text für die Kennzeichnung von allergischen Bestandteilen und dieser wurde hier nicht verwendet. Der Hersteller hat sich bewusst vor dem Wort „Allergie“ gedrückt. Man sieht hier gibt es zum einen Handlungsbedarf und zum anderen eine gewisse Betriebsblindheit haben und auch vor großen Konzernen gerne kuschen.
Das ganze gilt natürlich nicht nur für diesen Hersteller. Ich habe mir das Konkurrenzprodukt von „K“ angesehen, dass sich allerdings nur „Klare Delikatessbrühe“ nennet. Dort ist gar kein Fleischextrakt enthalten aber dafür Gemüse, nur bleibt der Hersteller auch hier die Menge schuldig. Eine Noname Fleischbrühe enthält Fleischextrakt und Gemüse, weist aber nur bei den Zwiebeln und der Sellerie den Gehalt (jeweils unter 1 %) aus. Auch hier keine Angabe der Menge an Fleischexktrakt.
Die Frage stellt sich: Ist das rechtens? Nun bei den „EU-Beurteilungsrichtlinien“ handelt es sich nicht wie man meinen könnte um eine EU-Richtlinie, dann wäre sie praktisch geltendes Recht. Es handelt sich um eine Vereinbarung der Suppenindustrie. der komplette Titel lautet „Europäische Beurteilungsmerkmale für Brühen (Bouillons) und Consommés = European Code of practice for bouillons and consommés“ Als Autoren werden genannt: „Suppenindustrie e.V., Reuterstrasse 151, 53113 Bonn“.
Das erklärte einiges. Zum einen kannte ich vorher keine Leitsätze oder Vorschriften über den Mindestgehalt von Fleischextrakt. Ich fand auch weder etwas in meiner alten Rechtssammlung auf Papier noch im Internet. In der Tat ist das kein rechtsverbindliches Dokument. Es ist eine freiwillige Vereinbarung der Industrie. Damit diese aber wirksam ist, muss sie auch von anderen am Lebensmittelverkehr Beteiligten akzeptiert werden: Den Verbraucherverbänden als Vertreter der Verbraucher und der gesetzliche Überwachung. Schlussendlich kann es nicht angehen, dass die Industrie einfach einen niedriger(en) Standard setzt und das dann einfach so gilt: Er gilt sicher irgendwann, wenn niemand sich dagegen wehrt.
Bei der Recherche stellte ich fest, dass zumindest in Bayern nach Herabsetzung der Mindestwerte auf die Hälfte im Jahre 2003 die Zahl der beanstandeten Proben von 25 auf 42 % zunahm. Inzwischen scheinen sich alle damit abgefunden zu haben und nur noch eine fehlende Deklaration des prozentualen Anteils an Fleischextrakt wird beanstandet. Das zeigt wie die Industrie praktisch die Standards niedriger setzen kann und damit durchkommt. Dabei ginge es auch anders: Der Konkurrent von „M“ der mit „K“ anfängt deklariert sein Produkt nur als „Delikatessbrühe“ – ohne Fleisch und es ist auch keines drin. Ich bezweifele dass der Anteil von 2 % auch noch viel zum Geschmack beiträgt. Das Produkt ist zwar nicht besser aber ehrlicher.
Dann hoffe ich mal, dass nach dieser Kritik weder M noch K ihre Anwälte losschicken. Ich wollte eigentlich nur mal erwähnen, dass ich zwar hauptsächlich wegen der Raumfahrtthemen hier vorbeischaue, aber auch die anderen Einträge gerne lese, insbesondere solche, die über Lebensmittel aufklären. Also bitte nicht von mangelnden Kommentaren entmutigen lassen!
M und K stehen da drüber, zumal sie ja wissen woraus ihre Produkte bestehen und nicht mit Selbstverständlichkeiten Werbung machen.
Bei anderen Herstellern sieht es anders aus, siehe
http://www.bernd-leitenberger.de/blog/2009/07/10/die-geschaeftgebahren-eines-wurstherstellers/
Aber auch der hat inzwischen seinen Spot geändert und nix mehr von sich hören lassen. Wahrscheinlich hat er auch von der Lebensmittelüberwachung auf die Mütze bekommenn.