Bernd Leitenbergers Blog

Wer braucht die Ariane 6?

Beim Recherchieren für das Buch über die Ariane + Vega bin ich über Pläne für eine Ariane 6 gestolpert. Nicht zum ersten Mal, das fiel mir schon vor einem Jahr auf. Nur habe ich es damals als eine der vielen Wunschprojekte der Raumfahrtindustrie abgetan, die immer wieder Vorschläge macht, die nicht unbedingt dann auch umgesetzt werden müssen. Wie ich aber dann den Nachrichten entnommen habe soll Sarkozy Merkel tatsächlich zu einem Ja zur Ariane 5 bekommen haben und damit zu einer Vorlage beim nächsten ESA Ministerratstreffen. 500 Millionen Euro bekommt die CNES dafür.

Bevor sie jubeln: Die Ariane 6 ist eine Rakete die nicht mehr kann als die Ariane 5. Es gibt mehrere Vorschläge, alle mit einer kryogenen Oberstufe und mehreren kleinen Feststoffboostern, aber unterschiedlichen Zentralstufen (fest, LOX/LH2, LOX/LNG). Nutzlast: 3000-8000 kg.

Da frage ich mich natürlich zweierlei Dinge: Erstens warum soll 2011 der Ausbau der Ariane 5 auf 11,2 t Doppelstartkapazität beschlossen werden und gleichzeitig die Neuentwicklung einer Rakete mit der halben Einzelstartkapazität? Und: Warum ist die ESA die einzige Nation deren Raketen kleiner werden?

Zum zweiten: Ich keine keinen Fall bei dem eine neue Rakete weniger konnte als das Vorgängermodell. Sowohl was den Ausbau eines Trägers angeht wie auch das Ersetzen eines alten durch einen neuen. Egal ob man nun die lange Geschichte der Erweiterung von Delta, Atlas oder Titan nimmt oder neue Typen die alte ersetzen – immer will man mehr Nutzlast befördern weil diese schwerer werden. Auch jetzt werden noch mit der Angara und Langer Marsch 5 Raketen entwickelt die in die Leistungsklasse der Ariane 5 vorstoßen.

Nun kann ein Antrieb sein, dass Kommunikationssatelliten vielleicht jetzt eine Größe erreicht haben die konstant bleibt – seit ein paar Jahren bleiben die größten Exemplare im 6-7 t Bereich und das Groß eher beim 4-6 t Bereich. Es spricht viel dafür dass dies so bleiben wird: Schon heute bestehen manche Exemplare zu zwei Dritteln nur aus Treibstoff und Ionentriebwerke versprechen diesen Anteil wieder zu senken und zum zweiten sind die Nutzbaren Funkfrequenzen begrenzt: Viel mehr Transponder können heute nicht mehr untergebracht werden, weil die Frequenzen knapp werden. Neue Anwendungen für weniger Transponder aber höhere Sendeleistung (und damit höheres Gewicht) scheinen auch nicht am Horizont zu sein.

So kann die ESA vielleicht auf die Idee kommen, eine Trägerrakete die nur einen Satelliten transportiert wäre günstiger im Betrieb. Nur: Die Entwicklungskosten muss die ESA zahlen. Von den niedrigeren Betriebskosten profitiert sie nur marginal. Nun ist es sicher so, dass sich in den letzten 10-15 Jahren der Markt für Kommunikationssatelliten gravierend geändert hat. Zum einen werden deutlich weniger gestartet – etwa 200-25 anstatt 30-40 Ende der neunziger Jahre. Auch hat sich die Konkurrenz geändert: Ariane 5 ist das einzige westliche Modell das noch auf dem Markt vertreten ist. Atlas und Delta haben sich zurückgezogen.

Ich glaube unter dieser Prämisse wird ein neues Modell keine Vorteile für die ESA bringen. Selbst wenn es billiger produziert werden kann: Es dürfte klar sein, dass Russland oder China ihre Startpreise immer so legen werden, dass sie niedriger als die von Arianespace sind. Dann würde eine Ariane 6 nur hohe Investitionen bedeuten ohne das etwas gewonnen ist. Weiterhin: Die niedrigeren Produktionskosten wurden uns ja schon versprochen: Erst für Ariane 5, dann für das Großlos PA – in Wirklichkeit sanken sie kaum, die Produktion musste bezuschusst werden. Wer sagt dass es beim neuen Modell besser wird? Vielleicht – meine Prognose – wird es genauso wie jetzt werden. Ich sehe nämlich einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bildung des Konzerns Astrium und zahlreichen Kostenüberschreitungen bei europäischen Projekten. Auch das ATV wurde doppelt so teuer wie geplant. Vielleicht kosten die Verwaltungsstrukturen, die entstehende Bürokratie und fehlende Konkurrenz enorm viel Geld. Dann wäre auch mit einem neuen Modell nichts gewonnen.

Es kann nun sein, dass Ariane 5 das Problem bekommt Doppelstart durchführen zu können – bei weniger Satelliten durchaus denkbar, dass die Firma nicht eine zweite Nutzlast findet. Dann denke ich aber ist es sinnvoller damit zu leben und eben auf Marktanteile zu verzichten anstatt ein neues Modell zu entwickeln, bei dem bei der Ausgangsituation dass die Konkurrenz in Niedriglohnländern produziert, kein Erfolg beschieden ist. Ariane 5 sollte den europäischen Zugang zum Weltraum gewährleisten. Das tut sie und dafür braucht man keinen Ersatz. Wenn es um kommerzielle Anteile geht, dann sollte auch die Industrie die Entwcklungskosten mitfinanzieren um ein Eigeninteresse am Erfolg zu haben.

Vor allem eines ist ärgerlich: Seit 2003 steht die ESC-B Entwicklung. Sie sollte knapp 700 Millionen Euro unter 2001 Konditionen kosten. Nun gibt es eine 157 Millionen Euro Spritze für die Phase B Entwicklung mit der Hoffnung 2011 dann sie endgültig anzugehen und gleichzeitig schüttelt man 500 Millionen für eine Ariane 6 aus dem Ärmel! Hallo? Gehts noch? Warum nicht die 500 Millionen gleich auf die ESC-B draufpacken und endgültig angehen und sie vielleicht 1-2 Jahre früher zur Verfügung haben? Wo bleibt denn da der (Sach)verstand?

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