Bernd Leitenbergers Blog

Der Stillstand in der Raumfahrt

Ich kaufe mir gerne bei Amazon auf Marketplace alte Raumfahrtbücher. Sie sind meist billig und vieles über alte Programme findet man alten Büchern. Aber man bekommt auch einen Einblick in die Zeit. Was jedem auffällt: wer Bücher aus der Ende der sechziger liest ist der enorme Optimismus. Eine bemannte Marlandung bis 1986 sollte möglich sein. Verwirklicht mit nuklearen und Ionentriebwerken. Ich habe das schon einmal thematisiert. Ein Grund war eine lineare Prognose der Entwicklung von 1958 bis 1968. Vergleicht man den Sprung bei den Trägerkapazitäten dem Erreichten bei der bemannten und unbemannten Raumfahrt.

Aber es gibt auch einen anderen Grund: Damals wurde viel mehr neues entwickelt. Schauen wir uns die Antriebstechnologie an. Die USA haben von 1958-1972 in Angriff genommen:

Im nächsten Jahrzehnt kam dann noch das Staged Combustion Prinzip dazu. Seitdem ist es still geworden – neue Treibstoffkombinationen, Hybride Treibstoffe das alles wurde nicht angegangen. Auch die Entwicklungen bei Ionentriebwerken blieb beim Stand der sechziger Jahre stehen. Das nukleare Triebwerke nicht weiter verfolgt werden verwundert nicht wobei die Einstellung allerdings noch in den Zeiten erfolgte als man bedenkenlos an die Kernenergie glaubte.

Auch in anderen Aspekten war die Raumfahrt up-to-date. Brennstoffzellen, kaum erfunden wurden in Gemini eingesetzt. Kaum war die integrierte Schaltung erfunden fand sie ihren Einsatz im Apollo Computer – er war zwar technisch 1969 schon veraltet – kein Wunder bei der schon damals schnellen Weiterentwicklung der Computertechnik, aber immer noch unübertroffen in Abmessungen und Stromverbrauch.

Zeitsprung: Wie sieht es heute aus? Die ESA setzt als Computer eine weltraumtaugliche Version eines Sun Prozessors von 1987 ein. Ionentriebwerke sind immer noch ein Nischenprodukt. Raumsonden werden wie in den sechziger Jahren über Kommandos gesteuert. Während sich die Hardware von Satelliten und Raumsonden kaum geändert haben gab es aber an anderer Seite enorme Fortschritte: Bei den Instrumenten. Diese an Universitätsinstituten entwickelten Experimente haben sich enorm weiterentwickelt. Man vergleiche nur die Aufnahmen von Mariner 6+7 mit denen des MRO.

Eine ketzerische Frage: Könnte daran das System verantwortlich sein? Wernher von Braun hatte im US-Weltraumprogramm eine Sonderstellung inne. Nicht nur aufgrund seines Charisma und Managements: Er schaffte es auch dass die Saturn Träger in Huntsville entwickelt wurden und die Produktion in der Industrie. Das war ein Winner-Winner Spiel: Die NASA hatte die Erkenntnisse und die Industrie. Schon damals lief es anders: Die NASA schrieb einen Auftrag aus und wählte aus den Angeboten einen Industriekontraktor aus. Das ist an und für sich kein schlechtes System: Wenn es um die Produktion geht. Also wenn das US Verteidigungsministerium einen neuen Jäger braucht vergibt sie einen Auftrag an Northrop, Lockheed & Co und dann werden 100, 200 oder noch mehr Flugzeuge produziert.

Das Problem: Bei Raumfahrt ist jedes Raumfahrzeug ein Unikat. Und hier läuft es anders. Die Raumfahrtagentur bezahlt nicht für eine Produktion, die eine Entwicklung notwendig macht, sondern für eine Entwicklung bei der am Ende ein flugfähiger Prototyp steht. Das hat Folgen. Als erstes wird der Industriebetrieb bestrebt sein, seinen Gewinn zu maximieren. Das geht bei Neuentwicklungen damit dass sie maximal komplex sind und wenn das nicht vom Kunden gewünscht ist möglichst alles verwendet wird, was schon existiert und nichts neues entwickelt. Das führt dann zu solchen Konstellationen wie beim ATV: Die ESA will einen Transporter der automatisch koppeln kann und zahlt für die Entwicklung des Kopplungssystem. Super! Also dann entwickeln wir mal gleich drei Systeme dafür! (GPS, Videometer, Telegoniometer) und weil es sicher sein soll sind die Systeme redundant, die Rechner dreifach redundant und durch einen zweiten Rechner mit eigener Software abgesichert und die Triebwerke dreifach redundant. Das die Progress es seit 30 Jahren mit nur einem System schafft ist da wurst. Die Hardware ist aber dann doch abgehangen um Kosten zu sparen – Prozessoren auf der SPARC V7 Architektur.

Wenn Raumfahrtfirmen dass Problem haben das Kommunikationssatelliten länger arbeiten sollen dann vergrößern sie einfach den Treibstoffvorrat anstatt Ionentriebwerke einzuführen – vielleichte rst mal als Backupsystem und dann mit mehr Erfahrung als Ersatzantrieb. So werden diese immer schwerer und brauchen größere Träger. Oder es wird die ESC-A Stufe konstruiert – massiv, billig egal ob es 1,5 t Nutzlast kostet. Dafür zahlt die ESA ja nochmals Geld für die ESC-B um genau diese 1,5 t Nutzlast mehr zu bekommen. Dafür wird die ESC-B um sie möglichst billig zu bekommen natürlich das dieselbe Design wie die ESC-A einsetzen. Super, das ist wie wenn man in einen Laster einen Hochleistungsmotor ein und befestigt dann Bleiplatten im Laderaum.

Es ist in den letzten Jahren schlimmer geworden, auch weil die Raumfahrtbehörden immer weniger Firmen haben die in Konkurrenz stehen. In Europa hat die ESA bei der Trägerentwicklung keine Alternative mehr – Es gibt nur noch EADS. Bei Satelliten gibt es wenigstens noch ein paar andere Firmen. Schlimmer noch: Die Raumfahrtbehörden verlieren an eigener Kompetenz. Die NASA hat schon die Wartung des Space Shuttles privatisiert. Bei der Recherche für das Buch über Ariane bekam ich von der DLR die Antwort, Daten die ich gerne hätte, könnte man mir nicht geben weil es zu aufwendig wäre alle herauszuschreiben und alle Dokumente geistiges Eigentum von Astrium sind. Der Steuerzahler zahlt also für Entwicklungen und die Ergebnisse gehören dann den Firmen. Super gemacht!

Ich denke der Staat sollte wieder selbst die Entwicklung in Angriff nehmen. Vorbild sollten die Hochschulen sein, die ja schon heute die Experimente entwickeln und die rapide Entwicklung die diese durchmacht wird. Dort wird noch geforscht und Technologie entwickelt. Es gibt keine pekuniären Interessen etwas künstlich zu verteuern. Verglichen mit Raumfahrtfirmen sind heute staatliche Stellen ja noch richtig schlank und haben noch nicht eine Belegschaft die vorwiegend aus unproduktiven Berufen wie Betriebswirtschaftlern und Juristen besteht. Es ist Zeit das Modell von Wernher von braun aufzugreifen. Staatliche Stellen sollten selbst ihre Hardware entwickeln. Wenn es um eine Serienproduktion geht, dann sollte die Sache an die Industrie gegeben werden. So kann man bei Satellitenkleinserien für Erdbeobachtungssatelliten und Raketen verfahren. Eventuell bringt das die Raumfahrtindustrie auch wieder in Schwung wenn sie dann mit dem Staat konkurriert und neue kreative Konzepte werden erarbeitet – oder sie kommen auf Wege etwas gleich gut aber günstiger zu produzieren.

Noch etwas zu dem Super-Argument das bei jedem die Intelligenz abschaltet: Den Arbeitsplätzen. Ein Arbeitsplatz in einer staatlichen Stelle ist billiger als in der Industrie, wo ein Produktivarbeitsplatz eines Ingenieurs oder Arbeiters noch die Juristen, Betriebswirtschaftler, Marketing Leute mitfinanziert und dann noch die Prämien für Aktionäre und Management herauskommen müssen. An Universitäten gibt es einen kleinen Staab von festen Angestellten und viele die dort forschen, ihre Diplom und Doktorarbeit machen und an einem Projekt abreiten. Sie gehen dann weg, sind Spezialisten und gut ausgebildet. Viele gründen dann ihr eigenes Spin-Up. Auch in der DLR laufen sehr viele Forschungsaufgaben in der dann Universitätsabsolventen für einige Jahre an einem Projektarbeiten und sich weiter qualifizieren. In der Summe entstehen so mehr qualifizierte Arbeitsplätze als derzeit in den Raumfahrtfirmen. Die lassen sich gerne auch einen doppelwandigen Aluminiumzylinder mit 100 Millionen Euro bezahlen. Das ist keine technisch hochstehende Aufgabe, es ist nur teuer.

Vielleicht greife ich an dieser Stelle mal einige Beispiele für die Raumfahrt VEB die wir heute praktisch haben (hohe Kosten, Null Produktivität) auf.

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