Bernd Leitenbergers Blog

Nein zu Russland!

Ich mache mir gerne Ideen unter der Überschrift „Was wäre wenn“ — also Ideen, was technisch möglich wäre, gestützt auf schon existierende Erfahrungen oder vorhandene Hardware. Das animiert den einen oder anderen, auch so zu verfahren und ich bekomme Ideen oder Pläne zugeschickt, wie man dieses oder jenes besser machen könnte. So ziemlich das häufigste dabei ist das Ersetzen der Ariane 5 Booster durch russische Erststufen oder Stufen mit russischen Triebwerken wie dem RD-0120. Ich bin da immer sehr skeptisch. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen, was wie viel bei der Fertigung einer Ariane 5 kostet, aber aus dem Anteil von MT Aerospace, welche für knapp 10 % Beteiligung am Programm nicht nur die Boosterhüllen, sondern auch Tankdome und andere Teile fertigen kann man ableiten, dass die Booster nur etwa 20-30 % des Trägerpreises ausmachen. Unter der Prämisse muss ein Ersatz schon sehr leistungsfähig oder billig sein.

Aber ich habe auch noch zwei andere Gründe. Das eine sind die Arbeitsplätze. Ich bin ja nicht gegen Raumfahrtkonzerne an sich, sondern denke, dass sie bei der industriellen Produktion ihre Stärke ausspielen können – die Erfahrung diese optimal zu gestalten und preislich zu optimieren. Daher sollte eine europäische Rakete auch in Europa produziert werden. Was allerdings nicht sein muss ist das bei Ariane 5 eingezogene Schema, das jede Leistungssteigerung gleich eine Neuentwicklung notwendig macht wie das Vulcain 2 oder Vinci. Es wäre durchaus auch Spielraum die vorhandenen Triebwerke und andere Ressourcen sinnvoll zu kombinieren wie dies bei der Ariane 4 geschah. Diese „jetzt entwickeln wir was neues“ Mentalität ist auch ein Punkt der mich bei den Ariane 6 Plänen so stört. Sicher Ariane 5 ist nun 25 Jahre alt, wenn man die Designphase dazu nimmt – na und? Sie ist technisch noch immer auf der Höhe der Zeit und viele US Träger und die meisten russischen Träger sind noch viel länger in Dienst! Die als Alternativen dargestellten russischen Triebwerke sind auch nicht jünger als das Vulcain.

Es gibt aber auch einen handfesten wirtschaftlichen Grund nicht russische Triebwerke oder andere Teile aus Russland zu beziehen. Die Teile sind ja nicht per se preiswert (über die Performance müssen wir kein Wort verlieren, die ist aufgrund jahrzehnterlanger Weiterentwicklung meistens Top). Sie werden nur so lange preiswert angeboten bis man von Ihnen abhängig ist. Ich möchte das an ein paar Beispiel verdeutlichen:

Die Atlas III und V sollten dank des RD-180 deutlich preiswerter werden. Das Triebwerk ist die wesentliche Neuerung, die Centaur wurde kaum verändert. Doch dem war nicht so: Die Kosten explodierten innerhalb weniger Jahre und haben sich heute auf einem hohen Stand eingependelt. Das kostete Lockheed-Martin massiv Marktanteile.

Die Proton, die zusammen mit der Atlas von ILS angeboten wurde blieb immer etwas billiger als die Atlas und bekam so mehr Aufträge. Vorstöße von Lockheed-Martin den Proton Startpreis um 10-.15 % anzuheben wurden von Chrunitschew abgelehnt und führten dazu, das LM seine Anteile an ILS verkaufte – kaum war nun die Atlas nicht Bestandteil des ILS Sortiments wurden die Startpreise der Proton massiv erhöht.

Solange die Sojus nur ein Transporter zur ISS war, waren sie und die Progress recht preiswert. Sobald dem nicht mehr so ist wurde sie echt teuer. Für 12 Sitze von 2009-2011 zahlt die NASA insgesamt 700 Millionen Dollar, also fast 60 Millionen pro Astronaut, Wenn die nächste Verhandlungsrunde ansteht werden sie wohl noch teurer, denn es gibt ja auf absehbare Zeit keine Alternative zur Sojus. Die ISS Transporte machen im aktuellen russischen Raumfahrtprogramm rund 40 % der Einnahmen aus.

Nun lese ich dass 14 Sojus Raketen Arianespace 1 Milliarde Dollar kosten sollen. Das sind 71 Millionen pro Träger. Zum Vergleich: Von Baikonur aus kostete der Start für den Kunden (nicht nur der Träger) rund 40 Millionen, vom CSG aus waren 50 Millionen vorgesehen. So wird der Start sicher nicht unter 80 Millionen zu haben sein, das bedeutet er ist sogar noch pro Kilogramm Nutzlast teuer als eine Ariane 5, die ja Ende des Jahres 10 t Nutzlast erreicht – das 3,3 fache der Sojus. Was mich dabei fuchsteufelswild macht: Für de Errichtung der Startplattform zahlte die ESA 2/3 der Kosten. Bei solchen Preissteigerungen, sobald man einen attraktiven Standort hat, da sollte man sofort die 223 Millionen Euro von der ESA von der Milliarde abziehen.

Diese Beispiele machen klar: Russland ist nur so lange preiswert, solange es Konkurrenz gibt. Warum auch nicht? In den letzten Jahrzehnten hat man auch dort erkannt was Marktwirtschaft und Monopole sind. Daher sehe ich auch keinen Preisvorteil russische Triebwerke oder Stufen einzustzen und genauso gut kann man dann europäische Entwicklungen einsetzen.

Links:

http://www.kommersant.com/p757815/r_500/Roscosmos_NASA_Soyuz_International_Space_Station/

http://www.space-travel.com/reports/France_To_Pay_Russia_One_Billion_For_14_Soyuz_Carrier_Rockets_999.html

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