Chemischer Antrieb und Ionentriebwerke – Ein Vergleich

Der eine oder andere hat es vielleicht schon gemerkt: Ich bin ein Fan von Ionentriebwerken. Sie erlauben es den Treibstoffverbrauch radikal zu reduzieren wenn man erst einmal eine Erdumlaufbahn erreicht hat. Ich habe mir heute mal eine Beispielsrechnung ausgedacht wo ich beide Konzepte – chemischer und Ionenantrieb vergleichen will. Es soll nicht um eine konkrete Mission gehen, sondern ein grundlegendes Rechenbeispiel.

Damit man beides Vergleichen kann, muss man die Bedingungen festklopfen. Die Mission soll eine hypothetische Raumsonde sein. Sie fliegt von der Erde zum Mars. Gelangt dort in eine Umlaufbahn, passt diese zuerst so an, dass sie Phobos erreicht, dann setzt sie dort einen Lander aus, der Bodenproben entnimmt und fliegt dann zu Deimos, wiederholt dort das Spiel und fliegt mit den Bodenproben zurück zur Erde. Eine Abbremsung in einen Orbit um die Erde ist nicht vorgesehen.

Die Sonde mit dem chemischen Antrieb gibt die Bedingungen vor. Sie soll mit einer Sojus 2 gestartet werden (Startgewicht: 1.600 kg zum Mars). Die wichtigste Rahmenbedingung, die die Sonde mit chemischen Antrieb vorgeben kann, ist die Reisedauer: Bei chemischen Antrieben liegt sie aufgrund der Himmelsmechanik fest: Der Rückstart muss 1 Marsjahr nach dem Start erfolgen. Zusammen mit der Reisedauer in einer Hohmannbahn kommt man so auf eine Gesamtreisedauer von 32-34 Monaten. Bei Ionentriebwerken kann man in Maßen Gewicht durch längere Reisedauern erkaufen. Daher soll am Mars jeweils bei Deimos und Phobos eine minimale Aufenthaltsdauer von 3 Monaten möglich sein.

Zur Vereinfachung der Rechnung sollen die Manöver bei Phobos und Deimos nicht einbezogen werden, auch soll die zusätzlich mitgeführte Nutzlast (Bodenproben) und der Verbrauch an Treibstoff zur Landung genau entsprechen.  Aerobraking, sofern möglich wird genutzt (in meiner Rechnung habe ich das aber nur bei dem chemischen Antrieb gemacht, da Ionentriebwerke nicht so lange brauchen wie das Aerobraking dauern würde.

Chemischer Antrieb

Beim Mars muss um 800 m/s abgebremst werden um eine elliptische Übergangsbahn zu erreichen. Diese wird dann durch Aerobraking abgebremst bis ein 200 x 6000 km Orbit erreicht ist (Umlaufbahn von Phobos). dann wird chemisch der marsfernste Punkt angehoben. Es folgt eine Beobachtung von Phobos und danach eine Wechsel auf einen 20.000 km hohen Orbit von Deimos (im Zweiimpulstransfer). Von dort aus kehrt die Sonde dann zurück zur Erde. Das führt zu folgender Geschwindigkeitsbilanz in Hohmann Bahnen (mittlere Marsentfernung von 227 Millionen km angenommen)

Bahn Geschwindigkeitsänderung
interplanetar -> Mars 800 m/s
Aerobraking 200 x 79.000 km ? 200 x 6.000 km
200 x 6.000 km ? 6.300 km kreisförmig 556 m/s
6.300 km kreisförmig ? 6.300 km x 20.000 km 395 m/s
6.300 km x 20.000 km ? 20.000 km kreisförmig 318 m/s
20.000 km kreisförmig ? Fluchtkurs zur Erde 1915 m/s
Summe: 3.984 m/s

Wenn beim chemischen Antrieb von einem Voll/Leermasseverhältnis von 7 und einem spezifischen Impuls von 3.180 m/s (typische Werte für Satellitenantriebe) ausgegangen wird, dann kommen noch 457 kg bei der Erde an, von denen 190 kg auf den Antrieb entfallen. Also nur noch 267 kg für die Nutzlast entfallen. Selbst bei einer zweistufigen Lösung (die zweite Stufe führt die Rückkehr vom Mars aus durch) wären es nur 334 kg.

Ionenantrieb

Auch hier einige Nebenbedingungen. Ich habe als Energieversorgung Solarkonzentratorarrays mit einer Leistungsdichte von 180 W/kg gewählt. Von diesen existieren Prototypen. Das gewählte Triebwerk ist das RIT-XT. Zu den Triebwerken sollen noch 200 kg für Strukturen, Spannungswandler etc. kommen. Das Voll/Leermasseverhältnis der Hochdrucktanks für das Xenon soll 7 zu 1 betragen. Die aufzubringende Geschwindigkeit ist deutlich höher als beim chemischen Antrieb. Beim herauf spiralen aus der Erdumlaufbahn (Ausgangshöhe: 500 km) habe ich als Ansatzpunkt „Hohmann + 20 %“ genommen. Bei den Umlaufbahnen zum Mars, beim Mars und zurück jeweils die Geschwindigkeitsdifferenzen der Bahnen.

Bahn Geschwindigkeitsänderung
Erde 500 km ? Sonnenumlaufbahn 3.784 m/s
Sonnenumlaufbahn ? Marstransferbahn 2.918 m/s
Marstransferbahn ? Mars 200 x 79.000 km 2.730 m/s
200 x 79.000 km ? 6.300 km kreisförmig 1.398 m/s
6.300 km kreisförmig ? 20.000 km kreisförmig 759 m/s
20.000 km kreisförmig ? Fluchtkurs zur Erde 2.627 m/s
Summe: 14.266 m/s

Das sieht auf den ersten Blick wesentlich schlechter aus. Selbst wenn als Trost uns eine Sojus 2 nun 8.000 kg in eine 500 km hohe äquatoriale Kreisbahn absetzt. Abzüglich der beiden Hohmannbahnen (mit jeweils 8 Monaten Flugzeit) und 6 Monaten an den Monden bleiben so insgesamt 12 Monaten für Flugmanöver mit dem Ionentriebwerk. Ich habe ein bisschen mit den Zahlen gespielt und hier die Ausgabe meines Programms für die Berechnung:

Ionentriebwerk:
Spezifischer Impuls: 44130 m/s
Stromverbrauch 5000 W
Schub 0,15 N
Wirkungsgrad 66 Prozent
Gewicht eines Triebwerks 7 kg
Treibstoffverbrauch 3,4 mg
Gewichtsbilanz:
Strukturgewicht: 200 kg
Treibstoff: 2163 kg
Tankgewicht: 361 kg
Triebwerkszahl 33
Triebwerksgewicht: 231 kg
Nutzlast: 4000 kg
Startgewicht: 7855 kg
Solargenerator:
Leistung: 180 W/kg
Gewicht: 900 kg
Mittlere Distanz zur Sonne: 227,0 Mill km
Leistung bei der Distanz 78 W/kg
Bahndaten:
Geschwindigkeit um die Erde zu verlassen: 6702 m/s
Geschwindigkeit um zum Planeten zu gelangen: 7516 m/s
Gesamte Geschwindigkeit: 14218 m/s
Gesamte Reisedauer: 355 Tage
Davon in der Erdumlaufbahn (12 h/d) 228 Tage
Davon in der Sonnenumlaufbahn (24 h/d) 127 Tage

Die wichtigste Angabe ist die Nutzlast: 4.000 kg. So viel kommt noch bei der Erde an! Selbst wenn man das Solar Array von Dawn nimmt (80 W/m²) sind es noch 3.200 kg. Das bedeutet dass man eine Leistungssteigerung um den Faktor 10-15 gegenüber dem chemischen Antrieb hat, oder man auf eine kleinere Trägerrakete bei gleicher Nutzlast ausweichen könnte: Für SpaceX Fans: Eine Falcon 1e müsste vollkommen ausreichen.

Ich gebe zu, das ist eine Idealkonfiguration, da sie praktisch nur mittels Ionenantrieb zurückgelegt werden kann. Bei einer Mars Sampling and Return Mission geht das schon nicht mehr. Vom Mars kommt man nur mit chemischen Antrieb weg und wegen der abnehmenden Effizienz im äußeren Sonnensystem wird man auch bei den äußeren Planeten zum Einschwenken in den Orbit nicht auf den chemischen Antrieb verzichten können. Es zeigt aber das Potential – wenn dies nicht schon Dawn derzeit macht. Leider wurde die Sonde noch konventionell auf eine Fluchtbahn gebracht: Genauso gut hätte sie sich auch von einem 500-700 km hohen Orbit hinauf spiralen können. Doch da die Amis keine preiswerte Alternative im Nutzlastbereich unter der Delta hatten, stand dies wohl nie zur Disposition. Meine Meinung nach sollte es von einer Erdumlaufbahn ausgehen. Schon beim Erreichen der Fluchtbahn geht die Nutzlast bei fast allen Trägern auf Werte von einem Drittel bis einem Virtel derer für eine erdnahe Umlaufbahn zurück. Das es machbar ist bewies Smart-1 – Nachahmung wird empfohlen!

One thought on “Chemischer Antrieb und Ionentriebwerke – Ein Vergleich

  1. ich mag auch Ionentriebwerk

    ich wurde gerne für Sonden in Äußere Sonnensystem verwenden sehen.
    besonders für Saturn Uranus Neptun und Kuiper-Gürtel Missionen.
    vergleich rein chemisch zu Saturn 7 Jahre (Cassini)
    mit Ionentriebwerk (und Jupiter fly-by) unter 3 Jahre
    durch die Lange Strecke kann das Ionentriebwerk seine Vorteil voll ausnutzen
    und über lange Betriebszeit arbeiten

    leider Benötig die Sonde einen Atomreaktor zu Energieversorgung
    Weil die Sonde zu weit von der Sonne befindet
    der Vorteil ist aber das am ziel die Messinstrumente menge Energie hat.
    (RTGs bringen nicht genug Energie für Ionentriebwerk betreib)

    NASA hatte Jupiter Icy Moons Orbiter (JIMO) was Ähnliches
    http://de.wikipedia.org/wiki/Jupiter_Icy_Moons_Orbiter
    doch passierte das übliche spiel:
    Budget Kürzung, Proteste von Antiatomkraft Gegner…

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