Die Progress (Teil 2)

Progress (erste Generation)

Es gibt mehrere Generationen von Progress-Transportern. Die erste Generation wurde von 1978-1990 eingesetzt und diente zur Versorgung der Saljut 6, 7 und Mir. Diese Transporter hatten eine aktive Betriebsdauer von lediglich drei Tagen und konnten maximal einen Monat angedockt an der Raumstation bleiben. Die aktive Betriebsdauer ist die Zeit vom Start bis zur Ankopplung und vom Abkoppeln bis zum Verglühen. Insgesamt 43 Raumschiffe dieser Serie wurden von 1978-1990 gestartet.

Die ersten Progress-Raumschiffe wurden mit Batterien betrieben, die eine Kapazität von 50 kWh aufwiesen. Der durchschnittliche Verbrauch betrug 500 W. Daraus ergab sich die Begrenzung der Betriebsdauer auf wenige Tage.

Das Servicemodul setzte noch ein Triebwerk vom Typ KTDU-53 mit 4,03 kN Schub ein, das mit der Treibstoffkombination Salpetersäure/Hydrazin arbeitete. Die erste Generation hatte rund 500 kg Treibstoff für eigene Bahnmanöver an Bord, der spezifische Impuls war mit 2765 m/s geringer als bei den folgenden Generationen. Damit war nur die Versorgung der Saljut und Mir mit Treibstoff möglich, nicht aber ein Reboost der Station mit dem Frachter. Die Ankopplung erfolgte gesteuert durch das Igla System.

Progress M

Die Progress M-Transporter der zweiten Generation verfügten über zwei Solarpanel zur Stromversorgung. Die Panels waren leichter als die Batterien. Dadurch stieg auch die Lebensdauer auf 180 Tage an. Modernisiert (dafür steht die Abkürzung „M“) wurde die Steuerung. Das Flugkontrollsystem „Kurs“ ersetzte das Igla Kontrollsystem. Das neue Haupttriebwerk KTDU-80 hatte nur noch 3,942 kN Schub. Es war aber leichter und setzte die moderne Treibstoffmischung UDMH/NTO ein. Der interne Treibstoffvorrat wurde auf 900 kg erhöht. Zusammen mit dem höheren spezifischen Impuls von 2991 m/s konnten die Progress M erstmals die Bahn der Mir anheben. Für die Versorgung dieser Raumstation wurden die Progress M entwickelt.

Eine Reihe von Progress M wurde auch mit einer Rückkehrkapsel ausgestattet, welche sich innerhalb des Frachtmoduls befand, und beim Wiedereintritt in 110-130 km Höhe abgestoßen wurde. Nur wenige Kapseln wurden allerdings wiedergefunden. Als Folge wurde bei den folgenden Flügen auf diese verzichtetet. Die Progress M-Transporter wogen rund 400 kg mehr als die erste Generation. Sie werden seit 1989 bis zur heutigen Zeit eingesetzt.

Mit Progress M-34 geschah der bisher gravierendste Vorfall mit einem Progress Raumtransporter. Bei der ersten Generation machte vor allem das Ankoppeln mit dem Igla-System Probleme. Die Progress M Serie war bis dahin von diesen Problemen verschont geblieben. Dann beschloss Russland Kosten einzusparen und das Radar „Kurs“ durch eine manuelle Steuerung der Ankopplung durch die Kosmonauten zu ersetzen. Der Grund war, dass „Kurs“ von einem Kombinat in der Ukraine produziert wird und mit dem Zerfall der Sowjetunion der Hersteller den Preis für das System drastisch erhöhte.

Dies wurde zum ersten Mal bei Progress M-33 erprobt, bevor der Transporter mit dem Müll verglühen sollte. Das Manöver gelang nicht. Das Videosignal der Kamera, mit der die Kopplung überwacht werden sollte, riss immer wieder ab, und schließlich flog die Progress mit hoher Geschwindigkeit nahe der Mir vorbei. Obgleich die Besatzung sich über die riskante neue Vorgehensweise bei der Bodenkontrolle beschwerte, wurde derselbe Test mit Progress M-34 erneut angesetzt. Diesmal war der Frachter kaum vor den Wolken auszumachen und reagierte nicht oder zu spät auf Steuerungssignale. Das Raumschiff kollidierte mit hoher Geschwindigkeit mit dem Spektr-Modul. Dieses war danach dauerhaft beschädigt und musste aufgegeben werden.

Seitdem finden alle automatischen Kopp­lungen wieder durch das Steuersystem Kurs statt, und es gab keine weiteren gra­vierenden Vorkommnisse. Heute bauen die Kosmonauten Kurs nach dem Ankoppeln an die ISS aus und führen es bei einer Space Shuttle Mission zurück zur Erde, um so Kosten einzusparen.

Progress M1

Die vorletzte Generation Progress M1 unterscheidet sich von der vorherigen darin, dass es möglich ist, mehr Treibstoff mitzuführen. Ihre primäre Aufgabe ist es, die Bahn der ISS regelmäßig anzuheben. Dafür wurden die Progress M modifiziert. Für die Änderungen wurden die beiden Wassertanks aus der Tanksektion entfernt. Das Wasser muss bei diesen Transportern in der Frachtsektion untergebracht werden. Die Anordnung der Tanks in der Tanksektion konnte so umgestaltet und mehr Treibstoff mitgeführt werden. Progress M1 führt acht anstatt vier Treibstofftanks mit. Die optionalen zwölf kugelförmigen Drucktanks für Gase umgeben nun in einem äußeren Ring die Frachtsektion. Bei den Progress-M befinden sie sich im Inneren der Frachtsektion.

Der Treibstoff wird von der Progress in das Swesda Modul umgepumpt, welche die Station dann mit den eigenen Triebwerken anhebt. Ein zweiter, größerer Tank befindet sich im Sarja Modul.

Die Progress M1 waren die ersten Frachtraumschiffe, welche die ISS besuchten. Die beiden ersten Exemplare halfen die Mir zu deorbitieren. Danach waren sie die häufigsten Transporter bis zum Januar 2004. Seitdem erfolgte kein weiterer Einsatz mehr.

Progress M+M

Die Progress M+M ist die derzeit letzte Version des Transporters. Sie flog erstmals am 26.11.2008. Sie ist der Nachfolger der Progress M. Ein Einsatz als „Tanker“ wie bei den Progress M1 gab es bisher nicht. Von dem Progress M1 unterscheidet er sich durch ein modernisiertes Kontrollsystem. Es setzt den R3081 Prozessor ein, eine weltraumtaugliche Variante des MIPS R3000 Prozessors von IDT. Dieser Prozessor ist schon weltraumerprobt. Der erste Einsatz fand schon 1994 an Bord der Raumsonde Clementine statt. Er wurde in den letzten Jahren in den USA aber durch leistungsfähigere Modelle ersetzt, da er nur eine Taktfrequenz von maximal 40 Mhz aufweist. Verglichen mit dem, seit 1974 auf allen Sojus und Progressschiffen eingesetzten Argon-16 Computer ist der Sprung allerdings enorm. Der Argon-16 ist ein 16-Bit-Rechner mit nur 32 Instruktionen und nur 2 KByte RAM und 16 KByte ROM (dreifach redundant). Er benötigte rund 5 ms für eine Addition und 45 ms für eine Multiplikation. Verglichen damit sollte das neue Modell tausendmal schneller sein.

Auch die Telemetrieeinheit verwendet nun Glasfasern für die Datenleitungen und noch mehr Systeme wurden von analogen auf digitale Systeme umgestellt. Das System wird auch in den neuesten Sojus Raumschiffen eingesetzt werden. Russland erhofft sich durch das neue System deutliche Kosteneinsparungen bei einer zukünftigen Raumschiffgeneration. Gleichzeitig ist ein Test schon auf den derzeit sich im Einsatz befindlichen Typen möglich. Geplant ist auch der Ersatz von Kurs durch ein in Russland entwickeltes System (Kurs-N).

Die neue Elektronik ist 75 kg leichter als die Alte und hat fünfzehnmal weniger Einzelteile. Auch der Stromverbrauch ist gesunken. Somit können Batterien mit einer kleineren Kapazität eingesetzt werden. Dadurch ist die beförderte Nutzlast weiter angestiegen. Die Progress M+M hat eine 150 kg niedrigere Leermasse als die Progress M.

Auch bei der Sojus Trägerrakete gab es Veränderungen. Die neue Version „Sojus 2b“ hat eine um 1.100 kg höhere Nutzlast (8.250 kg anstatt bisher 7.130 kg beim Start von Baikonur aus). Aufgrund von Gewichts- und Volumenbeschränkungen in der Fracht- und Tanksektion ist es derzeit nur möglich, mehr Treibstoff in der Serviceeinheit mitzuführen, bis das strukturelle Limit von 3.200 kg Gesamtfracht erreicht ist. Es gab schon Flüge mit bis zu 2.700 kg Treibstoff bei den Deorbitmanövern der Mir. Dadurch kann auch die Tankerversion (Progress M1) entfallen.

Bisher gab es noch keinen Einsatz der Sojus 2b bei ISS Missionen, doch sie soll mittelfristig die Sojus-Fregat, die derzeit eingesetzt wird, ersetzen. Die Steigerung der Frachtkapazität aller Transporter zur ISS wurde als primäres Ziel bei der letzten Konferenz der teilnehmenden Weltraumorganisationen im März 2010 in München beschlossen.

Einsatz

Bisher gab es bis zu vier Einsätze der Progress pro Jahr. Ab 2011 wird sie auf bis zu sechs Einsätze pro Jahr steigen. Mit steigendem Gewicht der Station und größerer Besatzung steigt der Versorgungsbedarf nach Fertigstellung deutlich an.

Die Progress-Transporter sind bewährte und robuste Frachtraumschiffe. Da Russland aufgrund des viel geringeren Lohnniveaus alle Dienstleistungen auf dem Gebiet der Raumfahrt zu konkurrenzlos niedrigen Preisen anbieten kann, sind sie auch sehr preiswert. Aber bei einer Kapazität von 2 t werden sehr viele Progress-Transporter benötigt, um die ISS zu versorgen. Wenn ein Progress Transporter mit Müll voll beladen ist, verglüht er beim Wiedereintritt. Die Kosten eines Versorgungsflugs wurden bisher mit 40-60 Millionen Dollar angegeben.


Abbildung 5: Blick über eine Progress auf die Atlantis die sich der Raumstation nähert
(Mission STS-115, Expedition 15) © des Fotos: NASA

Progress Progress M Progress M1 Progress M+M
Länge: 7,48 m 7.23 m 7.40 m 7,20 m
Startgewicht: 7.020 kg 7.450 kg 7.150 kg >7.150 kg
Fracht (typisch): 2.315 kg 2.350 kg 2.230 kg – 2.500 kg 2.260-2.677 kg
Trockene Fracht: 1.340 kg <1.800 kg <1800 kg <1.320 kg
Wasser: <420 kg 0 420 kg
Luft: <50 kg <40 kg <50 kg
Refüll-Treibstoff: 975 kg 850 kg 1.700 -1.950 kg 880 kg
Reboost-Treibstoff: 250 kg 185-250 kg >250 kg
Müllzuladung: 1.400-2.000 kg 1.000-1.600 kg 2.000 kg
Flüge zur ISS: 0 23 9 3
Flüge zu Saljut / Mir: 12 × Saljut 6
13 × Saljut 7
18 × Mir
44 × Mir 2 × Mir 0
Einsatz von: 20.1.1978- 5.5.1990 23.8.1989 – heute 1.2.2000 – heute 26.11.2008 – heute


Abbildung 6: Aufbau der Progress © der Grafik: NASA


Abbildung 8: Ansicht einer Progress schräg von oben © des Fotos: NASA


Abbildung 7: Anflug von Progress MRM-1 an die ISS © des Fotos: NASA

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.