Die alternative Apollo 17 Mission
Sowohl in den Gene Kranz Memoiren wie auch Chaikins Buch A Man on the Moon findet sich die Passage, dass Harrison Schmidt plante auf der Mondrückseite zu landen und dafür Trajektorien durchrechnen ließ. Dies wurde ihm schließlich untersagt, da die Landeplätze schon festgelegt waren. Aber tun wir mal so als wäre die Frage offen gewesen: Was hätte dafür und dagegen gesprochen?
Zuerst einmal: warum auf der Mondrückseite landen? Der Mond hat unterschiedliche Seiten. Die der Erde zugewandte Seite ist geprägt von großen Einschlagsbecken, den Maare. Man kann einige mit bloßem Auge als dunkle Flecken erkennen, besonders wenn es noch nicht richtig dunkel ist und der Mond nicht einzige Lichtquelle, so dass sich die Augen auf die Helligkeit adaptieren. Die Mondrückseite ist weitgehend frei von diesen Einschlagsbecken, Mare genannt. Ihre Entstehung verdanken sie dem Gezeiteneffekt. Wie auf der Erde der Mond die Meere bewegt so tut die 81 mal massereichere Erde den Mond durchwalken. (Und zwar mit einer 81 mal höheren Kraft) Als die Mare entstanden (das letzte vor rund 3,2 Milliarden Jahren) war der Mond auch noch viel näher an der Erde und der Effekt daher viel stärker. Die Erde zog nun die erdzugewandte Seite stärker an als die abgewandte und so war hier die Reibung des flüssigen Inneren an der Mondkruste stärker als auf der Rückseite und es konnte sich keine so dicke Kruste ausbilden. Sie konnte leichter von großen Brocken durchschlagen werden, die dann einen Magmasee aus dem Inneren freisetzten. Das Material war dunkler als das andere Krustenmaterial und es deckte alte Einschläge zu, sodass die Mare glatter aussehen.
Auf der Mondrückseite war der Effekt auf die Kruste kleiner und das Gelände ähnelt mehr den Hochländern auf der Vorderseite. Ob es sich chemisch gravierend von diesen unterscheidet hätte eine Expedition klären können. Die Wahrscheinlichkeit noch älteres Gestein zu finden ist jedoch sicher höher als auf der Vorderseite. Soviel zum wissenschaftlichen Anspruch. Nun zu den offenen Fragen und Problemen.
Fehlende Aufklärung
Sowohl die Lunar Orbiter wie auch die vorherigen Apollo Missionen konzentrierten sich bei der Erkundung der Landeplätze auf die Vorderseite. Die Mondrückseite wurde kartiert, aber global und nicht regional einige Landeplätze hochauflösend erfasst. Allerdings hätte dies durch eine vorherige Apollomission, z.B. Apollo 16 nachgeholt werden können. Damit wäre das Landegebiet genauso gut bekannt wie die Landezonen auf der Vorderseite.
Fehlende Funkverbindung
Das ist die größte Einschränkung. Es gab zwar bei allen Apollomissionen Manöver die auf der Mondrückseite erfolgten – Einbremsung in den Orbit, Zündung des Abstiegstriebwerks für das Erreichen des Abstiegsorbits und Verlassen des Orbits. aber diese waren himmelsmechanisch nötig. Trotzdem flogen die ersten Apollo Missionen auf freien Rückkehrbahnen falls die Zündung des Haupttriebwerks des Servicemoduls scheitert. Wenn die erste Zündung des Abstiegstriebwerks scheiterte hätte das LM immer noch ankoppeln können. Der kritische Teil der Landung erfolgte aber auf der Vorderseite. Nach Apollo 11 sogar mit Korrekturwerten aufgrund der Bahnvermessung vom Boden aus. Damit konnten die bei Apollo 11 aufgetretenen Abweichungen von einigen Kilometern vermieden werden. Auf dies müsste dann komplett verzichtet werden.
Noch gravierender ist natürlich dass nun der Boden überhaupt keinen direkten Funkkontakt mehr zum LM hat – weder bei den Mondexkursionen noch bei dem Rückstart. Allenfalls einige Minuten pro Umlauf wäre ein Kontakt über die Kommandokapsel möglich, aber niemals eine direkte Funkverbindung.
Die Besatzung wäre völlig auf sich allein gestellt, könnte nicht mit direkter Hilfe vom Boden aus rechnen und vor allem die Bodenkontrolle hätte ihren Einfluss auf das LM vollkommen verloren – das ist beides nicht für Mission Control tolerierbar. Doch es wäre möglich gewesen dieses Manko zu beseitigen: Mit einem Relaysatelliten in einem Orbit der gleichzeitig vom Mond wie von der Erde aus erreichbar ist. Es gäbe mehrere Möglichkeiten, da die Mondexkursionen immer nur kurz (maximal 3 Tage) dauerten wäre z.B. ein Satellit in einer exzentrischen Mondumlaufbahn mit einer Umlaufsdauer >3 Tage denkbar. Allerdings sind solche Bahnen wegen der Gravitation der Erde instabil. Sinnvoller ist sicher eine Stationierung in einem der Lagrangepunkte des Erde-Mondsystems. Entweder im 60 Grad vor/nachlaufenden Punkt oder dem Punkt hinter dem Mond (444.000 km von der Erde entfernt).
Die USA starteten am 30.5.1974 den experimentellen Kommunikationssatelliten ATS-6. Dieser Satellit mit einer 9 m großen Parabolantenne hätte aus 60.000 km Entfernung vom Mond die gleiche Empfangsleistung gehabt wie eine 58 m Empfangsantenne auf der Erde. Er war mit 950 kg Gewicht auch noch leicht genug um mit derselben Titan 3C, die ihn in einen GEO Orbit brachte, zum L2 Langrangepunkt zu transportieren. Über diesen hätte dann die Kommunikation erfolgen können und bei rechtzeitiger Planung wäre er sicher schon 1972 zur Verfügung gestanden.
Meine Meinung
Am Schluss des Apolloprogramms konnte die NASA froh sein, dass nicht noch mehr Missionen gestrichen wurden (Apollo 20 wurde gestrichen, weil die Saturn V für den Start von Skylab benötigt wurde, Apollo 18+19 schon um Kosten zu sparen). Planungen von anspruchsvolleren Landungen auf der Vorderseite wie im Tycho oder Kopernikuskrater gestrichen und nicht für die noch ausstehenden neu angesetzt. So glaube ich nicht, dass die NASA eine viel riskantere Landung auf der Mondrückseite (oder mit einem Relaysatelliten zumindest deutlich aufwendigere und teurere) durchführen würde. Schade, denn ich denke es wäre sicher die wichtigste Landung gewesen.
Hi,
ich glaube, dafür hätte man von Anfang an den wissenschaftlichen Aspekt stärker betonen müssen, und nicht nur den politischen. D.h. man hätte von Anfang an klar machen müssen, welchen wissenschaftlichen Nutzen man von den Mondflügen erwartet, und was es der Welt bringt. Aber das kam ja zu kurz, und von politischer Seite ging es ja auch hauptsächlich darum, das „Wettrennnen“ zum Mond zu gewinnen.
Ich tippe aber mal, das es damals einfacher gewesen wäre, auch den einfachen (d.h. weniger gebildeten) Menschen den Nutzen der Raumfahrt für die Wissenschaft klar zu machen, als das heute der Fall ist, weil es ja noch den grossen glauben an den technischen Fortschritt gab, durch den alles besser werden sollte.
Beim Lesen von „man on the moon“ war ich erstaunt über die Menge an Wissenschaft, Geologie konkreterweise, die die guten Männer dort unternahmen. Ich hatte vorher immer nur die Kritik gehört, dass es nur einen richtigen SWissenschaftler unter den Astronauten gab und der Rest „nur“ Piloten waren, die dort nur rumhüpften und mit einem Buggy herumfuhren, doch scheint es mir, das zumindest die Teilnehmer der umfangreicheren Mondmissionen mehr als nur Grundkenntnisse in Geologie besassen. Schade, dass sie so sehr darauf fixiert waren Vulkangestein zu finden – vielleicht hat es sie andere interessante Dinge übersehen lassen. Dass Kraft mit der letzten Mission kein Risiko mehr eingehen wollte ist logisch. Da hätte Kennedey seinen Wunsch schon etwas präzisieren müssen.
Alle Astronauten bekamen einen Geologiekurs, genauso wie die Einweisung in die anderen Experimente. NUR: Ein Geologiekurs kann kaum eine wissenschaftliche Ausbildung als Geologe ersetzen. Die dauert nicht einige Wochen sondern ein paar Jahre.In der Tat waren zur Apollozeit die Fähigkeiten als Pilot der NASA extrem wichtig. Als die Wissenschaftsastronauten rekrutiert wurden, schickte man sie als ersten zu einer 18 Monate dauernden Ausbildung als Pilot zur Luftwaffe. Man sollte also das geologische Wissen nicht überbewerten.
Hi,
bezüglich „Pilot“ fällt mir gerade noch was ein: beim lesen der Berichte über Vorbereitung und Durchführung der Shuttleflüge im Space Science Journal fiel mir irgendwann mal auf, das anscheinend auch sämtliche Teilnehmer der Shuttlemissionen eine Pilotenausbildung haben müssen. Kann es sein, dass das stimmt, oder ist das nur ein täuschender Eindruck?
Hans
Ich kenne mich bei der bemannten Raumfahrt nicht besonders gut aus, beim Space Shuttle Programm abseits der Technik gar nicht. Aber die T-38 Trainer sind nach wie vor im Einsatz bei der NASA. Ob allerdings alle Teilnehmer eine Pilotenausbildung durchlaufen habe wage ich zu bezweifeln. Schließlich wurden auch viele Leute transportiert die ziemlich weit weg von der Technik sind wie Journalisten, Lehrer, Senatoren, saudische Öl-Prinzen etc.
Ich denke das gilt nur für die Piloten und Copiloten. Von den Nutzlast- und Missionsspezialisten erwartet keiner dass sie das Shuttle fliegen. Immerhin macht sie da ja einen Sinn, da das Shuttle zumindest in der Endphase wie ein Flugzeug fliegt.