Der Sieg der Köche
Ich lese ja immer die Kritiken meiner Bücher bei Amazon. Da konnte nun einer nichts damit anfangen. Ich würde es für einen typischen Fehlkauf bezeichnen. Was mir auffällt ist, dass er sich über die Verwendung von kJ anstatt kcal mokiert und schreibt, dass inzwischen ja auch Bücher nur mit kcal Angaben erscheinen.
kJ sind seit 1978, also 32 Jahren gesetzliche Einheiten. Ich bin damit aufgewachsen. In der Schule waren alle Energieangaben in kJ, auch beim Studium der Chemie und Lebensmittelchemie war alles in kJ. In Fachbüchern taucht auch nur diese Einheit auf. Natürlich sind alte Einheiten nicht auszurotten und weil in den USA z.b. die Einheit immer noch kcal ist wird man Nährwertangaben auf Lebensmitteln immer in kcal/kj vorfinden – übrigens zumeist falsch nach der gesetzlichen Vorgabe, wonach die gesetzliche Einheit Vorrang hat und erst dann die nicht mehr zulässige folgen darf: Meistens wird kcal als erstes genannt.
Alte Einheiten haben ja ein langes Leben. Die meisten bleiben bei denen, mit denen sie aufgewachsen sind. Wie ich anderen Kommentaren von „Gänseblümchen“ entnehme ist er über 70, da ist es kein Wunder wenn er an kcal hängt. Doch selbst die Automobilindustrie hat inzwischen auf kW umgestellt. Ich selbst hab kein Problem mit kcal und sehe auch keine Probleme mit dem Umrechnen, weil ich alle Nährwertangaben nicht absolut nehme, also so in der Richtung „1000 kj – gut, 2000 kJ – schlecht“ sondern sie auf meinen Tagesbedarf beziehe und dann überlege ob mir die Portion dafür zu klein erscheint oder nicht. Da muss ich in jedem Falle rechnen, egal in welchem System.
Ich habe da wir ja die Woche der Ernährung im Fernsehen haben einige Sachen genauer angeschaut. Bei SWR „Odysso“ gab es einen Beitrag über Fast-Food und die Energie und darüber wie die Portionen immer größer werden. Alle Angaben waren in kcal. Bei den meisten nur mündlich übermittelten Infos in den zahlreichen Kochsendungen – ebenfalls nur kcal.
Der Grund dafür liegt das zwar Ernährung ein größeres Thema im Fernsehen ist, aber ich keine Fachleute mehr in den Sendungen sehe, also keine Lebensmittelchemiker, Ökotrophologen oder spezialisierte Ärzte (hier liegt das Hauptaugenmerk auf „spezialisierte“, da die Ernährung bei der normalen Ausbildung nur sehr stiefmütterlich behandelt wird. Stattdessen haben die Köche die Ernährungsberatung übernommen. Köche, das sind die Leute die bei einem Rostbraten das letzte Stück Fett abschneiden und dann das ganze in einem halben Pfund Butter anbraten. Die haben von Ernährung so viel Ahnung wie die Kuh von der Botanik der Pflanzen die sie frisst.
Es passt zu unserer PISA Gesellschaft, das wichtige Themen nur schlagwortartig behandelt werden. Fundierte Informationen weichen Stichworten und über die Zusammenhänge werden sowieso nicht erklärt. Wichtiger sind Schlagzeilen, Skandale (ob echt oder angeblich) und Verschwörungen (die böse Lebensmittelindustrie gegen den Verbraucher). Die Medien kommen nicht mal ihren Aufgaben nach: Neben Informationen auch Druck auf die Politik auszuüben. Wenn (was in dieser Ernährungswoche sehr oft bemängelt wurde) die Lebensmittelkennzeichnung unübersichtlich und nicht intuitiv verständlich ist, dann ist daran nicht nur die Industrie schuld, sondern eben auch der Gesetzgeber, der die Gesetze macht an die sich die zu halten haben. Hier muss die Kritik ansetzen. Denn diese können die Vorgaben ändern an die sich die Industrie halten muss
Mich wundert, dass dies noch kein Thema für die Wettbewerbshüter ist, die ja sonst so aufmerksam sind. So müssen ja bei uns alle Angaben in Zentimeter sein, auch wenn das Maß ursprünglich in Zoll war. So gibt es die 8,89 cm Diskette, den 101 cm Fernseher etc. aber anscheinend gilt das nur für den Handel und nicht die Medien. Die Medien zeigen eigentlich nur ihre rapide sinkende Kompetenz, wenn sie nicht mal fähig sind die gesetzlichen Einheiten zu benutzen.
> Die Medien kommen nicht mal ihren Aufgaben nach: Neben Informationen auch
> Druck auf die Politik auszuüben.
Wie sollen sie das denn auch machen, wenn sie mit der Politik verbandelt sind, die sie eigentlich kritisch begleiten sollen?
Nebenbei: Ich hab zu dem Thema am Donnerstag die Wissensshow von Rangar Yogeschwar, „Wie ernährt sich Deutschland?“ geguckt, und da hab ich nicht einmal was von kilo Joule gehört, da wurde auch nur von kilo Kalorien gesprochen. Dabei hätte ich von Leuten wie Yogeschwar zumindest zwischendurch mal den Hinweis erwartet, das kcal eigentlich falsch ist.
Später am Abend kam dann im WDR die Doku „Food, Inc.“ die zwar aus dem Jahr 2008 stammt, und sich auf die Verhältnisse im Land des „unbegrenzten Wahnsinns“, also den USA bezog. Aber ich glaube nicht, das sich an der dort beschriebenen Situation seitdem viel geändert hat. Unbegrenzter Wahnsinn ist in dem Zusammenhang übrigens sehr treffend, denn so eine abartige Art der Massentierhaltung hab ich zuvor noch nicht gesehen. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, das es in Europa ähnliche Zustände gibt, aber ob sie so extrem sind, weis ich nicht. Interessant war dabei die Verquickung von Politik und Aufsichtsbehörden mit der Lebensmittelindustrie. Da wurden bestimmt 10 Leute genannt, die man nur noch als Lobbyisten der Lebensmittelindustrie bezeichnen kann. Denn sie hatten wichtige Posten in Politik und Aufsichtsbehörden inne, waren aber auch Vorstände oder ähnliches bei grossen Lebensmittelfirmen.
Beeindruckt hat mich dabei der zwischendurch immer wieder mal gezeigte Landwirt, der zur normalen, d.h. natürlichen Tierhaltung zurück gekehrt ist (oder nie industriealisiert war). Hierzulande würde man ihn als Biobauer bezeichnen, – ob er sich selbst auch so nennt hab ich nicht mitbekommen.
Und was es da in einigen Bundesstaaten für Gesetze gibt: Da macht man sich strafbar, wenn man über die abartigen Zustände der Tierhaltung berichtet, damit die Bevölkerung davon nichts mitkriegt. In dem Zusammenhang wurde auch das Treiben einer Firma beschrieben, deren Name mit M anfängt, das eigentlich nur noch als Asozial zu bezeichnen ist. Und das schlimme ist, die kommen damit durch, weil sie ihre Leute auch in der Politik haben, die dafür sorgen, dass diese die Gesetze zum wohle des Profits dieser Firma machen, auch wenn es für den Menschen und der biologischen Vielfalt langfristig tödlich ist. Aber biologische Vielfalt ist denen sowieso ein Dorn im Auge, weil die sich nicht patentieren lässt, bzw. die Patente dadurch verwässert werden, da die Natur sich nicht ans Patentrecht hält. Aber Patentrecht ist ein Thema, das hier den Rahmen sprengen würde. – Eigentlich gehört es heutzutage ersatzlos abgeschaft, weil es wahre Innovationen nur behindert aber nicht schützt. Schützen tut es hauptsächlich nur jene, die daraus Kapital schlagen, ohne auch nur Ansatzweise innovativ zu forschen oder zu arbeiten.
Ansonsten würde ich sagen, da eine richtige und wirksame Überwachung der Industrie Geld kostet, dass die Politik bzw. der Staat nicht bereit ist, dies zu bezahlen. Ganz nach dem Motto, der Staat solle sich gefälligst aus der Wirtschaft heraus halten, weil er davon sowie so nichts versteht, (und (im Sinne der Wirtschaft) auch nichts zu verstehen hat) weil „die Wirtschft“ sowieso alles besser kann. – Wann merken die Menschen eigentlich, dass das mit zum grössten Blödsinn gehört, der heutzutage verbreitet wird?
Zu PISA fällt mir nur ein: Wie kann denn ein Mensch überhaupt Zusammenhänge begreifen, wenn er/sie in der Schule nur mehr oder weniger zusammenhanglose Fakten lernt, ohne das dabei auf die Zusammenhänge hingewiesen wird? Wenn manche Zusammenhänge bekannter wären, dann könnten zum einen ja nicht nur die grossen Skandale bekannt werden, sondern auch viele Kleine, die bis jetzt gar nicht oder nur wenigen auffallen, die aber als Einzelne relativ Machtlos sind. Das Wissen einer breiten Masse um die Zusammenhänge wiederum ist für die auf Skandal spezialisierte Presse abträglich der dadurch schliesslich die Geschäftsgrundlage entzogen würde. Ausserdem hätten dann die sogenannten Experten, (die in Wirklichkeit die Vertreter der angeprangerten Branche sind) keine Plattform mehr, um den Leuten auf verquere Weise zu erzählen, dass das Handeln der betroffenen Firma trotz des Skandals richtig war. Das kann ja schliesslich nicht angehen! – Dann könnte man die Leute ja nicht mehr für Blöd verkaufen! Und sie würden auch nicht mehr dafür bezahlen das man sie über den Tisch zieht. Wie kann man das nur Erwarten, also ehrlich!
(Falls es jemand nicht begriffen haben sollte: Die letzten vier Sätze sind ironisch gemeint!)
Stimmt schon, nichts hält sich so hartnäckig wie Maßeinheiten die es schon lange nicht mehr gibt. Pfund und Zentner wurden schon vor über 100 Jahren abgeschafft, trotzdem werden diese Maßeinheiten weiter verwendet.
Was mich total wundert: Wo bleiben die Abmahn-Anwälte? Die lassen sich doch sonst keine Gelegenheit zum Abkassieren entgehen. Und hier wäre eine.
Vielleicht sollte Ottonormalverbraucher aber auch mal aufhöhren sich immer nur als Opfer zu sehen.
Was passiert denn wohl, wenn er sich im Edeka-Laden aufregt, daß es die selbe Tiefkühlpizza bei Aldi in anderer Verpackung 30 ct billiger gibt? (Namen rein zufällig ausgewählt)
Na?
-Edeka macht Druck auf seinen Lieferanten, daß seine Pizza billiger werden muss.
-Dem Lieferanten bleibt nichts anderes übrig, als alle Grauzonen des Lebensmittelrechts auszunutzen um gelistet zu bleiben.
-Foodwatch regt sich über noch mehr Chemie in Lebensmitteln auf und
-bekommt die gesparten 20 ct des Konsumenten als Spende
Nee,nee. Wir bekommen genau das auf den Teller was wir verdienen. Hauptsache billig.
Wenn wir schon von Zusammenhängen sprechen, dann sollten wir unser eigenes Verhalten nicht ausklammern.
Bernd
Appropos Eigenes Verhalten:
Ich würde gerne ein paar Euro mehr für Lebensmittel ausgeben, wenn ich sie denn hätte. Aber bei den miesen Löhnen, die heut zu Tage teilweise gezahlt werden, ist das schlicht nicht möglich. Ich denke, wenn wir einen bundesweit flächendeckenden Mindestlohn von mindestens 10 Euro hätten, würde das anders aussehen. Aber das sollte man von unserer jetzigen Regierung nicht erwarten, da die viel zu sehr von der Wirtschaft kontrolliert wird, anstatt das sie der Wirtschaft die Rahmenbedingungen vorgibt, innerhalb derer sie agieren kann.
Schlechte Löhne gehören zum selben Problemkreis: Geiz ist geil!
Wenn man dem, von dem man was kauft keinen Gewinn gönnt, muss man sich nicht wundern, wenn einem selber auch kein Gewinn gegönnt wird.
Wir haben in der modernen Wirtschaft den Mehrwert (nicht die Mehrwertsteuer) abgeschafft.
Also wird nicht mehr mit Produkten oder Dienstleistungen Geld verdient sondern nur noch mit Geld. Und da sind nun mal 90% der Gesellschaft außen vor. DAVON müssen wir runter!
Interessanter Blickwinkel, sehe ich aber auch so. Ich glaube, Johannes Rau hat einmal gesagt, das wir heute zwar von allem den Preis wissen, aber den eigentlichen Wert nicht mehr kennen. Das ist ein weiterer Fehler des Systems.
Und das wir von der Finanzwirtschaft wieder weg müssen, zurück zu einer Produktionsbasierten Wirtschaft, sollte eigentlich auch jedem klar sein, der sich damit mal näher beschäftigt.