Bernd Leitenbergers Blog

Stuttgart 21 und die Medien

Nun sind ja die Schlichtungsgespräche um Stuttgart 21 beendet. Ob damit die Diskussion um das Projekt beendet ist wage ich zu bezweifeln. eines scheint recht sicher zu sein. So wie das Projekt geplant wird, erfüllt es nicht die Anforderungen. Wenn nun zwei Gleise hinzukommen, und ein weiterer Strang bis zum Flughafen (weil über dieselben Gleise auch die S-Bahn fahren soll) dann zeigt das in meinen Augen, dass schon vorher was nicht stimmte. Wie hatte es vorher geheißen – supertoll geplant, dem Kopfbahnhof überlegen – und einige Wochen Diskussionen zeigen dass dies nicht so richtig sein kann. Da fragt man sich nur, was haben die in den letzten Jahren denn dann geplant?

Geissler hat in einem Interview mit dem ZDF auch herausgearbeitet, dass so Großprojekte nicht mehr durchgeführt werden können. Mit einem Demokratieverständnis das von oben nach unten funktioniert. Also erst wird beschlossen, geplant und durchgesetzt und wenn es fertig ist dürfen die Bürger was dazu sagen. In Zeiten von Internet wäre das aus dem letzten Jahrhundert. Er schlägt ein Schweizer Modell vor: Bei Großprojekten erst eine Abstimmung ob man das generell will, dann eine erneute vor der Durchführung. Wobei die Fakten (pro und contra) transparent vermittelt werden. Klingt für mich vernünftig. Ich glaube auch nicht, dass dann die Bürger zigmal an die Urne müssen. Hier in BW ist Stuttgart 21 das einzige Großprojekt. Es gibt sicher ein Dutzend Großprojekte in Deutschland, aber betroffen ist ja nur jeweils eine Region. Und die sollte dann auch regional darüber entscheiden.

Was mich erstaunt hat und auch ziemlich verärgert ist, wie in verschiedenen satirischen Formaten. Ich denke hier an Extra 3, Heute Show und auch http://www.fern-gesehen.com/ über die Widerstände und die Leute sich lustig gemacht wurde. Selbst in dem „ZDF extra“ in dem am vergangenen Dienstag über das Ergebnis berichtet wurde schwingt das mit, wenn wieder von „demokratisch legitimierten“ Projekt gesprochen wurde und abschätzig von „Volkes Stimme“ die Rede war.

Das Projekt ist eben nicht demokratisch legitimiert, denn kein Bürger dürfte jemals drüber abstimmen. Anträge im Stuttgarter Gemeinderat über Abstimmungen über das Projekt wurden z.B. immer von der regierenden Mehrheit zurückgewiesen. Mir kommt schon die Galle hoch, wenn ich von Politikern vernehme, alles was sie täten wäre demokratisch legitimiert, nur weil sie mal jemand gewählt hat. Denn wie man gerade an der derzeitigen Regierung sieht. Ich kann mich nicht erinnern, dass in den Wahlprogrammen Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten, erhöhte Krankenkassenbeiträge oder Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers, aber Steuererhöhungen für das gemeine Volk enthalten waren. Und was ist falsch daran auf Volkes Stimme zu hören? Was war schlecht an den bisherigen Demonstrationen die die Leute auf die Straße brachten wie gegen Nachrüstung oder Atomkraftwerke in den Achtzigern? Wenn die Medien nicht mit dem Volk einverstanden sind, sollen sie sich doch ein anderes suchen… Hmm wenn ich darüber nachdenke – das machen sie schon, denn das Fernsehprogramm das es jetzt gibt wird ja von fast niemanden mehr angeschaut….

Das nächste ist, wie man sich über das Anliegen der Leute lustig macht. Das geht manchmal recht persönlich. Da werden Interviewausschnitte in der Heute Show gerbacht und Witze darüber gerissen, weil Wenke kein Schwäbisch versteht. Logisch der kommt auch aus Bielefeld. Ich verstehe auch nicht den Text von BAP und mache mich nicht über die Kölner lustig. Was würde den passieren, wenn man das mit Ruhrpott Slang, Bayrisch, Friesisch oder Sächsisch machen würde? Aber mit den Schwaben kann manns ja machen. Die, und das ist der zweite Punkt, regen sich ja auch auf über Bahnhöfe, deren Kosten größtenteils Bund und Bahn bezahlen, sie also nichts kosten. Da wären ja andere Städte froh wenn man ihren Bahnhof unter die Erde verlegen würde. So was habe ich einige male gehört. Ja, deswegen wird ja auch immer überall das Geld rausgehauen, nach dem Motto es ist ja nicht mein Geld. Diese Einstellung gibt es übrigens auch hier im Ländle. In der Hochschule in der ich arbeitete war vor allem bei den Professoren es sehr verbreitet sich teures Equipment zu kaufen, man muss es ja nicht selbst zahlen. Der Steuerzahler finanziert dann die 3.000 Euro Notebooks und die 500.000 Euro Cave die zweimal im Jahr für einen Vorführtag genutzt wird.

Leider stößt diese Haltung aber in einem Bundesland bei dem bei den Leuten Sparen noch was positives ist und es ein eigenes Wort dafür gibt (phäb) auf Widerstände und eigentlich sollte sich die Republik ein Beispiel daran nehmen anstatt darüber zu lästern. Was passiert, wenn man sich nur um das kümmert, was einem persönlich auf der Brieftasche liegt zeigt sich ja in der enormen Staatsverschuldung die sich angehäuft hat. In BW war die Verschuldung der Gemeinden im letzten Jahr rückläufig (-200 Millionen Euro auf 5,9 Mrd Euro) und die des Landes ist es seit zwei Jahren. Anders als der Bund können wir nicht nur neue Schulden reduzieren, sondern bekommen sogar einen ausgeglichenen Haushalt hin.

Vor allem ärgert mich eines. Es ist in meinen Augen etwas völlig verschiedenes, sich über Politiker lustig zu machen oder sich über einzelne Bürger oder eine Bewegung und ihre Ziele oder gar eine ganze Volksgruppe. Die ersten sind Promis oder zumindest gewählte Volksvertreter und müssen sich das gefallen lassen, sie haben schließlich auch Zeit ihre Statements zu überdenken und gehen professionell mit den Medien um. Wenn man Brüderle nicht versteht, dann hat das eine andere Bedeutung als wenn Lieschen Müller außerhalb ihres Wohnorts keiner versteht. Schließlich ist Lieschen Müller nicht auf die Demonstration gegangen um dort interviewt zu werden (wie dies bei Politikern bei den Gegendemonstrationen der Fall ist) und sie beschließt keine Gesetze und muss diese kommunizieren.

Solange dies nicht verstanden wird, wird die Schamgrenze in den Medien wohl noch weiter sinken.

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