Bernd Leitenbergers Blog

Wie viele Astronauten kann die Dragon befördern?

Nach dem Artikel gestern, möchte ich mich heute damit befassen, wie viele Astronauten die Dragon Kapsel von SpaceX wohl befördern kann. Wie bei anderen Angaben von SpaceX auch glaube ich nicht den Angaben der Firma. Sie sind… nun ja Wunschvorstellungen.

Nehmen wir dieses Bild hier. Es zeigt sieben Astronauten in der Kapsel. Soweit so gut. Nur fallen mir zwei Dinge auf: Das erst ist, dass so die unteren drei Astronauten nicht die Kapsel verlassen können. Der Ausstieg ist ja oben. Das zweite ist, dass die Personen doch recht schmal gezeichnet wurden – vielleicht sind es Models, aber bestimmt keine Astronauten in klobigen Raumanzügen.

Sinnvoll ist in meinen Augen ein Vergleich zu schon existierenden Raumfahrzeugen. Von der Größe her kommen hier Apollo und die Sojus in Frage.

Dragon Apollo Sojus
Länge: 3,90 m 3,23 m 2,10 m
Durchmesser: 3,60 m 3,91 m 2,20 m
Volumen: 10 m³ 6,2 m³ 4 m³
Gewicht: 4.900 kg 5.800 kg 2.900 kg

Das Volumen ist durch die große Höhe der Kapsel recht günstig. Die 3,10 m maximaler Innendurchmesser reichen im Mitteldeck sicher zur Beförderung von vier Astronauten aus. In den 2,20 m der Sojus passen gerade drei Astronauten zusammengequetscht herein. Vielleicht auch noch drei Leute in dem darunter liegenden 2,10 m breiten Teil der Dragon. Bequem wird es aber nicht.

Nun kommen die „Abers“. Es gibt zwei denkbare Einsätze der Dragon die von SpaceX vorgeschlagen werden:

Das erste wird nicht so besonders betont, weil es keinen Bedarf dafür gibt. Nach Ausmustern der Shuttles gelangen alle Besatzungen mit Kapseln zur ISS. Also stehen diese als Rettungsboote zur Verfügung. Ein weiteres System wird nicht benötigt. Bei einer Rettungsmission würde wohl auch nicht die Zeit zur Verfügung stehen, einen Trennboden zu montieren, damit die unteren drei Besatzungsmitglieder Platz nehmen können.

Das zweite ist komplizierter. Die Dragon besitzt als Versorgungsraumschiff ja keinerlei Inneneinrichtung. Es gibt dort weder ein Lebenserhaltungssystem, noch Steuersysteme für die Besatzung. Das mag bei einer Rettungsmission noch angehen wo dann die Bodenkontrolle die Kapsel innerhalb kürzester Zeit landet. Ein Flug zur ISS dauert heute aber einige Tage und glaubt SpaceX hier würden die Astronauten einfach passiv sich vom Boden aus steuern lassen und auch sonst selbst nichts steuern und verstellen wollen (und sei es nur die Temperatur im Raumschiff. Für einige Tage wird auch der Platz knapp. Es gibt keine Toilette oder den Platz für eine. Vor allem die unteren Astronauten sind richtig eingezwängt. Bei der Sojus gibt es dafür die Wohneinheit die weitere 9 m³ Volumen zur Verfügung stellt. Mit einem Lebenserhaltungssystem und den Steuerkonsolen, mehr Batterien wird der Platz aber noch kleiner (die Angabe bei der Sojus und Apollo ist der Nettoplatz, bei der Dragon aber nur das Gesamtvolumen, brutto hätte die Apollo Kapsel rund 12 m³ Volumen gehabt).

Das größte „Aber“ ist das Rettungssystem. Glaubt man Elon Musk, so ist das das einzige was fehlt. Komisch nur, dass bei allen anderen Raumfahrzeugen die Projektierung anders läuft: Erst wird das Rettungssystem designt und getestet und dann das Raumschiff. Es ist integraler Bestandteil des Projekts. Auch bei der Orion ist die Kapsel noch lange von der Realisierung entfernt, aber das Rettungssystem wurde schon getestet. Warum? Die Auslösung des Rettungsturms ist die höchste Belastung die das Raumschiff aushalten muss. Um es schnell aus der Explosionszone zu bringen muss der Schub sehr hoch sein. Bei Apollo wog das Launch Escape System 4.200 kg, dazu kam im ungünstigsten Fall nur noch das Kommandomodul von 5.800 kg Gewicht. Diese 10.000 kg wären dann mit 689 kN also einer Beschleunigung von 69 m/s abgetrennt worden, wobei wie bei Feststofftriebwerken üblich die Beschleunigung praktisch sofort auftritt anstatt sich wie bei den Flüssigtriebwerken der Saturn V langsam aufzubauen. Jedes Bauteil der Kapsel musste also so ausgelegt werden, dass es von einem Sekundenbruchteil auf den nächsten eine Kraft, die dem siebenfachen Eigengewicht entspricht, wiederstehen kann.

Die Spezifikationen des Launch Escape Systems bestimmen daher das Design der Kapsel. Daher ist es das erste was fertig sein muss und mit Hüllen der Kapseln „Boilerplates“ getestet wird. Da die Dragon recht leicht ist (sie ist größer als das Apollo CM, wiegt aber weniger) habe ich da meine Zweifel, ob man einfach ein sicherheitsadäquates System später hinzufügen kann. Ich glaube hier wird auch die NASA keine Kompromisse eingehen.

Den wichtigsten Grund, warum wohl die Falcon 9 nicht als bemannter Träger in Frage kommt ist die Belastung: Der Träger erreicht nach dem offiziellen Users Guide eine Spitzenbeschleunigung von 6,0 g. Das ist erheblich mehr als heute üblich ist. Die Ares I und das Shuttle liegen bei 3 g, die Sojus und die Saturn V lagen bei 4.0 g. Ein Wert von 6 g wurde zuletzt im Gemini Programm erreicht. Heute sollen zur ISS Wissenschaftler und keine Testpiloten gelangen. Dieses Level, das sogar noch höher liegt als bei den meisten Trägern für Satelliten ist schlichtweg nicht hinnehmbar.

Wahrscheinlich ist es wie bei anderen SpaceX Angaben auch: Sie versprechen viel. Es geht um das Erhalten von Aufträgen. Wenn die mal mit dem Geld da sind, dann heißt es wahrscheinlich „Uups, ja da müssen wir noch etwas umkonstruieren – für ein paar Milliarden mehr machen wir das auch“. Das hat in der Softwarebranche ja auch ganz gut geklappt und aus der kommt Elon Musk und seine Firmenpolitik….

Die mobile Version verlassen