Bernd Leitenbergers Blog

Startkosten zum Nulltarif reduzieren

In den letzten Jahren sind vor allem in den USA die Transportkosten stark angestiegen und die USAF finanziert Lockheed-Martin und Boeing auch durch Subventionen. Die Transportkosten sind seit Anfang der achtziger Jahre in der Diskussion. Ich habe einen ganz einfachen, aber trotzdem, das werde ich weiter unter ausführen, unmöglichen Vorschlag, sie zu reduzieren – ohne gravierende finanzielle Aufwendungen. Fangen wir aber erst mal mit einer Analyse an. Hier finden Sie die Starts aller Trägerraketen in den Jahren 2006 bis 2010, also über einen Zeitraum von fünf Jahren.

Submodell Starts Erfolge Einsatzzeitraum
Ariane 5E 27 27 2006 – 2010
Ariane 5G 3 3 2007 – 2009
Atlantis 6 6 2006 – 2010
Atlas V 17 16 2006 – 2010
Chang Zheng 2 13 13 2006 – 2010
Chang Zheng 3 23 23 2006 – 2010
Chang Zheng 4 12 12 2006 – 2010
Delta 7000 28 28 2006 – 2010
Delta IV 10 10 2006 – 2010
Discovery 7 7 2006 – 2010
Dnepr 11 10 2006 – 2010
Endeavour 5 5 2007 – 2010
Falcon 1 5 2 2006 – 2009
Falcon 9 2 2 2010 – 2010
GSLV 4 1 2006 – 2010
H-2A 11 11 2006 – 2010
H-2B 1 1 2009 – 2009
Kosmos C 9 9 2006 – 2010
Minotaur 1 4 4 2006 – 2009
Minotaur IV 2 2 2010 – 2010
Molniya 4 4 2006 – 2010
Mu V 2 2 2006 – 2006
Naro 1 2 0 2009 – 2010
Pegasus XL 4 4 2006 – 2008
Proton K Block DM2 5 5 2006 – 2009
Proton M Block DM 7 6 2007 – 2010
Proton M Breeze M 33 30 2006 – 2010
PSLV 8 8 2007 – 2010
Rockot 7 7 2006 – 2010
Safir 2 1 2008 – 2009
Shaviyt 1 2 2 2007 – 2010
Shtil‘-1 1 1 2006 – 2006
Soyuz 2a 8 8 2006 – 2010
Soyuz Fregat 18 18 2006 – 2010
Soyuz U 30 30 2006 – 2010
Start-1 1 1 2006 – 2006
Taepodong 2 1 0 2009 – 2009
Taurus 3110 1 0 2009 – 2009
Tsiklon 2 1 1 2006 – 2006
Tsiklon 3 1 1 2009 – 2009
Zenit 2 1 1 2007 – 2007
Zenit 3LL 4 4 2008 – 2009
Zenit 3SL 12 11 2006 – 2009
Gesamt 355 337

Die Analyse

Es sind 355 Starts, also rund 70 pro Jahr. Engt man diese Liste weiter ein, indem man Modelle zusammenfasst, die technisch vergleichbar sind und sich nur durch Oberstufen oder Booster unterscheiden, so kommt man auf folgende Liste:

Submodell Starts Erfolge Einsatzzeitraum
Ariane 5 30 30 2006 – 2010
Space Shuttle 18 18 2006 – 2010
Atlas V 17 16 2006 – 2010
Chang Zheng 2-4 48 48 2006 – 2010
Delta 7000 28 28 2006 – 2010
Delta IV 10 10 2006 – 2010
Dnepr 11 10 2006 – 2010
Falcon 1 5 2 2006 – 2009
Falcon 9 2 2 2010 – 2010
GSLV 4 1 2006 – 2010
H-2A/B 12 12 2006 – 2010
Kosmos C 9 9 2006 – 2010
Minotaur IV 2 2 2010 – 2010
Minotaur 1 4 4 2006 – 2009
Mu V 2 2 2006 – 2006
Naro 1 2 0 2009 – 2010
Pegasus XL 4 4 2006 – 2008
Proton M Breeze M 45 42 2006 – 2010
PSLV 8 8 2007 – 2010
Rockot 7 7 2006 – 2010
Safir 2 1 2008 – 2009
Shaviyt 1 2 2 2007 – 2010
Shtil‘-1 1 1 2006 – 2006
Soyuz 60 60 2006 – 2010
Start-1 1 1 2006 – 2006
Taepodong 2 1 0 2009 – 2009
Taurus 3110 1 0 2009 – 2009
Tsiklon 2 2 2006 – 2006
Zenit 17 16 2006 – 2009
Gesamt 355 337

Es sind insgesamt 28 Trägerfamilien, die 70 Starts pro Jahr durchführen, also durchschnittlich nur 2-3 pro Modell und Jahr. Wer die Aufstellung ansieht, bemerkt, dass es aber deutlichere Unterschiede gibt. Es absolvieren nur 11 Träger mehr als 10 Starts in 5 Jahren, also mindestens zwei pro Jahr. 17 aber weniger. Viele nur einen oder zwei Starts in diesem Zeitraum. Die Sojus alleine absolviert mehr Starts als alle Träger mit weniger als 10 Starts in diesem Zeitraum zusammen, also die 17 am wenigsten eingesetzten Modelle!

Das isst der Hauptgrund, warum die Starts so teuer sind. Es gibt einfach zu wenig Starts pro Modell. Das führt zu enormen Startpreisen für bestimmte Modelle, wie z.b. der Taurus, die nun schon 70 Millionen Dollar pro Start kostet. Meine verblüffende Idee: Wenn man die Zahl der Modelle auf wenige einschränken kann, so wird jeder Start automatisch billiger. Teilt man die Nutzlasten in Gewichtsklassen ein so könnte man folgende Klassen aufbauen:

Nutzlast in LEO Starts Modelle
<1000 31 Falcon 1,Kosmos,Minotaur 1,Naro,Pegasus,Safir,Shavit,Shtil,Start,Taepodong
1.000 – 2.000 kg 20 Minotaur IV,My 5,PSLV,Rockot,Taurus
2.000 – 4.000 kg 25 Chang Cheng 4,Dnepr,Tsiklon
4.000 – 8.000 kg 101 Chang Cheng 2,Delta 2,Soyuz
8.000 – 16.000 kg 95 Atlas V,Delta 4,Falcon 9,GSLV,H-2,Zenit,Chang Cheng 3
> 16.000 kg 93 Ariane 5,Space Shuttle,Proton
Gesamt 355

Die Einteilung ist nicht perfekt, weil es z.B. bei der Chang-Cheng Serie zahlreiche Submodelle gibt mit unterschiedlicher Nutzlast, ebenso bei Delta und Atlas. Mein Vorschlag ist: Pro Klasse behält man weltweit einen Träger. Die Auswahl muss dann natürlich noch berücksichtigen, dass die Nationen unterschiedlich engagiert sind. Die meisten Starts führen die USA und Russland durch. China folgt als nächstes und Europa ist zwar nur mit einem Modell vertreten, dieses hat aber die Marktführerschaft bei kommerziellen Transporten. Aufgrund der geringen Startzahlen habe ich Japan, Indien und kleine Nationen vernachlässigt. Schon Japan als größte der kleinen Raumfahrtnationen führt nur 4% der weltweiten Starts durch. Daher meine Vorschläge für eine Konsolidierung des Trägermarktes:

Der Vorteil

Der Vorteil sind größere Stückzahlen. Wir reden je nach Typ nun von 4 bis 20 Starts pro Jahr. Das senkt die Produktionskosten durch eine höhere stückzahl. Gemäß der Erfahrungskurve sinken die Produktionskosten nach:

K = K0 * L ln2(n/n0)

K: Kosten von n Trägern, K0: Kosten eines Trägers. n/n0: Anzahl der Träger die verglichen werden. Setzt man n=20 / n0=7 (Ariane 5 vorher, nach Konsolidierung) und L=0,8 so sinken diese auf 71% der Kosten für sieben Exemplare. Bei Trägern mit noch mehr Konkurrenz ist der Effekt noch größer.

Weiteres Einsparpotential

Derzeit betreiben die größeren Weltraumnationen insgesamt 10 Weltraumbahnhöfe. Ein weiterer Kostentreiber sind auch die Kosten um diese zu betreiben. Zwar ist bei allen neueren Trägern die Reduktion der Startkosten ein integraler Bestandteil des Konzeptes – je weniger Personen man dafür benötigt und je schneller dies geht desto billiger wird es. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten zu Optimierung. So wird auch ein Weltraumbahnhof für eine bestimmte Maximalstartfrequenz ausgelegt. Diese muss deutlich höher sein  als die Regelfrequenz um z.B. Zeitfenster zu nutzen oder Verzögerungen abzufangen bzw. kurzfristige Aufträge integrieren zu können. ELA3 ist z.B. für acht Starts pro Jahr / minimal 30 Tagen zwischen zwei Starts ausgelegt. Bei vielen alten Trägern sind die Anlagen in Zeiten entstanden, als viel mehr Starts erfolgten und deutlich überdimensioniert. Für die Delta 2 gab es z.B. jeweils zwei Startrampen in VAFB und im KSC – dabei absolvierte diese Rakete weniger Starts als Ariane 5 in diesen fünf Jahren. Die Startanlagen und die Produktionskapazität von Lockheed Martin würden 24 Starts pro Jahr zulassen.

Weniger Weltraumbahnhöfe bedeuten eine bessere Auslastung der Bodenmannschaften. Wenn viel mehr Starts erfolgen gibt es praktisch kaum noch Zwangspausen weil gerade keine Nutzlast ansteht. Kurzum jeder Start wird billiger. Dazu kommt dass man Infrastruktur wie Treibstofflager, Treibstoffgewinnung, technische anlagen, Nutzlastintegration nur einmal vorhalten muss und nicht zehnmal. Es würde ein einziger Weltraumbahnhof reichen, der dann rund 70 Starts pro Jahr mit sehc Typen abwickeln müsste, was mit ein bis zwie Startrampen pro Typ möglich ist.

Ich schlage hier Kourou vor, da nur vom CSG aus alle Bahnneigungen möglich sind und für GTO Transporte der Energiebedarf minimal ist. Es gibt schon Rampen für die Ariane 5 und Sojus. Die Rampe für die Vega könnte für Starts der Rockot oder Falcon9/Minotaur umgebaut werden. Benötigt würden dann nur noch je eine zweite Startrampe für die Sojus und Ariane 5 um die vielen Starts durchführen zu können und je eine für die Lange Marsch/Atlas V.

Man sollte die Kosten nicht unterschätzen. Die ESA zahlt zusätzlich zu den Startkosten der Träger alleine für Ariane 5 rund 100 Millionen Euro zu um die Fixkosten des CSG zu finanzieren. Basierend auf dem Unterschied zwischen Herstellungspreis und Verkaufspreis betragen die Startkosten rund 25-30% der Produktionskosten. Auch diese sollten in dem gleichen Maße wie bei der Produktion senkbar sein.

Eine Vision

… aber eine realistische. Betrachten wir den Markt für größere Verkehrsflugzeuge so gab es früher zahlreiche Hersteller: McDonnell-Douglas, Lockheed, Boeing, Airbus, Iljuschin. Heute gibt es nur noch zwei Hersteller. Das Problem ist das jede Nation ihre eigene Trägerrakete haben will, weil dies prestigeträchtig ist. Wir finden in dem Zeitraum ja auch den Eintritt neuer Staaten mit neuen Trägern wie Iran, Südkorea oder neuen Typen wie der Taepodong. Doch zumindest die Nationen die viele Satelliten starten und die Kosten für den Zugang senken wollen, sollten fähig sein zusammenzuarbeiten um die Kosten zu senken. Schlussendlich müssen ja weder die USA noch Russland auf eigene Träger verzichten, nur werden eben nicht alle Satelliten auf eigenen Trägern gestartet. Die Geheimhaltung bei militärischen Missionen kann man gewährleisten wenn jedes Land ein eigenes Gebäude für die Nutzlastintegration betreibt. Der Satellit wird im Transportkontainer angeliefert und verlässt das Gebäude, eingeschlossen in die Nutzlasthülle, und danach kommt keiner mehr an den Satelliten heran.

Schade nur, dass diese Vision nie umgesetzt werden wird…

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