Die Taurus II
Nachdem ich mich so lange mit der Falcon 9 beschäftigt habe, nun mal ein Artikel über das Konkurrenzmodell, die Taurus II. Die wesentlichen Daten, damit wir mal denselben Informationsstand haben (ein Auszug des aktuellen Kapitels der Trägerraketenlexikons 1 von mir) finden sie hier. Nun die Konstruktion ist ungewöhnlich:
Die Taurus II setzt eine Stufe mit flüssigen Treibstoff als erste Stufe ein. Die zweite Stufe ist eine mit festem Treibstoff – das ist sehr ungewöhnlich. Es ist das Zugeständnis dafür, dass die Trägerrakete sehr preiswert produziert werden soll. Die Konzeption ist im Detail diese:
Die erste Stufe setzt einen Restbestand an russischen NK-33 Triebwerken ein. Diese wurden bis 1974 produziert und sollten zukünftige Versionen der N-1 antreiben. Als das Programm eingestellt wurde, wurden sie eingelagert. Später kaufte Kistler 36 der Triebwerke, lies sie von Aerojet überholen (ersetzen von Teilen die gealtert waren und mit neuer Steuerung). Nach dem Konkurs bot Aerojet sie als AJ-26 an.
Der Treibstofftank wird von KB Juschnoje produziert – dem ukrainischen Hersteller der Zenit – daher hat sie auch denselben Durchmesser wie diese. OSC übernimmt nur die Integration der Triebwerke in die restliche Stufe.
Die Frage ergab sich nun wie sieht die zweite Stufe aus? OSC entschied sich für einen Castor 30 Antrieb. Das ist ein verkürzter Castor 120 Antrieb, die erste Stufe der Taurus. Technisch macht dies wenig Sinn, denn auch wenn die zweite Stufe einen für feste Treibstoffe hohe Leistung aufweist, so ist sie doch flüssigen Treibstoffen unterlegen und vor allem ist sie zu klein – sie wiegt nur 15 t, die erste Stufe dagegen 260 t. Normal wäre bei in etwa gleichen Ausströmgeschwindigkeit ein gleiches Verhältnis von erster Stufe zu zweiter Stufe wie zweiter Stufe zu Nutzlast. Bei rund 6 t Nutzlast wäre also eine erste Stufe von rund 240 t und eine zweite von 36 t angebracht.
Da die Rakete wegen der kurzen Brennzeit beider Stufen für höhere Bahnen wie für sonnensynchrone Forschungssatelliten eine kleine Nutzlast aufweisen würde gibt es noch ein optionales Modul, das mit drei 500 N Triebwerken die Nutzlast für diese Bahnen erhöht, bzw. für Fluchtgeschwindigkeiten eine Star 48 Oberstufe.
Da diese Lösung technisch nicht optimal ist, gab es anfangs Pläne für eine leistungsfähigere zweite Stufe die LOX/Methan einsetzt. Das hat mich schon 2008 gewundert, da es kein fertiges Triebwerk für diese Kombination gibt (Japan entwickelt seit Jahren an einem für die J-1A Antrieb ohne diesen fertigzustellen und ein LOX/Methan Triebwerk wurde mal für den Altair Mondlander vorgeschlagen, aber noch nicht entwickelt). Diese Pläne hat inzwischen OSC aufgegeben. Stattdessen wird nun der Castor 30 Antrieb verlängert – genaue Angaben gibt es nicht, doch da von den bisher 11 Fuss Länge fast die Hälfte auf die Düse entfallen dürfte die Verlängerung um 8 fuss die Treibstoffmenge mehr als verdoppeln und damit die Stufe genau auf die Masse anheben, die nach den physikalischen Gleichungen die höchste Nutzlast bei gegebener Startmasse verspricht. 900 kg mehr wird der Castor 30XL bringen.
Sinnvoller wäre sicher die Adapation einer leistungsfähigeren Stufe, so wird die Centaur der Atlas V leichter als der Castor 30XL sein, aber die Nutzlast nicht von 5,1 auf 6 sondern rund 10-11 t anheben. Warum es unterbleibt? Fragen die offen bleiben. Vielleicht ist die Rakete dann auch zu leistungsfähig.
Das leitet über zu den Marktchancen des Trägers. Die Nutzlast von 5,1 bis 6 t je nach Oberstufe für LEO Bahnen und bis zu 1,1 t für Fluchtbahnen (mit Star 48B Oberstufe) liegen in der Delta II Klasse. Ich denke das war auch der Hintergedanke – nach der Ausmusterung der Delta II klafft eine Lücke im US Arsenal zwischen der Taurus XL mit 1,2 t Nutzlast und der kleinsten Delta IV Version mit rund 7,7 t (für eine SSO-Bahn). Die Taurus II liegt mit 3,6 bis 4,2 t Nutzlast in SSO genau in der Mitte. Allerdings hat es Gründe warum die Delta II ausgemustert wurde – nachdem die GPS Block IIR Satelliten ausliefen, gab es nur noch wenige Nutzlasten. 2009 fand der letzte Start eines GPS Satelliten Satt. Seitdem 17.8.2009 fanden nur vier Starts einer Delta II statt – alle für Erdbeobachtungssatelliten. Der Bedarf ist also gering. er ist aber gegeben, da zumindest die NASA und das DoD ab und an mal einen Wettersatelliten oder Erdbeobachtungssatelliten in diesem Segment starten. Zudem gibt es einige kommerzielle Kunden (zwei der Starts erfolgten für Italien und Digiglobe).
Ohne den COTS Beförderungsauftrag mit neun garantierten Starts hätte OSC aber wohl die Rakete nicht entwickelt. Schließlich rechnet so OSC mit einem Bedarf von 3-4 Starts pro Jahr. Ob es noch viele andere Kunden geben wird? Nun billig wird sie nicht. Die neuesten Infos weisen Startpreise von 80 bis 95 Millionen Dollar je nach Oberstufenkombination. Sie ist also in etwa gleich teuer wie eine Delta II.
Die Frage ist – geht dieses Rechnung auf, offeriert doch die Konkurrenz SpaceX die Falcon 9 für 54 Millionen Dollar – noch dazu mit höherer Nutzlast. Ich meine ja. Denn man muss sich nur mal die Infos auf beiden Websites ansehen: Ich meine nicht die Qualität, sondern was zu finden ist über die NASA. Bei SpaceX – Astronauten begutachten die Dragon, damit sie wissen was da auf sie zukommt. Bei OSC: NASA Administrator Charles Boulden beobachtet einen Test des AJ-26 Triebwerks im NASA Stennis Testcenter (SpaceX nutzt keine NASA Einrichtungen) und Charles Bolden eröffnet die Halle für die Integration am Wallops Zentrum von wo aus die Rakete startet. Wenn Du Aufträge von einem Kunden willst, ist es besser mit ihm zusammenzuarbeiten. Schließlich entscheidet wohl auch eher Charles Boulden bei der NASA als die Astronauten… Es ist auch von Vorteil, wenn man schon über 50 andere Trägerraketen und über 400 militärische Teststarts durchgeführt hat.
Wahrscheinlich wird die Taurus II eine ausreichende, wenn auch nicht großartige Startrate von 3-4 Starts pro Jahr erreichen – dann reichen die verbliebenen Triebwerke für rund 5 Jahre. Mal sehen wo dann Nachschub herkommt….
Weniger Leistung zum doppelten Preis … tja, mit genau dieser Einstellung sind die Preise in der US-Amerikanischen Raumfahrt schon in der Vergangenheit in die Höhe geschossen.
Der Hauptgrund, weshalb Boulden OSC besucht und nicht SpaceX dürften wohl innigste politische wie finanzielle Verbindungen sein (sprich: Korruption). – Mit denen darf ein unerprobter Frachter auch schon beim ersten Flug an die ISS andocken, ohne sie verlangt man 3 Demonstrationsflüge.
Es ist genau diese Form der Korruption die die US-Bundesregierung durch die Förderung von mehreren Firmen zu unterbinden. Einen besseren Weg gibt es mangels politischer Instrumente nicht, denn die Korruption ist im militärisch-industriellen Komplex (zu dem OSC definitiv gehört) tief verwurzelt und wird von den Regierungen der Bundesstaaten und kommunalen Politikern weiter befördert – weil der oft der einzige Weg ist an Geld zu kommen, denn Kürzungen im Militärhaushalt kennt man in den USA seit Bush praktisch gar nicht mehr – in allen lebenswichtigen Bereichen (Bildung, Infrastruktur, Katastrophenschutz etc.) dafür um so mehr.
Man kann alles auch anders sehen:
OSC existiert seit 1982, hat über 100 Satelliten und über 50 Trägerraketen gestartet – daher traut man ihnen eben mehr zu als SpaceX ohne diese Erfahrung. Auch stimmen die Fakten nicht. OSC macht zwei Demonstrationsflüge, SpaceX derzeit noch 3, aber man rechnet damit, dass die NASA ihr Okay für 2 gibt. Also auch da kein Unterschied.
Die Taurus liegt preislich genauso in derselben Region wie die Sojus (70 Millionen Euro) und Delta II (85 Millionen Dollar) bei etwa selber Nutzlast. Noch ist nicht sicher, dass SpaceX die Preise halten kann (bei der Falcon 1 haben sie sich mehr als verdoppelt).
Ach ja SpaceX mit dem direkten Obama Draht und Aufrufen Kongressabgeordnete mit Mails zu überfluten ist natürlich nicht in der Korruption verwurzelt….