Kürzlich hatte ich einen intensiven Mailkontakt mit einem ehemaligen SpaceX Mitarbeiter, denn ich euch nicht vorenthalten möchte. Ich füge die entsprechenden Passagen aus den Mails im Wortlaut ein. Zuerst zur Person:
„Sehr geehrter Herr Leitenberger
Mein Name ist Leon Kums, ich habe ihre Ausführungen über die Falcon Trägerraketen gelesen. Sie enthalten viele korrekte Angaben, aber auch manche falsche Informationen, die ich gerne berichtigen möchte. Ich war von 2002 bis zum März 2011 bei SpaceX für die Triebwerksentwicklung zuständig. Vorher habe ich nach meinem Abschluss an der Universität Stuttgart 1991 bei Lockheed Martin gearbeitet, zuletzt am X-33 Projekt. Als dieses 2001 eingestellt wurde bin ich zu SpaceX gewechselt.“
Wir kamen dann in eine Diskussion über die Triebwerke:
„Sie irren sich in dem Punkt, dass das Merlin eine SpaceX Eigenentwicklung ist. Als wir 2002 anfingen, waren wir nur ein kleines Team. Es gab noch gar keine konkreten Ziele, außer der eine Trägerrakete zu bauen die eine minimale Nutzlast in den Orbit befördern konnte. Doch selbst das wäre mit den wenigen Leuten, die wenigsten mit Berufserfahrung, nicht umsetzbar gewesen. So suchten wir nach einem Triebwerk das schon existierte. US-Triebwerke wären zum einen zu groß gewesen (das kleinste war das RS-27 mit 1.000 kN Schub gewesen) und vor allem nicht bezahlbar. Eine Lizenzfertigung von russischen und chinesischen Triebwerken scheiterte schon in den Vorgesprächen und die indischen Triebwerke, so stellte sich heraus, wurden selbst in Lizenz gefertigt. Da traf ich auf einer Aerospace Messe die Leute vom Canadian Arrow. Sie hatten einen Nachbau des A-4 Triebwerks zum Laufen gebracht und und wollten die ganze Rakete nachbauen. Das erschien als die Lösung. Es zeigte sich, dass nicht nur mit dem Untergang des Nazireichs alle Patente erloschen waren, sondern alle Blaupausen und Pläne in der US-Kongressbibliothek einsehbar waren. Zudem war das Triebwerk erprobt. Vor dem ersten Einsatz wurde es mehrere Jahre lang perfektioniert. Also entschieden wir uns aus dem A-4 das Merlin zu machen.
Das erste Merlin war nichts anderes als das A-4 Triebwerk umgestellt auf die Mischung LOX/RP-1 anstatt Kerosin und ohne Strahlruder. Der höhere Schub entspricht praktisch der höheren Ausströmungsgeschwindigkeit des Gemisches. Jemand fand, dass die Deutschen eine Zeitlang eine rein ablativ gekühlte Version erprobt hatten, und so sollte das Merlin auch ablativ gekühlt sein sein um Produktionskosten zu sparen, doch die höhere Hitzeentwicklung von LOX/RP-1 machte das unmöglich.
Die zweite Version ersetzte einfach den Gasgenerator auf Basis von Wasserstoffperoxid durch einen moderneren. Das ermöglichte einen höheren Treibstoffdurchsatz und höheren Schub. Derzeit reizen wir das A-4 Design voll aus, dass sehr hohe Sicherheitsreserven aufweist und erhöhen im Merlin 1c und Merlin 1d schrittweise den Brennkammerdruck und damit den Schub.“
Über die „engine.-out Capability“
Die Kombination von vielen Triebwerken bei der Falcon 9 war einfach eine Folge dessen, das wir uns weder eine Neuentwicklung leisten konnten, noch genügend Leute hatten, die schon vorher an Triebwerken gearbeitet hatten. Eine Auswertung der von der Wehrmacht durchgeführten A-4 Abschüsse zeigten, dass weniger als 0,5% scheiterten. Das machte uns relativ sicher, dass das Merlin nicht ausfallen würde. Es war dann die Idee, einfach jedes Triebwerk mit einem Kevlarumhang zu umgeben, und zu hoffen, dass das hält. Als das Elon sah, fragte er wozu es gut ist und wir haben es ihm erklärt. Er hat dann wieder sich selbst eingelesen und das bei der Saturn V mit der engine-out capability entdeckt und das groß rausgebracht. De fakto hofft eigentlich jeder, dass es nicht vorkommt und wenn sollten immerhin noch 19 von 20 Flügen klappen.“
Über die Wiederverwendung
„Auch das verdanken wir Elon. Er ist ja kein Raketeningenieur und versteht gar nichts von der Materie. Als er erfuhr, dass wir ein A-4 Triebwerk verwenden, hat er sich über die A-4 informiert und rausgefunden dass eines der Probeexemplare von polnischen Partisanen geborgen und zu den Briten geschafft wurden. Die Rakete hatte also den Wiedereintritt überlebt. Ohne Rücksprache zu halten, posaunte er gleich raus, dass die Falcon wiederverwendbar wäre. Wir sagten zu ihm „Elon, das ist Blödsinn, die A-4 hatte dicke Stahltanks, unsere sind aus Aluminium, das klappt nie“. Aber man kann nicht mit Elon diskutieren.“. Ich glaube nach fünf Versuchen hat er es langsam kapiert, dass es nicht geht, aber es ist nun schwer die Aussage zu revidieren“
Über die Website
„SpaceX hat keine Website. Die gehostete Website wird von einigen früheren Programmieren von Elons letztem Softwareunternehmen gehostet und diese haben keinen Kontakt zu uns. Praktisch alle Informationen, die dort publiziert werden, stammen daher von Elon selbst und das ist ein echtes Problem. Ganz peinlich war ja mal das mit der Sojus. Er hat das Heck einer Sojus gesehen und dann die Düsen gezählt und gesagt die Sojus hätte zwanzig Triebwerke. Das haben seine Leute dann auch in die Website aufgenommen. Das erklärt auch die verwirrenden Informationen, den wir versuchen immer Elon so weit wie möglich von der Technik abzuschirmen, eben weil er alles sofort publiziert worüber wir diskutieren selbst Ideen, die nie zu Produkten werden.“
Die Zukunft von SpaceX
„Ich bin seit drei Monaten nicht mehr bei SpaceX. Die Firma wird zwar dieses Jahr an die Börse gehen, doch ich sehe keine Zukunft für mich da. Sie macht seit ihrer Gründung keinen echten Gewinn, auch wenn ein solcher seit 3 Jahren ausgewiesen ist. Sie lebt seitdem von den Vorauszahlungen durch COTS und CRS. Doch ab nächstem Jahr müssen diesen Vorauszahlungen Flüge folgen und dann werden die Aktionäre zuschießen müssen oder SpaceX geht pleite. Würde SpaceX realistische Startpreise anbieten, so wäre das was anders. Aber Elon hat einfach alle Angaben durch den Faktor 3 geteilt, weil er von der völligen Wiederverwendung ausging. Würde er das nun revidieren, so wäre der Schaden noch größer als wenn wir Verlust machen, denn niemand würde SpaceX mehr glauben oder Flüge buchen. Derzeit läuft das Geschäftsmodell auf eine Art Schneeballsystem aus – neue noch größere Aufträge müssen die kosten durch alte Aufträge finanzieren. Ich sehe da für mich keine Zukunft“.
Ich fand die Korrespondenz sehr interessant und werde vielleicht bald weitere Details veröffentlichen.