Die Taurus II – man hätte es besser machen können
Als sich OSC 2006 um den Auftrag für die COTS Subventionen bewarb, benötigten sie neben einem Raumschiff auch eine Trägerrakete. Die größte bisher von OSC produzierte war die Taurus XL mit maximal 1,7 t Nutzlast. Die Delta II, die in der richtigen Größe war, würde in wenigen Jahren auslaufen. 2009 beendete die Air Force die Nutzung, die NASA schloss sich an. Eine von zwei Startrampen wurde sofort geschlossen.
Die Frage ist nun, wie kommt dann das Raumschiff in den Orbit? Atlas V und Delta IV wären zu groß gewesen und auch wenn sich in den letzten Jahren einiges getan hat, dürfte der Start auf einer russischen Rakete (z.B. hat die Sojus die richtige Nutzlast) wohl ausscheiden, zumal die Sojus ja auch noch die Progress und Sojusraumschiffe starten soll und die Produktion auch so hochgefahren werden muss.
Was herauskam, bezeichnet man als "Minimierung des Entwicklungsrisikos". Man nehme vorhandene Triebwerke (die NK-33, von denen 60 aus der Konkursmasse von Kistler bei Aerojet lagern), eine vorhandene Fertigung für Tanks (die von KB Junschnoje für die Zenit) und füge beides zur ersten Stufe zusammen. Dann fehlt noch eine zweite Stufe. Die Wahl der zweiten Stufe verblüfft aber einen. OSC wählte eine neue Feststoffoberstufe, die erst entwickelt werden musste, den Castor 30. Okay, das OSC, welche bisher nur Stufen von ATK einsetzte, nun wieder eine Feststoffoberstufe von ATK wählt ist nicht so verwunderlich. Eine Feststoffoberstufe muss auch nicht unbedingt eine kleinere Performance als eine Stufe mit mittelenergetischen Treibstoffen aufweisen. Die gewählte Castor 30XL hat z.B. einen sehr hohen spezifischen Impuls und ein Voll/Leermasseverhältnis von 12 – zumindest letzteres wäre ein Spitzenwert für eine gleich große Stufe mit lagerfähigen Treibstoffen oder LOX/RP-1. Zumindest eines ist klar: es gibt in den USA kein Triebwerk in der benötigten Schubklasse und die Entwicklung einer eigenen Stufe ist teuer.
Für OSC wird die Minimierung des Entwicklungsrisikos daher oberste Priorität gehabt haben, also die zweite Stufe soll erst mal preiswert in der Entwicklung sein. Warum? Nun OSC ist nicht Boeing und nicht Lockheed Martin. Vor allem aber: Die Delta wurde eingestellt, weil es zu wenige Nutzlasten gab. Wenn es zu wenig für die Delta gibt, so wird eine Taurus II auch auf nicht viele Starts hoffen dürfen. Schlussendlich gibt auch die Wahl der NK-33 Triebwerke, von denen es ja nur noch wenige gibt gegen eine hohe Startrate. Sie reichen für 36 Flüge. Derzeit umfassen COTS, CRS und ein Erprobungsstart 15 Flüge. Das lässt weitere 21 für einige andere Nutzlasten und weitere Versorgungsflüge. Zum Vergleich: Als die Delta II (im selben Nutzlastbereich) noch gefragt war, flog sie in 20 Jahren 131-mal.
Also soweit kann ich den Intentionen noch folgen: wenige geplante Flüge, geringe Investitionen. Nur in einem nicht: Warum eine neue zweite Stufe entwickeln? Die Taurus II wiegt beim Start rund 275 t. Bei zwei Stufen und in etwa gleichen spezifischen Impulsen würde man erwarten, dass die beiden Stufen zueinander und zur Nutzlast in etwa das gleiche Verhältnis aufweisen. Das sind bei 5,1 t Nutzlast dann rund 35 t für die zweite Stufe. Der Castor 30 Antrieb wiegt aber nur etwa 14,5 t. (30 steht für 30.000 Pfund Gewicht). Interessanterweise hat ATK ja schon den Castor 120 Antrieb in der Fertigung. Er ist etwas überdimensioniert und ohne Düse für den Vakuumeinsatz, jedoch hätte er dieselbe Nutzlast aufgewiesen. Mit einer längeren Düse sogar etwas mehr. Der Vorteil wäre gewesen, dass die Entwicklungskosten weggefallen wären. Das spielt bei wenigen Flügen schon eine Rolle. Warum nun ein neuer Antrieb, der noch dazu zu klein ist, gewählt wurde ist offen. Meine persönliche Meinung: Bekannt ist, dass der Castor 30 ein verkürzter Castor 120 ist, mit einer Düse für den Vakuumeinsetz. Da der Durchmesser bedeutend kleiner als der der ersten Stufe ist, wird er von der Nutzlastverkleidung mit umhüllt und die wäre wahrscheinlich bei einem Castor 120 dann einfach zu lang geworden. Interessanterweise entsteht nun gerade ein Castor 30XL, der mit rund 20 t Startgewicht näher an der optimalen Größe ist.
Was ich mich viel mehr Frage, ist aber warum OSC nicht die Centaur III oder die zweite Stufe der Delta 4 (4m Version) einsetzt. Bedie sind kompatibel zum Durchmesser der ersten Stufe (3,90 m, Centaur III: 3,05 m, Delta Zweistufe 4,0 m) und sie sind kryogen, d.h. weisen einen höheren spezifischen Impuls auf. Ich habe das mal gemacht und komme bei der Centaur III auf rund 10,8 t Nutzlast und bei der Delta 4 Zweitstufe auf 10,7 t. Da dies eine Nutzlastverdopplung ist und die Stufen existieren, ist das zuerst nicht einzusehen. Sie sind natürlich teurer als die Stufe von ATK, aber bei der doppelten Nutzlast wird es insgesamt billiger, denn sie kosten bestimmt nicht genauso viel wie der Rest der Rakete.
Nun es kann technische Gründe geben, wobei ich mir das zumindest bei der Centaur, die nun ja schon einige Umzüge bei den Trägerraketen hinter sich hat, kaum denken kann. Keine andere Oberstufe wurde auf so vielen unterschiedlichen Erststufen gestartet. Wenn die Cygnus als Nutzlast feststeht, ist natürlich eine Rakete welche die doppelte Nutzlast transportieren nicht von Vorteil. Die kann nicht genutzt werden, denn wenn der Nutzlastraum voll ist, ist er voll. Doch auch die Cygnus hat sich in der Entwicklung gravierend gewandelt und kam damals noch mit Wiedereintrittskapsel. Vor allem plante OSC ja eine selbst entwickelte LOX/LNG Stufe die immerhin die Nutzlast um 50% gesteigert hätte. Inzwischen wurde sie wohl begraben. Man kann nur spekulieren. Mit LOX/LH2 stößt die Taurus II in den Nutzlastbereich der kleinen Atlas V und Delta 4 Varianten vor. Wahrscheinlich ist das der Grund gewesen – wozu sich zwei neue Konkurrenten schaffen?
Ich denke OSC hat sich auf die Nische von 5-7 t Nutzlast, also die Delta II Nutzlast beschränkt, weil es hier auch nach Ausstieg des DoD immer noch einige NASA-Nutzlasten gibt. kleinere Raumsonden (mit Star 48V Oberstufe), Erdbeobachtungssatelliten. Nicht viele Starts aber einige. Schließlich hat die NASA schnell noch alle verfügbaren Delta II gekauft um den Zeitraum bis 2013 abdecken zu können, weil sie vorher weder Falcon 9 noch Taurus II für sicher genug für ihre teuren Nutzlasten hält. Einziger Konkurrent wäre dort SpaceX, die bei Auftragsvergabe für COTS noch keinen erfolgreichen Start hinter sich hatten. Die Überlegung war wohl, dass sie scheitern würden oder ihre Preise nicht halten könnten. Ob diese Rechnung aufgeht wird sich zeigen. Aber auch so wird es 2-3 Starts des ISS-Versorgers pro Jahr geben. Das ist in diesem Segment (wenn man sich die Zahl der Starts von Rockot, Dnepr, Taurus XL also eingeführter Typen), in den letzten Jahren ansieht gar keine so schlechte Bilanz.
Billiger wird’s nach bisherigen Verlautbarungen nicht. Inzwischen kostet die Taurus II deutlich über 80 Millionen Dollar. Es könnte aber auch sein, dass die CRS Flüge die einzigen Nutzlasten bleiben. Nicht nur wegen der Konkurrenz von SpaceX. Zum einen soll eine Athena IIC von unten her in die gleiche Nutzlastregion kommen (auch wenn man in den letzten 2 Jahren nichts mehr gehört hat), vor allem aber verhandelt die NASA mit dem DoD über die Buchung von Flügen aus dem EELV Programm. Dessen hohe Fixkosten rühren von wenigen Starts her, sodass sich die paradoxe Situation ergibt, dass die NASA diese Flüge nicht mehr als eine Delta II kosten. und Atlas und Delta 4 sind flugerprobt …
Zum Vergleich: Als die Delta II (im selben Nutzlastbereich) noch gefragt war, flog sie in 20 Jahren 131-mal.
Zum Vergleich: Als die Soyuz (im selben Nutzlastbereich) noch gefragt war, flog sie in 2 Jahren über 120 mal.
Aber in Zeiten, in denen 10 Flüge einer Falcon 9 pro Jahr schon (nicht ganz zu unrecht) als Größenwahnsinnig abgetan werden, frage ich mich, ob das Einschlafen der Raumfahrt denn an fehlender Notwendigkeit, an teuren Raketen, an mangelnden Ambitionen der Politik, an überzogenen Nutzlastpreisen oder ineffizienter Organisation liegt. Und ich tendiere ganz klar zu den letzteren.
Da will die EU eine neue Wettersatelliten „Konstellation“ für den polaren Orbit bauen und dann kommt soetwas heraus:
http://www.spacenews.com/civil/110701-eumetsat-withhold-constellation.html
Die „Konstellation“ besteht aus jeweils einem Satellitenpaar das keine Chance hat die ganze Erde im Auge zu behalten – zwei dieser Paare sollen gebaut und nacheinander betrieben werden. Insgesamt vier Satelliten zum Preis von 2,3 Milliarden Euro bzw. 3,2 Milliarden für drei Paare.
Man sollte meinen, dass das ein Witz ist – wenn es einer ist, dann kann man über ihn nicht lachen. Es geht nicht darum, eine moderne Chipfabrik in den Orbit zu bringen, sondern nur um ein paar Satelliten.
Und das mit dem minimierten Entwicklungsrisiko erinnert mich gerade fatal an die Ariane 5, für die man zur Minimierung der Entwicklungskosten und des Entwicklungsrisikos keine neue Software schreiben wollte …
Vergleiche mit den achtziger Jahren und der Sojus sind nicht sehr sinnvoll, weil Russland damals alle Aufklärungssatelliten noch mit Film ausrüstete und so auf enorm hohe Startzahlen kam. sinnvoll war das schon damals nicht, aber sie hinkten eben dem Westen hinterher. Genauso kommt man bei der Thor als die USA das noch machten auf sehr hohe Startraten.
Der Link den du postest ist in der Tat beunruhigend, vor allem weil die kosten so hoch sind. Das sind 540 Millionen Euro Entwicklungskosten und 575 Millionen Euro je gestartem Satellit. Ich meine das Ein Wettersatellit deutlich preiswerter sein sollte. Dabei war auch schon das Vorgängerprogramm METEOP A-C mit 1,85 Mrd. Euro für 3 Satelliten und 550 Millionen Euro Entwicklungskosten ähnlich teuer.
Ach ja und es ist natürlich bei Ariane 5 nicht einfach die Software übernommen worden. Wie bei den letzten Kommentaren ist die Aussage in der stark vereinfachten Form so falsch, aber ich schenke es mir inzwischen jeden Fehler zu korrigieren, zumal man sich ja auch mal selbst informieren könnte…
Ich finde die aktuelle Politik eh sehr fragwürdig. Man hat mit riesigem Kosten und Aufwand die EELV Träger entwickelt, die man jetzt subventionieren muss, weil die geplanten kommerziellen Einsätze praktisch komplett weggefallen sind. Anstatt diese Träger einzusetzen und vielleicht noch eine Small – Version zu entwickeln (die bei beiden EELV – Trägern geplant war, aber verworfen wurde), lässt man jetzt neue Träger entwickeln, die trotz der kostengünstigen Produktion in der Ukraine wegen der geringen Startzahl kaum zu den EELV Trägern konkurrenzfähig und zudem auch noch flugunerprobt sind. Würde man den privaten Entwicklern von Raumkapseln zum ISS Versorgung einen EELV Träger als Startrakete vorschreiben, so könnte man durch die zusätzlich nötigen Träger die Fixkosten der EELVs deutlich reduzieren und damit die Träger selbst deutlich günstiger machen, wovon am Ende alle profitieren würden. Aber für mich sieht es eher so aus, als werden die Aufträge gezielt an unerfahrene Firmen vergeben, um die etablierten Anbieter unter Druck zu setzen. Boeing / Lockheed Martin haben ein fundiertes Konzept zur weiteren Versorgung der ISS nach dem Ende des Shuttles vorgelegt, das zwar nicht ganz billig, aber realistisch war. Stattdessen haben mit SpaceX und Kistler zwei Firmen den Zuschlag bekommen, die bis dahin kaum etwas vorzuweisen hatten. SpaceX hatte zwar mit der Falcon 1 einen kleinen Träger entwickelt, dieser scheiterte aber bei 3 von 5 Starts (wenn man die starke Bahnabweichung des 4. Starts mitzählt dann eigentlich 3,5 von 5). Die Ursachen der Fehlstarts waren Kleinigkeiten, die seit eigentlich seit 50 Jahren gelöst waren (Stufentrennung, Leck durch Korrosion). Was SpaceX seit dem geleistet hat, ist auch nicht gerade vertrauenserweckend. Ich lege mich mal heute schon fest: SpaxeX wird den NASA Auftrag zur Versorgung der ISS nicht erfüllen können. Ein einzelner Fehlstart der Falcon 9 genügt, um die Firma in die Insolvenz zu treiben (siehe Sealaunch, und die hatten wenigstens eine bewährte Rakete). OSC hat zwar deutlich mehr Erfahrung, aber auch da ist der Zeitplan sehr eng und auch die Taurus 2 hat noch keinen erfolgreichen Start absolviert.
In meinen Augen hat man bei der kommerziellen Versorgung der ISS die Aufträge an Firmen vergeben, die das Blaue vom Himmel versprechen, aber noch nie wirklich etwas geleistet haben. Die nachträgliche Beauftragung von OSC ändert daran nur bedingt etwas. Offenbar ging es bei der Auftragsvergabe nicht um eine sichere Versorgung der ISS, sondern nur darum, die seit Jahren etablierten Firmen zugunsten einiger zweifelhaften kleinen Firmen zurückzustutzen. Die Quittung bekommt die NASA spätestens dann, wenn SpaceX noch vor den ersten richtigen Versorgungsflügen Pleite geht.
Nun ja beim EELV ist es das DoD das zwei Träger haben wollte, damit es bei einem technischen Problem es mindestens einen verfügbaren gibt. Dafür zahlen sie nun auch kräftig Subventionen, die aber noch gelinde sind angesichts des militräschen Etats für „Space“ (2006 mit 30 Mrd Dollar mehr als 50% über dem NASA Etat).
Das SpaceX und OSC eigene Träger entwickeln, liegt schlicht und einfach daran, dass die COTS/CRS Flüge eben das Ziel hatten diese kleinen oder neuen Firmen zu fördern. Es gab ja Bewerbungen von Boeing und LM mit ihren Trägern und Anpassungen des ATV und HTV bei beiden Ausschreibungen, die sicher viel sinnvoller hinsichtlich Verwendung schon existierender Hardware gewesen wären, die aber nicht zum Zuge kamen.