Bernd Leitenbergers Blog

Ariane 5 oder Ariane 6?

Arianespace kam in der letzten Zeit in die Schlagzeilen. Zuerst benötigte das europäische Trägerprogramm über 5 Jahren eine Finanzspritze von jährlich rund 200 Millionen Euro im Rahmen des EGAS Programms. Mit diesem Geld sollte die Industrie auch ihre Produktion optimieren, sodass die Zuschüsse in Zukunft nicht mehr nötig sind. Doch anders als Arianespace versprach, reicht dazu eine Startrate von sieben Starts der Ariane 5 nicht aus und nun sind wieder Zuschüsse in der Höhe von 120 Millionen pro Jahr nötig, nachdem Arianespace 2010 in die roten Zahlen rutschte. Schuld dran soll auch sein, dass es immer schwieriger wird für einen großen Satelliten einen kleinen, leichteren zu finden und so die Doppelstarts weniger werden. Und dann fordert Arianepace Chef Le Gall, natürlich gleich einen Nachfolger, denn dann doch bitte der europäische Steuerzahler finanzieren soll.

Nun ich habe das Thema schon mal aufgegriffen. Meiner Meinung nach gibt es keinen Grund für die Ariane 6. Denn:

  1. erstens: wer weiß ob sie billiger als die Ariane 5 wird? Diesen Anspruch hatte ja auch die Ariane 5 gegenüber der Ariane 4 und sie konnte ihn nicht einlösen
  2. zweitens: Ariane 6 soll zwischen 3000 und maximal 8000 kg (abhängig vom Konzept) in den Orbit befördern. Sie wird wenn man gleich an sie ran geht vielleicht in 10 Jahren zur Verfügung stehen. Glaubt denn Le Gall ernsthaft, dass bis dahin die Kommunikationssatelliten nicht auch schwerer werden? Bisher stieg das Gewicht in 30 Jahren um rund 200%. (größte Satelliten: 1981 rund 1800 kg, heute 7000 kg). In 10 Jahren werden dann viele Satelliten mehr als die 8 t wiegen und dann ist die Ariane 6 schon zu klein.
  3. drittens: Ich denke mal die Entwicklung wird einige Milliarden Euro kosten, dafür kann man sehr, sehr lange die Ariane 5 subventionieren.

Das Grundproblem und das wird Ariane 6 auch nicht beseitigen können, ist das die Konkurrenz heute aus Russland und China kommt. Ländern mit einem anderen Lohnniveau als die USA und Europa und das ist bei einer Fertigung eines Gutes in kleinen Stückzahlen mit hohem Anteil an Lohnkosten eben ausschlaggebend.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten: entweder wir akzeptieren eine Dauersubvention der Ariane 5 oder wir suchen nach Möglichkeiten den Start pro Kunde billiger zu machen. Auch wenn die Minister meist für das letztere sind, schließlich geht es ja um Industrieförderung (Deutschlands Widerstand gegen die Ariane 6 kommt ja vor allem aufgrund der Tatsache, dass die ESC-B Oberstufe in Bremen gebaut werden würde, während man bei der Ariane 6 noch kein großes Paket zugesprochen bekommen hat). Aber sind wir mal realisitisch: Die US-Trägerraketen leben heute zu 100% von staatlichen Aufträgen, bei Russland sind es rund 75% und bei China waren es auch mal 100% und jetzt sind es vielleicht 80-90%. Dagegen machen die ESA Starts bei Ariane 5 vielleicht 10-20% aus. Ariane 5 ist der einzige Träger der in diesem Maße vom kommerziellen Markt abhängig ist. Das bedeutet auch, dass die anderen Länder auf einen oder zwei Aufträge eher verzichten können als Arianespace. Verglichen mit den USA, die jährlich über 1 Milliarde Dollar alleine an Boeing und LM an Subventionen zahlen sind die 120 Millionen Euro ein Klacks. Vielleicht ist es daher eine niedrige Dauersubvention die bessere Lösung.

Das zweite ist es die Ariane 5 auszubauen um die Doppelstartfähigkeit zu erhalten. Die ESC-B Oberstufe wird die GEO Nutzlast auf 12 t erhöhen. Noch etwa 1 t mehr können CFK-Booster bringen und das Haupttriebwerk wenn es durch ein schubstärkeres Vulcain Mark III ersetzt wird auch nochmals 700 – 2.500 kg. (Siehe dieser Artikel von mir). Das ergibt dann zusammen rund 14-15 t GTO, wie die CNES schon 2002 in ihrer Ariane 2010 initiative darlegte. Dann ist Ende der Fahnenstange. Ich plädiere aber nachdem ich bei EADS Pläne für eine Ariane 5 mit 50 t LEO-Nutzlast und 6 Boostern sah für einen anderen Weg. Ich dachte immer, mehr Booster verbieten sich wegen der dadurch induzierten Vibrationen und sehr hohen Spitzenbeschleunigung, aber wenn EADS selbst so ein Konzept vorschlägt, warum es dann nicht für die normale Ariane verwenden? Die Booster sind die preiswertesten Teile an der Rakete. Das ist nicht ganz unwichtig und man kommt in höhere Stückzahlen. Für mein Buch „Europäische Trägerraketen 2“ habe ich mal durchgerechnet was es bringt. Dabei habe ich folgende Rahmenbedingungen angesetzt:

 

Konfiguration

Boosterzahl

Maximale
Beschleunigung

Nutzlast
mit Oberstufe ECA

Nutzlast
mit Oberstufe ECB

2 Booster
(Ariane 5 im Einsatz)

2

42 m/s

10.000 kg

11.600 kg

4 Booster

4

56 m/s

13.700 kg

16.000 kg

6 Booster

6

64 m/s

15.900 kg

18.800 kg

8 Booster

8

70 m/s

17.300 kg

21.000 kg

4+2 Booster

6

24 m/s / 47 m/s

21.600 kg

25,000 kg

6+2 Booster

8

32 m/s / 47 m/s

25,400 kg

29.800 kg

Die „4+2“ und „6+2“ Konfigurationen sind dahingehend zu verstehen, dass zuerst vier (bzw. sechs) Booster gezündet werden und erst nach deren Ausbrennen die restlichen zwei. Vier Booster reichen aus, um eine Startbeschleunigung von 1,18 g, sechs, um eine von 1,35 g zu ermöglichen. Das entspricht der Einführung einer neuen Stufe, und es verringert die Gravitationsverluste, da nun die Booster 264 s lang brennen (daher die um 200 m/s niedrigere Endgeschwindigkeit). Die hohe Leermasse der ESC-B Oberstufe wirkt sich nun weniger stark aus. Die Nutzlast steigt dadurch überproportional an.

Man sieht, dass man so zu beträchtlichen Nutzlaststeigerungen von bis zu 250% kommt. Ja man bräuchte nicht mal die ESC-B Entwicklung aufnehmen, denn schon die ESC-A würde ausreichen. Heutige Trägerraketen haben Spitzenbeschleunigungen von 55 m/s (z.B. bei der Atlas V). Damit wäre eine Kombination mit 4 Boostern möglich oder die x+2  Kombination. Diese ermöglicht schon mit der heutigen ESC-A Oberstufe enorm hohe Nutzlasten.

Die (6+2) oder (4+2) Kombinationen sind natürlich sehr reizvoll, weil sie satte Nutzlaststeigerungen versprechen, doch werden sie sicherlich nicht in absehbarer Zeit benötigt werden. Doch sehe ich keinen Grund eine Kombination mit 4 Boostern nicht näher zu untersuchen. Die EPC wäre strukturell zu verstärken, doch das habe ich oben schon erläutert, da EADS annimmt man könnte sie auch auf einen Shuttle SRB setzen (für die Liberty Rakete), wo der Schub nur von unten kommt, was eine größere Belastung ist als wie bisher (oben am Stufenadapter und unten am Schubgerüst) denke ich, ist es nicht unmöglich. Es müsste die Startplattform umgebaut werden, vor allem der Flammenschacht.

Denkbar wäre auch eine Version mit 3 Boostern, die dann zwischen der heutigen Ariane 5 und der Version mit 4 Boostern legen würde (so bei de Nutzlast der ESC-B Variante). Das wäre dann eine Möglichkeit die Ariane 5 wechselnden Nutzlasten anzupassen wie dies noch bei der Ariane 4 möglich war.

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