Bernd Leitenbergers Blog

Das Ende des Space Shuttles – der fehlende Nachfolger

Nun da Atlantis die letzte Reise eines Shuttles durchführt, ist es Zeit die lockere Serie über das Shuttle zu Ende zu schreiben. Anfang der achtziger Jahre war klar, dass die  Shuttles nicht das erfüllten was man sich von ihnen versprach. Geplant war einmal ein Gefährt, dessen Transportkosten vor allem von den Treibstoffkosten geprägt war. Dessen Rumpf 100 Flüge übersteht und die Triebwerke 55. Vor allem aber eines das nur wenig Wartung erforderte. 160 Arbeitsstunden sollte die Überholung nach der Landung dauern.

Was man erhielt war ein empfindliches Gefährt. Die Triebwerke mussten nach jeder Landung demontiert und inspiziert werden. Die Hitzeschutzkacheln, bei denen es Jahre dauerte, einen Kleber zu finden, mit dem man sie an der Rumpfstruktur befestigen konnten mussten nach jeder Landung inspiziert, ausgetauscht und mit giftigen Chemikalien behandelt werden, dass sie kein Wasser aufnahmen, das sie sonst beim Start oder der Landung zerstören könnte.

In der Summe brauchte ein Orbiter 87 Tage für die Überholung zwischen zwei Flügen, anstatt rund 4 Wochen wie geplant. Alleine die Lohnkosten für die Wartung machten 200 Millionen Dollar aus. Die gesamten Startkosten mit dem notwendigen Personal am KSC erreichten 500 Millionen Dollar. Dabei hatte das Konzept auch kein Wachstumspotential. So ließen sich die Triebwerke nicht mehr im Schub steigern, begonnene Bemühungen in dieser Hinsicht wurden wieder eingestellt.

Das alles ist heute bekannt und es ist nichts besonderes. Wie in allen Gebieten ist es so, wenn man etwas völlig neues macht, dann wird es meistens falsch eingeschätzt. Es erscheint zu leicht oder man erhofft sich zu viel von ihm. Das Shuttle ist hier sicherlich herausragend, doch das trifft auch auf andere „Erstleistungen“ zu, wie das Mercury Programm oder die Centaur Oberstufen, die beide ihren Kostenrahmen nicht einhalten konnten und hinter dem Zeitplan hinterherhinkten.

Aus heutiger Sicht wäre es wohl sinnvoll gewesen nach dem Verlust der Challenger sich zu fragen ob es nicht sinnvoller gewesen wäre damals die Shuttles außer Dienst zu stellen, oder nur noch unbemannt einzusetzen und ein Shuttle 2.0 anzugehen. Wie wir wissen ging das nicht. Wegen der „Jetzt erst Recht“ Mentalität die gegen rationale Argumente siegte. Doch nehmen wir mal an die NASA hätte nach Shuttle 1.0 basierend auf den Erfahrungen sich an eine alternative gemacht. Wie könnte das aussehen? Nun es gibt zig Konzepte aber ich denke wichtiger sind die Lehren des Shuttles:

Es muss getrennt werden zwischen Transportmedium für Personen und Fracht

Bemannte Flüge sind immer teurer als unbemannte, selbst wenn dieselben Träger zum Einsatz kommen, alleine wegen der umfangreichen Kontrollen, der langen Vorbereitung etc. Der Hauptfehler des Shuttles war es das als bemanntes Gefährt konzipiert war, aber die meisten Flüge vor dem Verlust der Challenger eigentlich reine Transportaufträge waren. Diese hätte ein unbemanntes Shuttle besser durchführen können. Neben den offensichtlichen Einsparungen durch die geringere Sicherheitsmarge kommt noch hinzu, dass die Nutzlast größer ist, da alle Systeme die für die Besatzung nutwendig sind wie die Passagierkabine mit starker Wand, Vorräte, Strom, Wasser etc. wegfallen.

Es reicht wenn ein Orbiter wenige Male bis vielleicht ein Dutzend Mal eingesetzt werden kann

Natürlich ist es toll, wenn ein Orbiter 100 mal eingesetzt werden kann. Doch das hat auch Nachteile. Die Herstellung wird dann entsprechend teurer. Gleichzeitig habe ich keine echte Serienproduktion mehr, sondern nur noch ein Einzelexemplar zu fertigen. Im Shuttle Programm musste kein Orbiter mehr in den letzten 20 Jahren gebaut werden. Wenn ein Orbiter zweimal fliegt so entfällt pro Flug 50% der Herstellungskosten. Sind es 10 Flüge, so sind es noch 10% und man ist in einem Bereich wo die Wartungskosten dominieren. Ein Orbiter der nicht so teuer wie die Shuttles ist, aber nur etwa 10-mal fliegt ist ein Gefährt von dem eines in 1-2 Jahren gefertigt wird. So bleibt er in der Produktion und so können auch laufend Verbesserungen in diese einfließen. Bei vielen heutigen Konzepten geht man von viel geringeren Einsatzzahlen aus. Bei Hopper sollen z.B. die Triebwerke nach 5-7 Einsätzen komplett ausgewechselt werden.

Macht ein Shuttle für den Personentransport Sinn?

Auf der einen Seite ist es das was ja immer die Astronauten haben wollen – ein Spaceship, also mehr ein lenkbares Gefährt wie ein Flugzeug. (Auch wenn das beim Shuttle ja nur in den letzten paar Minuten der Fall ist, steht bis heute als Qualifikation bei der NASA: mindestens 1000 Flugstunden, Testpiloten bevorzugt). Auf der anderen Seite ist jedes Shuttle vom Aufbau her viel anfälliger als eine Kapsel. Es gibt bei einer Kapsel beim Wiedereintritt bei entsprechender Formgebung das Phänomen, dass sie sich selbst korrekt ausrichtet. Auf sie kann man einen Fluchtturm aufsetzen und sie kann wegen ihrer kleinen Größe viel massiver gebaut werden. Man kann bei einem Shuttle einiges nachrüsten. Aber er wird nie die Sicherheit einer Kapsel erreichen. Sicherlich ist eine Kapsel als Einmalgefährt teurer. Aber muss man sie nur einmal verwenden? Eine der Gemini Kapseln wurde zweimal eingesetzt. Wenn man sie nur als Zubringer zu einer Raumstation auslegt und so ein Servicemodul einspart, denke ich wird man eine Kapsel wiederverwenden können, wenn man den Hitzeschutzschild neu aufträgt. Auch hier reden wir ja nicht über Zig-Male. Es reicht die Kapsel einige Male erneut zu verwenden. schon zweimalige Verwendung dürfte 50% der Herstellungskosten (ohne Hitzeschutzschild und Fallschirm) einsparen.

Wie sieht der unbemannte Transport aus?

Basierend auf den Shuttle-Erfahrungen wäre ich sehr vorsichtig bei Konzeption der nächsten Generation. Es gibt ein grundsätzliches Problem: Je höhere Geschwindigkeiten erreicht werden müssen, desto leichter muss das Gefährt werden, wenn (wie heute gegeben) die Ausströmungsgeschwindigkeit der Gase nicht mehr signifikant gesteigert werden kann. Das bedeutet eine Oberstufe soll möglichst leicht sein. Auf der anderen Seite sind die Belastungen beim Wiedereintritt um so höher, je schneller das Gefährt ist, was zwangsläufig die Leermasse erhöht. Sinnvoll ist es in meinen Augen daher das Widerverwenden zuerst einmal auf die erste Stufe zu beschränken und dann dort auch kryogenen Antriebe einzusetzen, damit eine echte Kostenersparnis resultiert. (Die Shuttle-SRB konnten zwar geborgen werden, aber schon bei Ariane 5 wäre das Bergen und Wiederverwenden teurer als eine Neuproduktion). Ob dies dann ein Shuttle ist (Hopper Konzept) oder eine geflügelte Erststufe (LFBB-Konzept) ist, muss sich zeigen. Ich persönlich halte das letztere für praktisch einfacher umzusetzen. Die zweite Stufe würde in diesem ersten Schritt dann noch ein Verlustgerät sein. Wird sie Huckepack getragen könnte man nach einigen Jahren Erfahrung dann sie vielleicht auch durch eine wiederverwendbare Stufe ersetzen, ohne  gleich die erste Stufe neu zu konzipieren. Um Energie zu sparen (man benötigt auch Treibstoff um aus dem Orbit zurückzukommen), wäre es optimal nur bis nahezu Orbitalgeschwindigkeit zu beschleunigen und den Rest eine kickstufe erbringen zu lassen. Dann würde auch die Nutzlast für höhere Bahnen oder GTO.-Bahnen nicht so extrem abnehmen wie beim Shuttle. Ein derartiges Konzept ist z.B. das Everest von EADS/Dassault.

Zum Schluss noch ein paar Zahlen, die nun zu STS-135 veröffentlicht wurden. Die Durchschnittlich in den Orbit beförderte Nutzlast betrug nur 11.600 kg pro Flug. Weit unterhalb der Maximalmenge von 21 t (Columbia) bzw. 34,7 t (andere Orbiter) – das zeigt das man nicht mal das System nicht ausnutzen konnte. Die Gesamtkosten des Shuttles betrugen nach NAA Angaben 208 Milliarden Dollar. Sie waren damit höher als von Apollo (151 Millionen Dollar, beide Zahlen inflationskorrigiert).

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