Faszination römisches Reich
Die kürzliche Themenwoche ROM bei arte bringt mich auf das heutige Thema: Wann immer man eine Reportage über die Antike sieht (das gleiche gilt auch für Spielfilme) geht es um Rom. Nun gab es natürlich auch andere Hochkulturen in der Antike und andere Weltreiche, wie das persische, das makedonische, das ägyptische und das assyrische oder babylonische. Warum also Rom?
Nun sicher ragt Rom in einigen Punkten heraus. Kein anderes Reich hatte so lange Bestand. Nimmt man das weströmische Reich, so sind es rund 600 Jahre Aufstieg von einem kleinen Stadtstaat zum Weltreich, das weitere 400 Jahre bestehen blieb und wenn man das oströmische Reich nimmt, kann man noch ein Jahrtausend dran hängen. Keines war so groß, und deckte den ganzen Mittelmeerraum ab. Und natürlich ist das römische Reich das einzige, das bis zu den Staaten reicht, die heute einen Großteil der EU bilden. Darunter natürlich auch Deutschland.
Ich denke es gibt aber auch andere Aspekte und das ist der Widerspruch in vielen Dingen. So erreichten die Römer einen Standard der nutzbringenden Anwendung von Erkenntnissen der verblüffend war. Mehrgeschossige Miethäuser, Zebrastreifen, Wasserversorgung mit Aquädukten über Dutzende von Kilometern, Kanalisation, öffentliche Toiletten und Fußbodenheizung, Schnellstraßen und Kuriere das alles kannten die Römer. Dagegen schufen sie keinen eigenen Kunststil, sondern übernahmen den griechischen und bewunderten diese sogar (Nero der sich als Künstler sah, wollte Griechenland sogar die Steuern erlassen). Sie bezeichneten andere Völker als Barbaren, ergötzten sich aber daran wie sich Gladiatoren in der Arena umbrachten oder Menschen wilden Tieren vorgeworfen wurden. Sie hatten einerseits einen praktisch auf Rom zentrierten Staat, in dem die Provinzen praktisch für das Leben in Luxus dieses Stadtstaates aufkommen mussten, aber romanisierten gleichzeitig die eroberten Gebiete. Führten also dort ihre Kultur und Lebensstil ein und siedelten dort auch Veteranen an.
Letzteres war wohl der Erfolgsfaktor. Es gab wie schon gesagt andere Großreiche vorher und viele davon gingen unter, weil irgendwo in den eroberten Gebieten es Aufstände gab. Diese gab es auch im römischen Reich, jedoch vor allem an den peripheren Gebieten. Die meisten davon in den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung, dann war es ruhig. Die Bewohner arrangierten sich mit dem Regime, erkannten den zivilisatorischen Vorteil, aber auch den Frieden. Auch wenn es durch die Steuern ein teurer Frieden war.
Die Frage ist, warum ging das Imperium unter? Nun offensichtlich durch den Ansturm anderer Völker, man könnte es als eine Folge der Völkerwanderung ansehen. Doch das ist nur das letzte Kapitel. Am Schluss gab es mehrere Faktoren. Zum einen war die Steuerlast immer höher geworden, die vor allem die Landbevölkerung traf, da die Grundsteuer 90% der Einnahmen stellte. Sie verarmte immer mehr. Die Armee wurde immer unattraktiver. Aus der Freiwilligenarmee wurde im Laufe der Jahrhunderte eine Wehrpflichtarmee und am Schluss gelang es kaum die nötige Zahl an Rekruten einzuberufen. In Rom begannen Kaiser auf eigene Rechnung zu regieren. Legionen riefen ihre Oberbefehlshaber zu Kaiser aus und es kam zu Kämpfen um den Thron. Da danach die Legionen mit Belohnungen in Form von Land oder Geld rechneten, vergrößerte dies die Finanzknappheit und es kam auch zu einer Inflation.
Das römische Reich ging unter, weil es am Schluss zu wenige Truppen gab um die Grenzen zu schützen. Die germanischen Stämme die einbrachen hatten eigentlich relativ wenige Krieger. Geiserich, der mit den Vandalen durch Frankreich und Spanien zog, dort ein erstes Königreich errichtete (das heute noch [V]andalusien heißt) und dann nach Afrika übersetzte, Karthago einnahm und schließlich Rom plünderte, verfügte über niemals mehr als 20.000 Kämpfer. Das entspricht 4 Legionen, keiner sehr großen Streitkraft. Das noch auf Italien beschränkte Rom konnte um 217 v.Chr. gegen Hannibal rund viermal so viele Truppen aufbieten. Nun konnte ein Weltreich nicht einmal mehr eine Grenzen verteidigen. Es begann eine Abwärtsspirale: Die germanischen Stämme die begannen sich auf römischem Gebiet niederzulassen bekamen dieses Land um sie an weiteren Eroberungen zu hindern. Damit entfielen aber Steuereinnahmen und die Armee wurde noch mehr verkleinert und konnte noch weniger gegen den weiteren Niedergang ausrichten. Als es unterging bestand das römische Reich nur noch aus Italien, einem kleinen Streifen an der Bretagne, Jugoslawien und dem westlichen Teil Afrikas.
476 wurde der letzte Kaiser der römischen Reiches Romulus Augustulus (ein interessanter Name, der sowohl den mystischen Gründer Roms wie auch den größten Kaiser beinhaltet) von dem germanischen Heerführer Odoaker einfach abgesetzt. Das römische Reich verschwand einfach. Niemand hat es erobert, noch haben die Provinzen sich selbstständig gemacht. Aber es lebte als Idee fort und das ist vielleicht das interessanteste. Von 911 bis 1806 gab es das heilige Römische Reich deutscher Nation. Eigentlich eine Parodie. Gerade die Stämme, die zum Zusammenbruch des weströmischen Reiches führten, die nie ganz erobert werden konnten, obwohl es viele Versuche dazu gab, Warum dieser Name gewählt wurde? Vielleicht weil Italien damals zum Reichsterritorium gehörte? Vielleicht weil der Papst die Kaiser krönte, der ja in Rom residierte?
Mal was anderes. Kann jemand russisch und mir sagen, ob diese Übersetzung http://panslavist.ru/2011/07/critical_american_history/ meinem Originalartikels http://www.bernd-leitenberger.de/amerika-supermacht.shtml fachlich (sinngemäß) ist?
Hallo Bernd,
dein Artikel wurde sinngemäß bis zum Absatz â
Ich habe schon vor längerer Zeit von Überlegungen gehört, die eine historische Parallele ziehen zwischen den jetzigen USA und dem antiken römischen Reich.
Interessant und gar nicht so abwägig, nicht wahr?
Rom ist hauptsächlich deswegen hierzulande das (fast) einzige Thema in der Antike, weil wir in Europa kurzsichtig sind.
Wen interessieren schon Äthiopien, Kambotscha, China, Indien, Persien …? Aus der Schule aus dem Sinn, könnte man sagen – denn die Geschichte dieser Länder findet sich, wenn überhaupt, dann nur zufällig einmal im Geschichtsunterricht wieder, als lästiger Fakt der auch noch gelernt werden muss.
Beispielsweise hört man unter Umständen etwas vom Boxeraufstand in China (weil u.a. deutsche Truppen bei der Niederschlagung beteiligt waren) oder vielleicht noch davor von den Opium-Kriegen in den 1830er Jahren.
Da ist China das Objekt, das irgendwie im luftleeren Raum, ohne Geschichte und ohne Konsequenzen existiert.
Die Qing-Dynastie in China befand sich nach einer kurzen Blüte im 17. Jahrhundert und Stagnation im 18. Jahrundert spätestens im 19. Jahrhundert im Niedergang. Die Kaiser der Qing-Dynastie waren aber keine Chinesen, sondern Jurchen. Die haben etwa zur Zeit des 30-jährigen Krieges in Deutschland und des Bürgerkriegs in Japan, der in der Etablierung des Togugawa Shogunats endete, die Bauernaufstände in China ausgenutzt um Beijing zu erobern.
Die Machtübernahme der Qing von der Ming-Dynastie war ein Blutbad mit zig Millionen Toten. Fortan war China unter fremder Kontrolle. Adam Smith beschrieb China Mitte des 18. Jahrunderts als größte Wirtschaftsmacht der Welt, die aber offenbar keine wirtschaftlichen Fortschritte macht. Mit einer im Elend lebenden Landbevölkerung die kaum ein Auskommen findet.
Nach den Opium Kriegen befand sich das Land in der Auflösung – wurde aber von den Wirtschaftsinteressen der Europäer zusammen gehalten, die die Qing unterstützten.
1850 begann die Taiping Rebellion.
Es dauerte bis zum zweiten Weltkrieg, bis eine militärische Auseinandersetzung wieder so viele Todesopfer forderte. Trotzdem ist sie hierzulande fast vollkommen unbekannt. Ihre Gechichte mutet bizarr an.
Ein Chinese hielt sich für den jüngeren Bruder von Jesus und erhielt von ihm den Befehl die Qing Dynastie zu stürzen. 1850 war die Bewegung groß genug, dass sie mehrere Städte im Süden Chinas unter ihre Kontrolle bringen konnte. In den nächsten 10 Jahren eroberte das „Himmlische Königreich des Friedens“ (Taiping Tianguo) große Gebiete im Süden, eroberte Suzhou und Hangzhou und drang bis Nanjing (bzw. Nanking) vor, bis die Bewegung 1864 niedergeschlagen wurde. Es kam praktisch zu einem totalen Krieg, in dem die gesamte Bevölkerung zu leiden hatte, nicht zuletzt durch aushungern ganzer Städte.
Es gab 20 Millionen Tote – mehr als im ganzen ersten Weltkrieg.
Noch vor Ende der Taiping Rebellion kam es in China zu den Dungan-Aufständen weiter nördlich. Bis 1873 kamen dabei weitere 10 Millionen Menschen ums leben.
Bis 1912 der Kaiser abdankte war das Land im Bürgerkrieg entgültig versunken. Die Japaner eroberten später den Norden Chinas und gründeten einen Vassallenstaat unter Führung des letzten Qing Kaisers, während der Rest des Landes seit 1927 im („offiziellen“) Chinesischen Bürgerkrieg war und von teilweise von den Japanern unter großem Blutvergießen erobert wurde.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges kamen schließlich die Kommunisten an die Macht, deren Herrschaft letztlich nicht schlechter sein konnte, als die hundert Jahre davor und unter Mao leider auch nicht besser war.
Aber anders als in der Zeit davor gab es am Ende eine Perspektive und die (tatsächlich umgesetzte) Chance auf Besserung und nicht zuletzt auch auf Selbstbestimmung.
Und weil niemand die Vorgeschichte kennt, schütteln alle nur mit dem Kopf, wenn die Chinesen mit tiefer Überzeugung sagen, dass die Herrschaft Maos zu 30% schlecht und zu 70% gut war …
Hallo!
Europäer Kurzsichtig?
Möchte ich so nicht stehen lassen.
Rom ist deshalb so faszinierend, weil es unsere Wurzeln sind.
Die sind für uns nun mal interessanter als chinesische Geschichte.
Neben Vielem, was Bernd bereits angemerkt hat, ist das römische Reich auch der Grund warum der Papst als Oberhaupt der Kirche (abgesehen von den Jahren der Kirchenspaltung) in Rom sitzt, und damit über Jahrhunderte aus europäischer Sicht dort der Nabel des christlichen Abendlandes war.
Man sollte auch nicht vergessen, dass die römische Hochkultur durch ihre Wiederentdeckung im 15.Jhd. neben den geographischen Entdeckungen einer der wesentlichen Auslöser der Renaissance war. So gesehen spielt hier Rom quasi als Spätwirkung die Rolle als Katalysator der Entwicklung unserer gesamten westlichen Zivilisation wie wir sie heute kennen.
Der Einfluss kann daher gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Daher ist das große Interesse durchaus berechtigt.
Der Einfluss von Ostasien auf unsere Entwicklung war über Jahrhunderte gesehen gering. Auch Dschingis Khan oder der Gewürzhandel waren letzlich nicht entscheidend für Europa.
Grüße
Peter
Letztlich bestätigst du nur das, was du von dir weist.
Wenn ein Chinese nach Europa kommt und nicht weiß, wer ein gewisser Napoleon war und noch nie etwas von den alten Griechen gehört hat, dann nennt man den hier auch kurzsichtig.
Die Renaissance in Europa ist übrigens mehr eine Spätfolge der Eroberungen durch Alexander dem Großen. Ohne die Hellenisierung des mittleren Ostens hätte wohl niemand die Aufzeichnungen der alter Griechen aufbewahrt (in persischer und arabischer Übersetzung) und deren Erkenntnisse aufgearbeitet und weiter geführt.
Die Renaissance in Europa ging hauptsächlich von Venedig aus – und deren Macht und Reichtum entstand erst durch den Handel mit Asien und das Wissen und die Ideen, egal ob in der Wissenschaft, der Philosophie, der Mathematik oder Astronomie hatten die eben von den Persern und Arabern. Und die wurden selbstverständlich auch von den Chinesen beeinflusst.
Samarkand wurde an der Schnittstelle zwischen China, Persien und Europa zum intellektuellen Zentrum der Araber, deren Entwicklungen die Grundlage der Renaissance in Europa wurden. So schlau waren die Jungs in der Antike, die Araber und Perser nun auch wieder nicht. Wer neues Wissen erzeugen will, der braucht alle Ideen an die er heran kommen kann – und China war trotz des Zerfalls ab dem 18. Jahrhundert historisch immer eines der fortschrittlichsten Länder der Welt.
Zu der Zeit kam es auch zum Untergang von Konstantinopel und dem Aufstieg des – in unserem Geschichtsbewusstsein ebensowenig vorhandenen, aber äußerst einflussreichen – Osmanischen Reichs. Das entstand aber erst durch das Machtvakuum das die Mongolen in den Seldschukischen Sultanat Rum, im heutigen Anatolien, hinterließen.
Dieses Sultanat stand auf dem Gebiet des alten Byzanz (das damals immernoch Rom genannt wurde, wovon der Name Rum abgeleitet wurde) umfasste aber nicht Konstantinopel selbst. Es konnte den Mongolen aber nichts entgegen setzen und wurde zu deren Vassallenstaat, der letztlich in sich zusammen brach und Platz machte für die Ausdehnung eines winzigen Sultanats aus dem das Osmanische Reich wurde – das Europa nachhaltig beeinflusst hat und nicht nur durch Einführung des Kaffees.
Es wird nur ein so winziger Bruchteil der Geschichte unterrichtet, dass man zwar immer den Eindruck hat, dass Europa und Rom der Nabel der Welt sind – aber sobald man weiter nachforscht merkt man, wie unglaublich eingeschränkt diese Weltsicht ist. Und das hier geschriebene ist auch nur ein kleiner Ausschnitt.
Hallo!
Die Frage war, warum Rom so interessant für die Leute ist.
Dass es alle möglichen Einflüsse und Wechselwirkungen gab, bestreitet niemand.
Die Erkenntnis dass alle irgendwie mit allem zusammenhängt bringt einen aber in der Frage nicht weiter.
Entscheidend ist, dass es ohne römisches Reich und lateinische Sprache, sowie die Verbreitung des Christentums ausgehend von Rom, unsere Kultur in der jetzigen Form nicht gäbe.
Insofern war der römische Einfluss nicht der einzige aber der wichtigste.
Darauf hinzuweisen hat nichts mit Kurzsichtigkeit zu tun.
Grüße
Peter
Die Kurzsichtigkeit bei der Beschränkung der Geschichtsbetrachtung auf Europa und die Gebiete ums Mittelmeer ist wohl staatlich verordnet. So kann man sich immer noch als stolzer „Kulturbringer“ fühlen, obwohl man oftmals hochentwickelte Kulturen zerstört hat, gegen die sich die europäische recht primitiv ausnahm.
Gewürzhandel war nicht entscheidend für Europa? Das sehe ich ganz anders. Es wurde ja nicht nur mit Gewürzen gehandelt, auch antikes Kulturgut wurde von den Händlern mitgebracht. Schon alleine das (und die darauf aufbauende Weiterentwicklung in der arabischen Welt) hat das Mittelalter gehörig umgekrempelt.
Gerade der Gewürzhandel hat zur Erschließung des Seeweges um Afrika und zur (letzten) Entdeckung Amerikas geführt. Im Grunde ist damit der Gewürzhandel der Beginn der Globalisierung – nicht Rom.
Hallo!
„Die Kurzsichtigkeit bei der Beschränkung der Geschichtsbetrachtung auf Europa und die Gebiete ums Mittelmeer ist wohl staatlich verordnet.“
Mal abgesehen davon, dass ich mir von Staat keine Meinung verordnen lasse, finde ich, die Aussage geht sehr in Richtung Verschwörungstheorie.
Kurzsichtigkeit und die Konzentration aufs Wesentliche sind zwei verschiedene Dinge.
Ich finde es gut, dass bei der Diskussion interessante Aspekte des kulturellen Einflusses auf Europa zur Sprache kommen.
Aber die Frage war nun mal, warum ausgerechnet Rom so interessant ist.
Dann stellen wir uns doch mal vor es hätte Rom NICHT gegeben (frei nach Monty Python aus das Leben des Brian: „Was haben uns die Römer denn gebracht….?)
http://www.youtube.com/watch?v=BbOedZN3Sb4
Grüße
Peter 🙂
Wenn China und das Osmanische Reich(*) nicht zum wesentlichen gehören, dann frage ich mich, warum sie dauernd in den Nachrichten sind.
(*) und die Nachfolgestaaten die nach dem ersten Weltkrieg übrig blieben – auch bekannt als der Nahe und Mittlere Osten (Irak gehörte noch dazu, Persien/Iran nicht)