Gesinnungstäter

Vor einigen Tagen habe ich bei ARTE eine Dokumentation über Nina Hagen angesehen (Wiederholungen um 3:45 heute und um 5:00 am 23.8). Die Dokumentation war, sagen wir mal höfflich „sehr wohlwollend“. Ich wusste nicht so viel über die Sängerin, aber das was ich wusste, war irgendwie im Gegensatz zu der Berichterstattung. Mir kamen da die Fernsehauftritte in den letzten Jahren in den Sinn, wo ich sie als jemand wahrnahm, der nicht mehr alle Tassen im Schrank So z.B. bei zwei Talkshows bei Maischberger mit Jutta Dithfurt und Joachim bublath. In dem Beitrag kam nur was davon, dass sie sich zur Punkbewegung zugehört fühlte und nun spiritistisch angehaucht ist. Auch das ihre Plattenerfolge recht lau waren, findet man nicht und die Band, die sie nach einem Jahr als sich der erste Erfolg ankündigte einfach sitzen lies, kam einem als der große Looser vor. Nina Hagen macht Karriere und sie verschwinden in der Versenkung. Komisch nur das mir einer der Musiker so bekannt vorkam.

Also habe ich mal in der Wikipedia nachgeforscht und da sieht es anders aus. Was mich am meisten überrascht hat war, das Nina Hagens erste Band später als Spilff erfolgreich war, was nun auch zwanglos das bekannte Gesicht erklärt. Und auch warum die einzigen Nina Hagen Titel die mir gefallen, die aus dieser frühen Zeit sind. Schade, denn da passte die Kombination aus Stimme und Musik. Immerhin stammt mein Nina Hagen Lieblingshit aus dieser Zeit, der die wohl beste Beschreibung des deutschen Fernsehens enthält: „Alles so schön bunt hier„. Eigentlich sollte eine Dokumentation neutral sein, aber diese war es nicht.

Die anderen beiden anderen Gesinnungstäter sind Werner Büdeler und Stratis Karamanolis. Ich habe von beiden Raumfahrtbücher gelesen, bzw.. bin gerade dabei. Bei Büdeler handelt es sich um das Buch „Weltraumfahrt – Möglichkeiten und Grenzen“, der in seiner typischen Art einen Bogen spannt von den ersten Ideen für die Raumfahrt bis zum aktuellen Stand der bemannten Raumfahrt im Jahr 1967, als das Buch geschrieben wurde. Also mir hat das Buch nichts neues gebracht, auch weil es für ein nicht vorgebildeten Publikum gedacht wird. Aber es fiel mir auf weil es so in dem Stil geschrieben ist, „die Weltraumfahrt ist die Spitze der Technologie“. Es wird als fast wunderbar geschildert dass eine Rakete aus hunderttausenden von Einzelteilen funktioniert, wo doch ein Ausfall schon alles kaputt macht oder wie man einen kleinen Korridor zum Mond erreicht. Alles was negativ ist, wird ausgeblendet. So findet der Tod der Apollo 1 Besetzung gerade mal in einem Nebensatz Erwähnung und das die Gemini 8 Besatzung auch hätte tot sein könnte, findet man auch nicht.

Das ist überzeugend, wenn man nicht vorgebildet ist. Denn wenn eine Rakete ausfällt weil ein Teil defekt ist, dann tut es das auch ein Verkehrsflugzeug das in etwa genauso kompliziert aufgebaut ist. Wenn das Erreichen des Flugkorridors ein Wunder ist, dann ist es sicher auch ein Massenspektrometer, das bis zu Femtogrammmengen detektieren kann. Das ist z.B. ein Fingerhut voll einer Flüssigkeit, aufgelöst im Bodensee. Hinreichend beschrieben ist jede Technik, deren Leistung weit weg von der täglichen Erfahrung weg ist „wunderbar“. (Nebenbei bemerkt ist bei der Massenspektrometrie die Aufgabe nicht die Bestimmung, sondern die Isolation genau der Stoffe die man bestimmen will aus der Matrix, denn natürlich wird auch jeder andere Scheiss genauso empfindlich detektiert).

Heute sind die Leute schlauer und so fängt Stratis Karamanolis gleich an die Weltraumfahrt zu verteidigen. Bei ihm handelt es sich um das Buch „Die internationale Raumstation“ von 1967. Als erstes geht es darum, dass wohl die Raumfahrt selbst kritisiert werde. Meiner Erfahrung nach wird sie das nicht, sondern nur die bemannte Raumfahrt. Dann kommen Plädoyers über die Fähigkeit des Menschen Dinge zu reparieren wie bei Apollo 13 und Skylab. Auch hier ist das ganze suggestiv, obwohl selbst der Verfasser schon die Schwachheit seines Arguments bewusst ist „Man könnte natürlich argumentieren, wenn es sich bei Apollo 13 um ein umbenanntes Raumfahrzeug gehandelt hätte, wäre es gar nicht notwendig gewesen, dieses Raumfahrtgefährt nach dem versagen wieder zurückzubringen. Doch das steht auf einem anderen Blatt„. Nein, das ist der entscheidende Punkt. Auch bei Skylab. Das es darin zu heiß war spielt nur eine Rolle wenn es bemannt ist. Für eine rein unbemannte Mission hätte auch die Stromversorgung ausgereicht. Wenn man von den Fähigkeiten schreibt die der Mensch Robotern voraus hat, hinsichtlich Flexibilität, dann sollte man auch unbemannte Missionen erwähnen bei denen entscheidende Dinge ausfielen und die an durch umkonfigurieren noch rettete, wie Voyager 2 mit dem ausgefallenen Primärsender und beschädigtem Sekundärsender oder Rosat nach Ausfall der Lageregelungsgyros. Überhaupt sind hier unbemannte Projekte flexibler als der Mensch der nicht „umprogrammiert“ werden kann und dass eine Marsmission die 2 Jahre dauern sollte, über 10 Jahre lang arbeitet wie dies bei schon mindestens zwei Marssonden der Fall ist, ist beim Menschen nicht möglich.

Die Argumentation von Stratis Karamanolis steht auf schwachen Füßen. Dann sollte wenigstens der Text nicht angreifbar sein. Doch das ist nicht der Fall. Ich habe von dem Buch erst wenige Seiten gelesen. Doch schon stolpere ich über etliche Fehler wie hier:

Voyager 1 startete am 5.9.1977 und passierte am 11.11.1980 den Saturn. Voyager 2 den Jupiter am 9.7.1979. Schon wenn man die Daten vergleicht sollte auffallen, das der Jupitervorbeiflug nicht nach dem Start sein kann. Und natürlich dauerte der Uranusvorbeiflug nicht nur 15 Stunden, sondern die Sonde war über mehrere Monate aktiv. Auf der nächsten Seite geht es weiter. Demnach durchflog Pioneer 11 zehn Tage lang zweimal die Ringe von Saturn und näherte sich bis auf 2000 km an die Wolken. Richtig wäre wohl 10 Stunden und 20.000 km. Dazu kommen dann Grafiken wie diese:

Demnach sind Sojus und Proton breiter als die Saturn V. Das ist natürlich völliger Unsinn. Das Bild ist nicht maßstäblich. Bei der Apollokapsel ist die Saturn V 3,91 m breit, das entspricht in etwa der Rumpfbreite der Proton. Die Proton ist mindestens um den Faktor 2-3 zu groß dargestellt. Und bei der Sojus liegt der Fall ähnlich.

Mir stieß das auf. Ein Sachbuch sollte weitgehend fehlerfrei sein. Kein Sachbuch ist fehlerfrei und auch mir kommen bei Überarbeitungen immer wieder Fehler unter, meistens sind es Sachen die ich falsch verstanden habe und wenn ich genauer drüber schreiben will und mich nochmal einlese entdecke ich das. Ich glaube nicht dass dies für einfache Autoren, die eine kleine Auflage haben, praktisch vermeidbar ist. Bei Lehrbüchern oder Nachschlagewerken gibt es etliche Lektoren auch mit fachlichem Know-How. Das muss bei Raumfahrtbüchern meistens entfallen. Es wird also immer Fehler geben. Nur ist eben die Frage wie viele und wie auffällig. Hier finde ich sind es besonders peinliche: Datums- oder Datenfehler weil sie so einfach nachprüfbar sind und wenn sie in dieser Menge auftreten. Das lässt einen das Vertrauen in das Buch verlieren.

Zumindest bei Stratis Karamanolis finde ich die Überzeugungsarbeit für die bemannte Raumfahrt überflüssig. Wer sich ein Buch über die „internationale Raumstation“ kauft ist daran interessiert also steht er dem Projekt positiv gegenüber.  Aber es muss eben fachlich korrekt sein. Da der Autor ja schon einige Bücher geschrieben hat, ist das um so unverständlicher.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ein Sachbuch neutral sein sollte. Wenn man von Technik begeistert ist, dann verbessert das den Schriftstil, man sollte aber nicht versuchen Überzeugungsarbeit zu leisten und wenn, dann eben fachlich fundiert. Klar, man versucht immer eigene Meinung einzubringen. Ich habe das auch in meinen Büchern getan, aber vielleicht besser und nicht so aufdringlich. Vor allem aber am Schluss und nicht am Anfang. Ich denke wenn man die Fakten erst mal dargestellt hat kann man seine eigenen Schlüsse präsentieren, aber nicht schon mit der Meinung gleich anfangen.

5 thoughts on “Gesinnungstäter

  1. Wobei die „Sojus“ noch nicht mal eine ist. Da fehlt die Oberstufe mit dem typischen Gitter-Adapter. Was auf dem Bild zu sehen ist, ist die R7 in der Version als Interkontinentalrakete.

  2. Wobei selbst das falsch wäre. Die Sputnik-Trägerrakete hatte auch eine dritte Stufe mit Gitteradapter. Ist zwar kürzer als die Oberstufe der Sojus, aber trotzdem nicht zu übersehen.

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