Das James Web Space Telescope (JWST) wird das teuerste unbemannte Weltraumprojekt überhaupt werden, teurer als Cassini, Viking, Galileo oder das Mars Science Laboratory – nicht nur absolut (mit derzeit auf 7,8 Milliarden Dollar Gesamtkosten) als auch inflationskorrigiert. Doch lohnt es sich?
Was der Knackpunkt ist, sind natürlich die Kosten. 7,8 Milliarden Dollar ist wirklich viel Geld. Es kostet damit so viel wie 4 Jahre ISS Betrieb oder 2-3 Jahre Space Shuttle Betrieb. Bei dem Vergleich mit unbemannten Projekten wird es sogar noch auffälliger. Das nächst kleinere Projekt ist das 2,5 Milliarden Dollar teure MSL, das um den Faktor 3 kleiner ist. Neue Missionen zum Mars dürfen maximal 480 Millionen Dollar ohne Trägerrakete kosten. Das ist auch in etwa das Preisetikett eines anspruchsvolleren Forschungssatelliten.
Nun existieren auch unbemannte Raumfahrtprojekte nicht im Vakuum. Ihre Kosten müssen gerechtfertigt sein. Und da hapert es. Astronomische Satelliten können zwei Vorteile aus dem Weltraum ziehen:
- Sie können außerhalb der Erdatmosphäre Vorteile daraus ziehen dass deren abschirmende Wirkung fehlt
- Sie können einen Vorteil daraus ziehen, dass die Luftunruhe wegfällt und es keinen Tag gibt (längere Beobachtungszeit)
Die Satelliten die Prinzip 1 ausnutzen sind ohne Alternative. Wer den Weltraum im Bereich der UV-, Röntgen- und Gammastrahlen, aber auch im Infraroten beobachten will muss die Erde verlassen. Alle Strahlen mit einer Wellenlänge kleiner als des sichtbaren Lichts werden absorbiert – zum Glück für uns, denn sonst gäbe es kein Leben auf der Erde. Das zweite sind die Infrarotstrahlen. Hier gibt es einige Fenster in denen man auch auf der Erde beobachten kann. Aber auch hier absorbieren Spurengase in der Atmosphäre und beim langwelligen Infrarot gibt es das Problem, dass man Strahlung von Objekten misst, die so warm sind wie die Teleskope. Es ist auf der Erde möglich zwar die Detektoren zu kühlen, aber nicht die ganzen Teleskope. Daher müssen auch Infrarotteleskope ab einer bestimmten Wellenlänge ins All ausweichen.
Das zweite sind die Teleskope, die im sichtbaren Licht arbeiten. Hier gab es schon Vorläufer. In den sechziger Jahren die OAO Serie und seit 1990 Hubble. Auch die Vorgänger waren nicht billig. Die drei OAO kosteten damals 200 Millionen Dollar, vor allem wegen der hohen Anforderungen an die Genauigkeit der Lageregelung. Hubble wurde noch teurer. Im Januar 1977 fiel der Startschuss für das Projekt. Ursprünglich 450 Millionen Dollar teuer gab es zuerst Probleme bei der Entwicklung und später durch den verspäteten Start der Shuttles, welche die Projektkosten explodieren ließen. Obwohl der Teleskopdurchmesser von 3,05 auf 2,38 m geschrumpft war, kostete Hubble bis zum Start viermal so teuer wie geplant. Beim Start prangte ein Preisetikett von 2 Milliarden Dollar auf dem Weltraumteleskop. Davon 1,5 Milliarden für das Teleskop, der Rest für den Start.
Wie bekannt, zeigte sich dann dort ein Konstruktionsfehler, der zu einer Anpassung der Servicemissionen führte. Die Servicemissionen, das waren die eigentlichen Neuigkeiten bei Hubble. Hubble sollte 10 bis 15 Jahre lang betrieben werden. Das ist ein Zeitraum, in dem es laufend verbesserte Instrumente gibt. Sie sollten gewährleisten dass Hubble laufend dem aktuellen technischen Stand angepasst werden konnte und das Raumteleskop wurde für eine Wartung ausgelegt. Die erste Servicemission wurde nun vorgezogen und neben anderen Arbeiten wurde eine Korrekturoptik eingebaut. Sie kostete 674 Millionen Dollar, davon nur 100 Millionen für die Korrekturoptik. Das zeigte auch die Kehrseite: mit den Shuttles waren die Servicemissionen teurer. Es folgten weitere. 1997 die 795 Millionen Dollar teurere SM-2. Die Servicemission 3A, die nur Teile austauschen sollte, kostete dann 95 Millionen Dollar für diese, plus die Shuttle Missionskosten. Da in diesem Jahr nur drei Shuttlemissionen stattfanden, addiert das weitere 999 Millionen Dollar.
Die Kosten für die Servicemission 3B habe ich nicht gefunden. Doch die letzte wurde richtig teuer, weil alleine die Rettungsmöglichkeiten die NASA 553 bis 636 Millionen Dollar kosteten, was die Gesamtkosten für diese Mission auf 1104 bis 1176 Millionen Dollar katapultierte, davon nur 475 Millionen Dollar für die Instrumente. Insgesamt kostete Hubble die USA nach der letzten Servicemission 9,6 Milliarden Dollar, die ESA weitere 593 Millionen Euro. Etwa ein Viertel der Summe entfällt auf den Betrieb, ein Drittel auf den Bau des Teleskops und neue Instrumente. der Rest auf die Durchführung der Servicemissionen. So gab es nicht wenige Vorschläge, anstatt der letzten Servicemission, deren Preisschild die NASA anfangs noch mit 1,7 bis 2,3 Milliarden Dollar angab, einfach ein nachgebautes Hubble Teleskop mit einer Atlas oder Delta zu starten, das wäre immer noch billiger.
Das James Webb Teleskope wird nicht gewartet werden. Das Konzept hat sich als zu kostspielig erwiesen. Es ist auch nicht direkt mit Hubble vergleichbar. Das JWST wird im nahen Infrarot, also dem Spektralbereich forschen, der an das sichtbare Licht angrenzt. Da nun die Wärmestrahlung von Körpern mit Zimmertemperatur stark stört, wird nicht nur das ganze Teleskop von einem entfaltbaren Sonnenschirm geschützt werden. Es kann auch nicht in einer Erdumlaufbahn betrieben werden, bei der die Erde fast die Hälfte des Himmels bedeckt und ihre Wärme das Teleskop aufheizen würde. Daher wird es von einer Ariane 5 in einen Librationspunkt entfernt von der Erde gestartet.
Doch es ist in seiner Auslegung auch extrem anspruchsvoll. Der Nutzlastraum der Ariane 5 ist nicht größer als der des Space Shuttles. Doch der Hauptspiegel des JWST wird 6,5 m Durchmesser haben (geplant waren mal 8 m, auch diese Reduktion eine Parallele zu Hubble) anstatt 2,4 m bei Hubble – damit passt es nicht mehr in den verfügbaren Platz. Also besteht der Hauptspiegel aus 18 Segmenten von 1,3 m Durchmesser. Der entfaltbare Sonnenschild ist sogar 12 x 22 m groß. Gerade diese Herausforderungen machen, es aber auch so teuer und die Gefahr, dass beim Entfalten etwas schief geht – optische Instrumente müssen bis auf Mikrometer genau einer vorgegebenen Form folgen – bei Hubble betrug die Abweichung des Spiegels von der Idealform nur 2 µm! ist natürlich groß.
Das Problem eines optischen Weltraumteleskops ist die Konkurrenz auf der Erde. Als die ersten Weltraumteleskope starteten, war die Welt noch in Ordnung: Die größten Teleskope auf der Erde hatten Durchmesser von 2,5 bis 5 m. Ein 6 m Teleskop Russlands blieb hinter den Erwartungen zurück, weil nun so große Spiegel massive Probleme machten. Sie wurden schwer, Glas verformte sich unter dem Eigengewicht. Bis 1990 baute keiner ein größeres Teleskop als das 5 m Teleskop von Mount Palomar, weil es unwirtschaftlich war. Neue Teleskope lagen eher in der 3 bis 4 m Klasse. Bewegung kam durch die Erfindung des CCD. Nicht nur war es um den Faktor 10-20 empfindlicher als Film. Es ermöglichte auch die Echtzeitverarbeitung und damit hatte man eine Möglichkeit die Luftunruhe, den Hauptfeind der Astronomen zu begegnen. In den achtziger Jahren erprobte man adaptive Optiken. Das Prinzip: Die Luftunruhe welche die Auflösung der Teleskope begrenzt, wird bestimmt und die Teleskopspeigel durch mechanische Elemente so verformt, das wieder ein besseres Bild resultiert. Das wurde in den achtziger Jahren bei kleineren Teleskopen erprobt und in den neunziger Jahren entstanden neue Teleskope welche auf dieser Technik basierten, wie das VLT und die Spiegeldurchmesser stiegen an. Innerhalb von wenigen Jahren wurden 12 m erreicht. Das sie sich verformen war nun sogar erwünscht – denn das sollten die Aktoren ja gerade tun und damit wurden sie auch dünner und leichter. Seit dem Keck Teleskop weiß man auch, dass man ein großes Teleskop aus vielen Einzelspiegeln aufbauen kann, so wie dies auch beim JWST geplant ist.
Das Problem: Als Hubble 1990 startete es das 22. größte auf der Welt. Heute ist es das 54.ste. Wenn das JWST 2018 startet, wird es zwar auch nach dem heutigen Stand die Nummer 20 sein. Aber der Unterschied ist größer. 1990 hatte das größte Teleskop, das brauchbare Bilder lieferte, 5 m Durchmesser. Hubble war halb so groß. 2018 werden drei Teleskope von 21,4, 30 und 39,3 m Durchmesser ihren Betrieb aufnehmen. Sie sind die ersten einer neuen Generation, bei der bis zu 100 m Durchmesser geplant ist. Dagegen wirkt JWST wie ein Zwerg und trotzdem sind die Baukosten dieser überschaubar. Das größte, das European Extreme Large Teleskope wird 1,04 Milliarden Euro kosten – einen Bruchteil der Kosten des JWST. Bodengebundene Teleskope haben seit 1990 dramatische Fortschritte gemacht. Sie wurden auch mit immer leistungsfähigeren Kameras und Instrumenten ausgestattet. Auch das wird beim JWST ausbleiben. Es kann nicht modernisiert werden, weil wir es nicht erreichen können, wenn es einmal 1,5 Millionen km von der Erde entfernt ist. Wir werden auch nichts reparieren können, wenn es Probleme beim Entfalten des segmentierten Spiegels oder des Sonnenschildes gibt, ohne das das Teleskop viel zu warm sein wird.
Daher bin ich gegen dieses Projekt. Gemessen an den Kosten ist der Nutzen recht gering. Es steht zu erwarten, dass man bald die gleiche Leistung auf der Erde für einen Bruchteil der Kosten erhält. So, da dies ein sehr langer Blogeintrag war gibt es ausnahmsweise mal einen Tag Pause, damit ihr nicht überfordert werdet….