„Im Visier der Grizzly-Giganten“, ZDF – oder Andreas Kieling – 4,5 Meter groß
Ein Essay von Francesco Lupo
Das ZDF hatte viel versprochen für diesen Abend. 4,5 Meter große Bären wollten sie uns zeigen, 1300 kg schwer. Eine ansehnliche Hypothek, eingedenk der Tatsache, daß Ursus arctos, auch wenn er ausnahmsweise zu den Riesen zu zählen ist, kaum 3 Meter mißt. Kodiakbär vielleicht 700, Eisbär mit Winterspeck auch mal 1000 kg schwer. Aber 4,5 Meter? Und 1300 kg? Na, wir werden ja sehen.
Sonntagabend, 19 Uhr 30. Wir sahen! Den Tierfilmer Andreas Kieling, ein Narziß, der uns in die Wildnis Alaskas entführte und alle sofort verzauberte. Er versprach Abenteuer pur, Luft, die nach Salz schmeckt, Gefahr hinter jeder Brombeerhecke. Und jede Menge Bären.
Wer mag sie nicht, diese zotteligen Fellknäuel? Hineinwühlen möchte man sich, kraulen, streicheln. Da sehen wir Herrn Kieling im Fluß stehen, man fühlt die Spannung körperlich, Großaufnahme, toll. Einen Moment später sehen wir – ihn – hinter der Kamera, Großaufnahme, s a g e n h a f t. Ich liebe Tierfilme. Schnitt.
Herr K. im Boot, Herr K. beim Klettern, Herr K. trägt ein Stativ, wir sind einfach weg vor Begeisterung. Plötzlich kämpfen Wölfe gegen ein Karibu, das Karibu gewinnt, die Wölfe humpeln von dannen. Ich muß einräumen, der Kampf war unfair. Das blutrünstige Karibu trug ein Geweih; die Wölfe nicht.
Wieder Herr Kieling, diesmal auf Skiern. Danach beim Filmen, Herr K. vorne, Herr K. hinten. Wie heißt doch gleich die Sendung? Im Visier der Grizzly-Giganten! Wer war bisher im Visier? Herr Kieling mit seiner Ausrüstung. Er versteht es wie kein zweiter, Spannung aufzubauen; eben baut er schon mal die Kamera auf. Und muß sogleich eine wilde Flucht vor eifersüchtigen Elchen ergreifen, die sich erdreisten, sich zwischen ihn und sein Arbeitsgerät zu zwängen. Bären hatten wir erwartet, keine Elche!
Die ersten 10 Minuten sind vorüber. Herr Kieling beim Positionieren des GPS; hat er sich jetzt verlaufen? Hoffentlich ist das auch im Kasten! Nun winkt Herr K. völlig außer Atem, und schon sitzt er im Flugzeug, Großaufnahme. Von der Landschaft, von Bären? Nein, vorerst leider nur von Herrn K.
Mit einemmal ist für 20 Sekunden ein Bär im Bild! Niemand ist mehr überrascht als Herr K. Das war nicht geplant, zur Strafe sofort wieder jede Menge Kieling. Er schaut durch ein Fernglas. Sind die Bären am Ende vielleicht doch etwas kleiner geraten? Jetzt erblickt man ihn zusammen mit einem Schwarzbären, der – im Hintergrund, versteht sich – etwas scheu vorüberschleicht. Eine Großaufnahme hatte der nicht im Vertrag; die ist heute nur Herrn Kieling vorbehalten.
Und wieder der Tierfilmer beim Fischen, sein Begleiter Craig nickt stumm, während Kieling starrt, Großaufnahme. K. beim Grillen, er und sein Freund Craig beim Essen. K. erklärt der Kamera, wie gefährlich das alles ist, sein Arbeitsgerät ist schwer beeindruckt. Wie war doch noch mal der Titel: Grizzly-Giganten? Wieso regt sich der Zuschauer überhaupt auf? Für lächerliche 200.- Euro GEZ-Gebühr im Jahr (400.- DM!) wird er doch nicht so naiv sein und erwarten, das zu sehen, was im Programm blumenreich angepriesen wird, oder doch?
Endlich – für ein paar Sekunden – Bären beim Fischen, dann sogleich ein brachialer Schnitt auf Kieling im Segelboot, während er uns Geographieunterricht erteilt. Dafür sind wir ihm unendlich dankbar, hatten wir doch zuvor keine Ahnung, wo die Insel Kodiak liegen könnte. Wir assoziierten bei dem Namen eher Kleinbildfilme. Dabei spielt es auch keine große Rolle, daß es, wie Eingeweihte glaubhaft versichern, auf Kodiak gar keine Grizzlies gibt.
20 Minuten sind bereits vorbei. Kieling kämpft mit Wetter, Sturm, Wellen und seiner Eitelkeit. Wo sind denn nun die Riesen-Bären? Dort sind sie doch! Etwas schwer zu erkennen, weil Kieling und Craig uns dummerweise die Sicht versperren, indem sie im Vordergrund vorüberpaddeln …
Dieser Tierfilmer scheint ein bißchen ungeschickt, denn bei den meisten Aufnahmen verdeckt er leider seine Motive mit seinem eigenen Konterfei. Welches Motiv Craig hatte, wissen wir nicht, denn er reist ab; der Tierfilmer bleibt allein zurück. Jetzt wird es ihm doch endlich gelingen, sein Versprechen einzulösen und uns die ersehnten 4,5 Meter Bären zu zeigen. Schon geht es los. K. im Schlauchboot. Der Titel dieses Filmes könnte auch lauten: ‚Bewegliches Stilleben’ mit Kieling!
Wiederholt pirscht er sich an. Die Gefahr, in die er sich begibt, läßt uns bis in die Unterwäsche erzittern.
Da! Die Sensation! Ein Bär! Dahinter K., der jetzt mit Füchsen spielt. Nein, es sind keine 4,5 Meter Füchse, jammerschade. Die sind auch eher selten. Nicht so rar dagegen sind neuerdings Tierfilmer, die angesichts der eigenen Kamera völlig vergessen, zu welchem Zweck sie diesen Beruf ergriffen haben…
K. steht auf einem Gipfel und späht über eine Bucht, was dem Szenario einen idyllischen Anstrich verpaßt. Sind sie dort, die 4,5 Meter Bären? Noch nicht, aber gleich. Erst steht K. noch im Wasser herum und repariert ein Segelboot. Wie hieß sie noch gleich, die Sendung? Das Boot? Und der Regisseur Wolfgang Petersen?
Endlich Dramatik pur: K. ißt aus einem Topf Tomatensuppe! Danach philosophiert er direkt in die Kamera, wobei er mit dem einen Auge nach Norden blickt, während sein anders den Südpol zu erhaschen sucht.
30 Minuten sind jetzt verstrichen. K. in Großaufnahme. Da! Ein Grizzly, der Muscheln ißt. Oder war’s doch ein Kodiakbär? Weil er uns darüber, wie über vieles andere auch, im Unklaren läßt, ist die Spannung kaum mehr zu ertragen. Im Vordergrund sprich K. mit leiser Stimme. Plötzlich sind fünf Bären im Bild. Ohne Kieling! Was ist geschehen? Haben sie ihn etwa …? Sie kauen etwas. Aber das hat Gott sei Dank keine Hosen an. Sondern Schuppen. Die Bären essen Lachse. Unglaublich.
Großaufnahme: Natürlich K, jetzt erzählt er von Bären. Wie sie aussehen, was sie so treiben. Warum nur zeigt er sie uns nicht, wie versprochen? Dabei schleppt er ein Stativ. Was auch sonst? Ich meine, das Zubehör eines Tierfilmers ist begrenzt. Und träte er ohne ein Utensil vor seine Kamera, könnte ihn der eine oder andere kritische Zeitgenosse für einen rothaarigen gnadenlos rampengeilen Selbstdarsteller halten.
Das aber kann man so nicht stehen lassen; schließlich ist er dunkelblond! Und hat laut ZDF nur eines im Sinn: Uns mit außergewöhnlichen Tieraufnahmen zu beglücken. Vielleicht gelingt ihm das. Eines Tages. In ferner Zukunft.
Schon wieder Kieling. beim Filmen, dahinter eine Bärin mit vier Jungen. Im Verhältnis zu K. sind die Bären winzig, was die Anspannung ins Unerträgliche schraubt. K. verspricht eine Sensation und zeigt: Sich! Beim Sonnenuntergang. Plötzlich jede Menge Bären, für Sekunden nur, dann ein abrupter Schnitt: K. im Zelt. Die Dramatik nimmt weiter zu. Ich meine, was ist schon ein banaler Filmausschnitt eines 4,5 Meter Bären gegen einen Herrn Kieling in Großaufnahme?
K. im Fluß. K. am Kadaver eines Bären, er fragt uns, was diesen Bären getötet haben könnte. Er fragt uns! Ich empfinde das als albern, schließlich sind nicht wir, sondern Herr Kieling ist auf Kodiak, wie wir im Verlaufe des heutigen Abends schon ein oder zwei Mal – ansatzweise – sehen mußten. In Großaufnahme.
Kieling erklärt mit ernster Miene, was ohnehin jeder weiß: Daß Bären gefährlich sind und man sich ihnen nicht nähern soll. Er aber tut es. Immer wieder, immer näher. Als der Koloß schließlich genervt angreift, rennt K. um sein bißchen Leben und versucht, den Bär auf amerikanisch zu vertreiben; Kodiak ist eine US- amerikanische Insel, wie wir erfahren durften. Als das nicht fruchtet, versucht er es auf deutsch. Dabei verdeckt er – rein zufällig – das, weswegen wir heute abend den Fernseher eingeschaltet haben. Denn jener Bär, den Kieling vielsprachig zu verjagen hofft, ist kaum zu erkennen. Bloß etwas Fell. Vielleicht sollten wir Herrn K. einmal verraten, wo sich bei einer Kamera Okular und Objektiv befinden?
Wieder Nahaufnahme von K. Endlich steht er den zähnefletschenden Giganten gegenüber. 4,5 Meter messen sie zwar nicht ganz, auch wiegen sie keine 1,3 Tonnen. Leider. Im Vertrauen: Es sind exakt jene Bären, die wir schon hundertmal gesehen haben, in anderen, in besseren, spannenden – in richtigen Tierfilmen. Aufgerichtet etwas über 2,5 Meter hoch, 300 kg schwer. Aber verraten wir es dem Kieling nicht, der glaubt nämlich allen Ernstes, er sei der erste, der sie auf Zelluloid bannt. Um korrekt zu sein: Der sich selber filmt und ihnen gestattet, hinter ihm vorüberzuziehen. Und das ‚einäugige’ ZDF hat uns eine glatte Tonne Bär unterschlagen.
Immerhin ist Herr K. jetzt volle 1 ½ Minuten am Stück nicht zu sehen! Eine Erholung. Dann ist der Film aus. Halt, noch nicht ganz. K. läuft noch einmal auf Skiern durchs Bild, ganz nah kommt er uns. Am Ende einer jeden Sendung von – und vor allem mit – Andreas Kieling wissen wir über den Tierfilmer alles, kennen die Poren in seinem geröteten Gesicht und seine Vorlieben in Sachen Verpflegung, während wir über die Objekte unserer Begierde weiterhin im Ungewissen bleiben müssen.
Unwillkürlich denken wir an den unglücklichen Steve Irwin, der den Preis für sein unvorsichtiges Handeln bezahlen mußte, indem er bei einer seiner zahllosen Selbstdarstellungen von einem Stachelrochen aufgespießt wurde.
Da der Zuschauer mit Sendungen wie z. B. dem großartigen Sechsteiler der ARD ,Erlebnis Erde’ – dessen qualifizierte Tierfilmer uns Tiere und Landschaft zeigen, sonst nichts – nur spärlich verwöhnt wird, wollen wir nur hoffen, daß der nächste Tierfilm aus Alaska oder von der Insel Kodiak nicht von einem Bären gedreht werden muß; weil jener, dem die Ausrüstung zu Lebzeiten gehörte, verhindert ist …
Seine Fans wären traurig. Alle beide.
Also, das mit der Reisebericht Moderatoren ist so eine Sache. Zugeeben, ich habe eine Sendung auf einem Lokalsender ind er Schweiz über das Leben in Norwegen aus Sicht eines Auslandschweizer. Hier zu http://www.youtube.com/PolybosStudio
Letzlich hatte ich die Idee, mal auf Travelchannel zu gucken, wie profesionelle Sendung über Reisedestinationen und ferne Länder machen.
Die ganze Zeit ist das wie oben beschrieben: Da quatscht der Moderator was er alle so macht. Und dann die ganze Zeit „ich das“ „ich dies“ usw. Wieso ich ? Die haben ja einen Kameramann und einen Tontechniker dabei, und müssen ja auch mit reisen. Wenn ich in meiner Sendung ich meine, dann bin ich wirklich alleine, und mache alles selbst.
Und beste war mal einer, der Leute getroffen hat, und statt direkt mit den Leuten zu reden, kam so eine Zusammenfassung was sein Gespächspartner gesagt hat.
Gewissen Leute in der Branche steigt, die ganze Reiserei zu Kopf. So in der Art: „Seht wo ich über all hin kann, und muss das nicht mal selber berappen.“