Buchkritik: Stratis Karamanolis: die internationale Raumstation
Ich habe dieses Buch mir mal gekauft, als es hier mal jemand in den Kommentaren empfohlen hat. Stratis Karamanolis ist für mich kein unbekannter. Ich habe schon zwei Bücher von ihm über Astronomie gelesen. So war es interessant dieses Buch zu lesen. Wie man auf den ersten Seiten erfährt, ist der Autor vom Fach. Er war früher bei MBB angestellt und verließ die Firma, als sich der Auftrag für das Spacelab zerschlug und wurde dann Autor. So sollte man ein fundiertes Buch erwarten von jemand der schon seit 20 Jahren Autor ist und bei dem Amazon über 100 Fundlisten für verschiedene Bücher (natürlich auch in verschiedenen Ausgaben) listet.
Das Buch zerfällt in folgende Teile. Der erste Teil mit einer kurzen Einführung in die bisherige Raumfahrt und dann etwas mehr über die früheren Raumstationen. Es folgt eine Einführung in die ISS und ihren Aufbau und es schließt mit den Aufbauflügen und dem Betrieb und den möglichen Nutzungen. Den Abschluss, nicht richtig dazu passend, ist ein Ausblick auf den Flug zum Mars. Es ist rund 250 Seiten stark, aber dank vielen Bildern und großer Schrift recht schnell in wenigen Stunden durchzulesen. Stand des Buches ist das Jahr 1999/2000. Es sind also schon einige Module in den Orbit befördert worden.
Ich habe ja schon beschrieben, dass mir zahlreiche Fehler in den ersten Seiten auffielen. Auch im folgenden finde ich vor allem viele Fehler bei Zahlen. Teilweise Zahlendreher wie „5,4 m“ anstatt „4,5 m“ Durchmesser, teilweise nicht nachvollziehbar, auch weil ich natürlich nicht weis, ob sich die Werte seit dem Buch nicht geändert haben oder ob auch hier ein Fehler drinsteckt.
Was das Buch recht gut leistet ist ein systemischer Überblick über die Station, also eine Einführung in die einzelnen Komponenten, die Konzepte für Lebenserhaltung, Kommunikation usw. Zu dem damaligen Zeitpunkt gab es zu wenige Daten über die einzelnen Teile, sodass diese eher dürftig sind.
Ist das Buch empfehlenswert für Personen die sich für die Geschichte der ISS interessieren, inklusive, der inzwischen gestrichenen Aufbauflüge? Ich meine nein. Denn es ist ein parteiisches Buch. Sachbücher sollten neutral sein. Das ist hier nicht der Fall. Die bemannte Raumfahrt wird als unausweichlich dargestellt und ihr Nutzen idealistisch darstellt. Besonders deutlich wird dies am letzten Teil der Nutzungsmöglichkeiten. Da scheibt der Autor allen ernstes, dass die ISS eine gute Plattform für Erdbeobachtung ist (obwohl die Bahn mit 52° Neigung nur Teile der Erde abdeckt und nicht mit dem Sonnenstand synchronisiert ist) und für die Astronomie, obwohl schon wegen der Bewegungen der Astronauten, der An- und Abkopplungen und laufenden Bahnmanöver die Station keine Langezeitstabilisierung bietet – und dies obwohl er selbst bei den Experimentmöglichkeiten schreibt, dass nur für maximal 1 Sekunde eine Ausrichtungsgenauigkeit von 2-3 Bogensekunden erreicht wird. Hubble kann auf 0,04 Bogensekunden über Stunden ausgerichtet werden – nur mal als Vergleich.
Wenn mir jemand der vom Fach ist und der es eigentlich besser wissen müsste mir einen Wolpertinger für echt verkaufen will, dann werde ich sauer. Das mag noch bei engagierten Laien durchgehen die ein Buch scheiben, aber so nicht. Als das Buch erschien, war schon bekannt, dass die bemannte Raumfahrt nicht durch Forschung rechtfertigbar ist. Trotzdem versucht dies der Autor. Er stellt auch keine Fragen zum Zweck. Warum soll ich untersuchen, wie sich Tiere und Pflanzen verhalten wenn sie in der Schwerelosigkeit sind? Die Evolution verlief ja in der Schwerkraft. Genauso gut kann ich natürlich feststellen was passiert, wenn ich Pflanzen und Tiere in einer Xenon Atmosphäre oder mit Ammoniak als flüssiges Medium aufziehe – auch das sind keine Bedingungen die es auf der Erde gibt und sie sind genauso unnötige Versuche.
Auch Projekte die als großer Erfolg vom Autor gefeiert werden, wie die D-2 Mission, waren damals schon als teure Lektion bekannt, ja er zitiert im Vorwort sogar Fr. Buhlmann, damals Ministerin für Forschung und Bildung: „Die Entscheidung die verfügbaren Mittel zu einem großen Teil in die bemannte Raumfahrt zu stecken, war falsch. Sie lässt sich nicht rückgängig machen“. Er resümiert nur, dass es gut war das Frau Buhlmann nicht dabei war als über die Station beraten wurde – eine Diskussion? Fehlanzeige. Die Frage ob die (damals auf 50 Milliarden) geschätzten Kosten gerechtfertigt sind? Sie fehlt. Das ist für ein Sachbuch nicht tolerierbar. Das geht bei einem Artikel für ein Magazin für Raumfahrtenthusiasten oder die Mars Society, aber nicht für ein Buch an die Allgemeinheit.