Die Industrie ohne Gedächtnis / die ct‘
Ich war gespannt auf die aktuelle ct‘. Es ist die erste nach Steve Jobs Tod, (eigentlich die zweite, aber für die letzte kam die Nachricht nach Redaktionsschluss) Ich war gespannt wie nun die Nachricht verarbeitet wird. Also was ich erwartet hatte, war ein Rückblick auf das Lebenswerk – vom Apple II über den Mac zu NeXT und die Rückkehr zu Apple wie auch eine Würdigung der Person.
Was kam ist ein einseitiger Artikel, in dem Jobs zwar gut charaktisiert wird, aber von dem was er geleistet hat sich doch fast nichts findet. Das ist nicht das einzige Mal, dass dies passiert. Erst durch meine Recherche zu dem Manuskript über Computergeschichten erfuhr ich, dass Ed Roberts im April 2010 starb, ein paar Jahre zuvor war es der Tod von Osborne der der Fachwelt schnurz war und eine kurze Recherche im ct Archiv ergab, das der Tod von Gary Kildall der ct‘ auch entging.
Okay, es gibt ja so viel wichtiges in der aktuellen ct, also mal sehen. Vier Seiten über neue Smartphones, acht Seiten über Apples neues Iphone (bemerkt eigentlich einer der Redakteure den Zynismus über den Mann der nicht nur dieses, sondern viele andere Produkte möglich machte und der gestorben ist (einmaliges Ereignis) auf einer Seite abzuhandeln und das neue Iphone auf acht Seiten (kein einmaliges Ereignis, in einigen Monaten gibt es das nächste, aber keinen neuen Jobs…).
Nun muss man sagen ist die ct‘ eine Ausnahme, sondern das ist heute noch die Regel. Man könnte überspitzt sagen die heutige Elektronik-Industrie hat ihre Pioniere vergessen. Die Journalisten auch. So hat man Stephen Wozniak doch tatsächlich gefragt ob Steve Jobs eher mit Edison oder mit Einstein vergleichbar ist. Auch hier ist die unfreiwillige Komik nicht verkennbar: den Schöpfer des Apple II, ohne den es auch nicht den Erfolg von Jobs gegeben hätte, den eigentlichen Erfinder und Tüftler fragt man nach der Qualifikation von Jobs als Erfinder – alles was er danach alleine entwickelte (Apple III, Mac, NexT) und bei dem er auf die Entwicklung direkt Einfluss nahm scheiterte. (bevor jemand beim Mac aufheult: nach schnellem Start stand das Gerät wie Blei in den Regalen. Erst als das Management den Speicher aufrüstete und mit Jobs Konzept, „alles in einem Gehäuse, ohne Erweiterungsmöglichkeiten“ brach wurde das Gerät richtig erfolgreich, doch da war Jobs schon weg von Apple).
Vielleicht ist es auch an der Zeit die ct abzubestellen. Ich habe die Zeitschrift erstmals 1984 gekauft und in den Achtzigern und frühen Neunzigern nur sporadisch gekauft, wenn ein interessanter Artikel drin war. Sie war mir damals zu „bastel-lastig“. Es gab zig Artikel für Hardwarebasteileien die mir als Mensch mit zwei linken Händen nichts brachten. In den Neunzigern entwuchs ich dem „Chip“-Niveau, weil die immer mehr verflachte. Die ct kaufte ich nun fast monatlich und so war der Sprung zu einem Abo 1995 die Konsequenz. Inzwischen finde ich in der ct‘ aber auch wieder viel was mich nicht mehr interessiert. Tests von Fernsehern, Smartphones, Besprechungen über soziale Netzwerke. Mit Computern und Technik hat das wenig zu tun. In den Achtzigern gab es Grundlagenartikel, die mir zu hoch waren. Heute gibt es Artikel die weit unter meinem Niveau sind.
Vielleicht ist es Zeit der ct‘ Ade zu sagen. Es gab Zeiten, da habe ich sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit gelesen. Dazu habe ich eine Stunde Zeit und nach zwei Wochen war ich bevor die neue Ausgabe kam am Ende. Jetzt reicht die Zeit die habe wenn ich das stille Örtchen aufsuche oder ein entspannendes Bad nehme. Ich bin ein Gewohnheitstier, wahrscheinlich bin ich der Zeitschrift deswegen noch treu. Da muss bei mir wohl einiges zusammenkommen. Ich habe auch von 1978 bis 1991 P.M. gelesen, auch noch als ich dem intellektuellen Niveau dieser Zeitschrift entwachsen war. Gekündigt habe ich mein Abo erst als immer mehr skurrile Hypothesen die wissenschaftlich nicht haltbar waren als ersthafte Theorien präsentiert wurden. Den Ausschlag gab dann die sogenannte Gaia Hypothese, die in mehreren Artikeln behandelt wurde. Bei der ct‘ nähert sich mein Unmut dieser Situation. So bin ich „plus-Abonnement“, das heißt es gab bisher im Halbjahresabstand eine CD mit den Artikeln des laufenden Jahres. Nun gibt es nur noch einen Onlinezugriff und wenn ich eine cd haben will kostet mich das weitere 9 Euro mehr. Dabei erlischt natürlich der Zugriff auf das Archiv wenn das Abo gekündigt wird – die DVD der letzten Jahre sind dagegen auch nach Kündigung da. Also im Endeffekt eine indirekte Preiserhöhung und Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten.
Da sind wir beim Grundproblem der Medien: Keiner hat Zeit sich ordentlich zu informieren, bevor er einen Artikel schreibt. Das Prinzip „wenn man keine Ahnung hat einfach mal die Fresse halten“ gilt dort nicht, schließlich muß das nächste Heft ja voll werden.
Sie hätten meines Erachtens bei monatlicher Veröffentlichung bleiben sollen und nicht ein Heft alle zwei Wochen rausbringen. Dann lieber weniger, dafür besser recherchierte Artikel. Trotzdem ist die c’t meiner Meinung nach den meisten anderen Zeitschriften journalistisch immer noch weit überlegen.
Das heute eine Verblödung statt findet, haben ich und meine Schwester erst kürzlich eindrücklich festgestellt:
Wir haben diskutiert, was wir als Kinder im Fernsehen so angeschaut haben. Irgendwann sind wir auf die Serie „Es war einmal das Leben“ gekommen. Darauf haben wir auf Youtube mal danach gesucht, und sind auch fündig geworden. Wir waren ganz erstaunt wie detailiert das ganze damals gemacht wurde, und vorallem, dass keine Details in der funktionsweise des Körpers ausgelassen wurde, und das in einer Kindersendung. Zwar wird alles kindgerecht gezeigt mit lustigen Geschichten, aber die Wissenschaft ist korrekt, wenn man den Erklärungen folgt.
Heute sind nicht einmal Erwachsenensendungen auf diesem Niveau.
Das PM Abo haben wir auch vor 10 Jahren gekündigt, als das esoterische Zeug überhand nahm, und zu viel über „neue“ Technologie in Autos kam. Lesen nur noch Spektrum.
Also an die „Es war einmal…“ Serie kann ich mich auch noch erinnern, allerdings an die Serie über die Geschichte (Es war einmal der Mensch, 1980, http://www.youtube.com/watch?v=KGV-CQNkBJU). Auch das ist als Kinderserie noch besser als das heutige Erwachsenenprogramm, zumindest bei den Privaten….
Chip und C´t kauf ich nur, wenn mich ein spezielles Thema interessiert. PM kaufe ich regelmäßig und ärger mich jedesmal. In 2 Stunden bin ich damit durch und manche Artikel gefallen mir sowenig, dass ich sie nur anlese. Aber jeden Monat hab ich die Hoffnung, vielleicht… Ich bin wohl auch ein Gewohnheitstier. Am Wochenende were ich mir mal Spektrum der Wissenschaft besorgen, ist vielleicht ne Alternative für mich.
Spektrum ist es wert zu lesen, die Artikeln werden von den Forschern selbst geschrieben. Sie werden zwar ins Deutsche übersetzt, wer es Orginal will, muss sich halt den Scientific American besorgen. habe aber das Gefühl, das im Spektrum ein paar mehr Artikeln hinzukommen.
Was mich an dieser Stelle stört, daß Steve Jobs wieder mal zur Gottheit erhoben wird.
Dieser Mensch war ein guter Manager, sonst nichts. (sprich: ein guter Kaufmann) Technisch / kreativ / schöpferisch hat er nicht beigetragen. Er hat nur andere stahlhart dirigiert, seine Visionen kompromißlos umzusetzen. Er war eine harte Führungspersönlichkeit. An technischen Details mußte er sich nie die Hände schmutzig machen.
Menschlich soll er ein Arschloch gewesen sein.
Unahbhängig davon finde ich die jetzige Firma Apple zum Kotzen. Was bietet die denn?
– überteuerte Lifestyleprodukte die künstlich gehyped werden und weniger Preis-Nutzwert-Verhältnis haben als der Mini Clubman oder VW New Beetle.
– alberne Patent-Kriege mit Samsung die schon ins Groteske übergehen
– lassen trotz teurer Endverkaufspreise in der Todesfabrik Foxconn in Taiwan fertigen, wo Menschen wie Vieh gehalten werden und aus Verzweiflung Selbstmord begehen (die Betonung liegt auf trotz hoher Endverkaufspreise! (Mercedes-Niveau!))
– Apple-Produkte sind verdongelt, der Nutzer hat keine Kontrolle darüber, was für Software er einsetzen darf und wie tief er ins System eingreifen darf.
(wofür Microsoft mit der TCPA Initiative vor ca. 5 Jahren hart kritisiert worden ist (Stichwort Fritz-Chip) was aber nie so realisiert worden ist. Ich kann heute (2011) immer noch in Windows 7 eine freie Software ausführen, muß dazu nur eine Warnmeldung wegklicken)
Fazit: Die ganze Firma und der Hype darum widert mich an. Und dieser Personenkult um Jobs, den sogar BILD-Schmierlappen Wagner fröhnt.
Ich möchte noch etwas zur PM und Konsorten schreiben.
Neulich saß ich im Zahnarzt-Wartezimmer, und ich blätterte ein Magazin durch, was so ähnlich aufgemacht ist wie PM (Name vergessen)
Da waren verschiedene interessante Sachen drin, wie z.B. die kleinste Wohnung der USA, New Yorkerin lebt glücklich auf 8 m² in Nähe Centralpark.
Was mich dann schockiert hat war ein Artikel über chronisch kranke Inder, die sich zur Wunderheilung auf die Gleise einer elektrischen Bahnlinie legen, um die Wirkung des Stromes zu nutzen. Schockiert hat mich nicht der Glaube der Personen an die Heilwirkung des Stromes. Schockiert hat mich der Text des Journalisten: „Das Bahnpersonal hat es den Leuten schon versucht zu erklären: Der elektrische Strom kommt über die Oberleitung. Daher ist es völlig nutzlos, sich auf die Schienen zu legen“
Auf den Fotos sah man eine einphasige Oberleitung (1 Fahrdraht), wie er bei 99% aller Bahnstrecken verwendet wird.
Fassungslos las ich den Text mehrmals, drehte und wendete dieses Magazin, und anschließend schämte ich mich dafür, Angehöriger einer Gesellschaft mit so oberflächlichem, verblödeten Jounalismus zu sein.
Hochachtung vor den Indern, die wenigstens von Elektrizitätslehre (intuitiv) mehr zu verstehen scheinen als diese bekifften geistigen Tiefflieger-Schreiblinge.
Ich weiss nicht ob der Sprung von P.M. zu Spektrum nicht ein zu großer ist. Spektrum wendet sich an den an Naturwissenschaft interessierten Leser mit einer entsprechenden Vorbildung. Forscher berichten dort zwar über ihr Forschungsgebiet aktuell, aber sie fangen nicht beim Anfang an, sondern erwarten schon Vorkenntnisse.
Wer von P.M. kommt dem würde ich eher Bild der Wissenschaft oder Geo empfehlen, sofern deren Ruf in den letzten Jahren nicht auch stark gelitten hat.
@Verkehrsvision: ich muss Dir auch als iPad-Besitzer bei den meisten Kritikpunkten zu Apple zustimmen, das mit dem Verdongeln stimmt aber nicht so ganz: Windows7 darfst Du nicht mit iOS vergleichen, sondern mit OS X. Und da kann man immer noch installieren, was man möchte.
Ich gebe nicht nur zu Apple sondern auch Jobs recht, wobei er sich in den letzten Jahren seines Lebens gebessert haben soll.
Apple war schon immer teurer, selbst beim Apple II galt dies. Auf der anderen Seite ist die Firma innovativ und vieles kam zuerst eben von Apple bevor es andere nachmachten.
Patentkriege sind was ganz normales. wer mal „Inside Intel“ gelesen hat, da findet man gute 200 seiten über die Machenschaften Intels andere klein zu machen und seit gut zwei Jahrzehnten prozessieren Intel und AMD gegeneinander. Das ist heute die Methode dafür zu sorgen, dass die Produkte möglichst lange einzigartig bleiben.
> Patentkriege sind was ganz normales.
und das ist auch der Grund, weshalb ich meine, dasss das Patentrecht abgeschafft werden sollte. Es schützt nämlich nicht die Innovation in Technik und Wissenschaft, sondern die Pründe der Konzerne.
Das wäre wohl etwas übertrieben. Alleerdings wäre es durchaus nötig, das Patentrecht mal vom Kopf auf die Füße zu stellen. Daß solche trivialen Dinge wie der Doppelklick überhaupt patentierbar sind, ist ein schlechter Witz. Solche Patentanträge und auch Patente auf seit Jahren allgemein genutzte Dinge sollten als das bestraft werden, was sie sind: Versuchter Betrug.