Isotope
Heute wieder ein Blog in meiner locken Reihe über Chemie, obwohl ich gleich zu Beginn sagen muss, dass Isotope eigentlich nur ein Randgebiet der Chemie sind. Doch dazu später mehr. Die chemischen Eigenschaften eines Elementes werden bestimmt durch die Anzahl der Protonen im Atomkern. Auf jedes Proton kommt ein Elektron und alle chemischen Reaktionen sind im Prinzip Reaktionen und Wechselwirkungen der Elektronenhülle. Darüber hinaus enthalten alle Elemente mit Ausnahme des häufigsten Isotops des Wasserstoffs noch Neutronen. Unter Isotopen versteht man verschiedene Atome eines Elementes mit einer unterschiedlichen Neutronenzahl. Die Neutronen beeinflussen die chemischen Eigenschaften nicht, jedoch die physikalischen. Doch auch hier gravierend nur in einigen Sonderfällen.
Während sie also für die Chemie unwichtig sind, dienen die unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften für manche interessante Untersuchungen. Die einzelnen Isotope sind Ergebnisse der Bildung der Elemente in den Sternen. Dabei scheint es so zu sein, dass die Natur eine Vorliebe für gerade Zahlen hat. Von den 262 nicht radioaktiven Isotopen die es in der Natur gibt, haben 98% eine gerade Anzahl an Protonen/und oder Neutronen, die meisten sogar eine gerade Anzahl an beiden Elementarteilchen.
Wenn man über Isotope spricht, dann denkt jeder an Radioaktivität. Ab der Ordnungszahl 92 sind alle Elemente radioaktiv. Aber auch Elemente die eine kleinere Atommasse haben können radioaktiv sein. Besonders große Atomkerne sind vor allem bei zu vielen Neutronen nicht mehr stabil und zerfallen. Dies ist jedoch nicht nur auf schwere Elemente begrenzt, sondern auch bei kleinen Elementen vorkommend. Als kleine Besonderheit gilt das Element Technetium. Technetium, mit der Ordnungszahl 43 sitzt mitten in der Eisengruppe, direkt neben dem Molybdän. Doch alle Isotope sind radioaktiv. Es wird für medizinische Untersuchungen eingesetzt.
Doch erst mal zu anderen Aspekten. Eine allgemeine Tendenz ist, dass die Anzahl der stabilen Isotope zunimmt, je höher die Ordnungszahl ist um dann wieder abzunehmen bis schließlich alle Isotope radioaktiv sind. Auch der prozentuale Anteil verändert sich. Viele der Elemente der ersten und zweiten Periode bestehen zu über 99% aus nur einem Isotop. Je höher die Ordnungszahl, um so mehr Isotope mit höherem Gewichtsanteil kommen vor.
Physikalisch wirken sich verschiedene Isotope kaum aus. Eine Ausnahme scheint der schwere Wasserstoff zu sein. Seine Dichte, Gefrierpunkt, Siedepunkt weichen deutlich vom normalen Wasserstoff ab und das gilt auch noch für die Verbindungen wie schweres Wasser. Das liegt darin, dass seine Atommasse schon doppelt so hoch wie beim normalen Wasserstoff ist. Bei den anderen Elementen ist der Unterschied weitaus kleiner. Doch er existiert auch dort.
So kann man Isotopenverhältnisse für Untersuchungen bei anderen Planeten oder Monden nutzen. Die Grundvorherstellung ist die, dass sich das Sonnensystem aus einem gut durchmischten Urnebel mit einer konstanten Zusammensetzung bildete. Wenn nun die Isotopenzusammensetzung der Venusatmosphäre deutlich von der der Erde abweicht, so hat dies Ursachen und man kann zumindest die Uratmosphäre rekonstruieren. Auch hierbei spielt das Isotop Deuterium, der schwere Wasserstoff eine Rolle, weil Wasserstoff bei allen erdähnlichen Planeten leicht diese verlassen kann, wenn er frei vorkommt (aufgrund der niedrigen Atommasse). Dies geschieht z.B. durch die Spaltung von Wasser durch UV-Strahlen. So kann man die Wassermenge an der Oberfläche abschätzen. Andere Rückschlüsse sind möglich durch das Verhältnis Argon 36/37 zu Argon 40. Die ersten beiden Isotope waren schon im Urnebel vorhanden. Auf den Gasplaneten findet man nur diese beiden Isotope.. Argon-40 entsteht aus dem radioaktiven Zerfall von Kalium-40, welches eine Halbwertszeit von 1,3 Milliarden Jahren hat. Auf der Erde besteht fast das gesamte Argon aus diesem Isotop. Auf der Venus gibt es dagegen gleich viel Argon-36 wie Argon 40. Da das Gas aus Kalium entsteht, das in Gesteinen gebunden ist, zeigt dieses geringere Verhältnis an, dass die Venus weniger aktiv ist, denn ohne so etwas wie Vulkanausbrüche wird es nicht freigesetzt.
Auf der Erde gibt es auch Unterschiede in der Isotopenverhältnissen. Manche Isotope werden durch die kosmische Strahlung gebildet und sind regional unterschiedlich. Mit moderner Analytik kann man die genaue Isotopenzusammensetzung der Mengenelemente Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff in organischer Substanz feststellen und die Verhältnisse sind dann charakteristisch für eine Region. Es gibt Experten die dies z.B. einsetzen wollen um den Missbrauch von EU Fördergelder zu verhindern. So lässt sich feststellen ob ein Lebensmittel tatsächlich in der Region produziert wurde die angegeben ist und nicht jemand Lebensmittel außerhalb der EU importiert und dann EU-Fördermittel einstreicht. So kann man natürlich auch Produktfälschungen nachweisen, wie z.B. Champagner der nicht aus der Champagne stammt.
Eine Isotopenmethode hat sogar einen eigenen Namen, die C-14 Methode. Der normale Kohlenstoff hat die Atommasse 12. Er macht 98,9% des Kohlenstoffs aus. Nur 1,1% entfallen auf das Isotop mit der Atommasse 13. Durch die kosmische Strahlung entsteht in der Hochatmosphäre das Isotop 14 mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren. Jedes Lebewesen nimmt nun Kohlenstoff aus der Umgebung auf. Pflanzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre, Tiere diese Pflanzen. Ein Teil davon (weniger als ein Milliardstel) entfällt auf das Isotop C-14. Es zerfällt, aber da der Organismus laufend neuen Kohlenstoff aufnimmt und alten ausscheidet bleibt der Gehalt an C-14 konstant: solange bis der Organismus abstirbt. Danach zerfällt nur noch das C-14 und über die Aktivität kann man dann das Alter bestimmen zu dem der Organismus abstarb. So kann man das Alter jedes Objektes bestimmen, das organische Substanz enthält. das ist neben Überresten von Lebewesen (Holz, Knochen) auch z.B. Holzkohle oder Asche. Das geht bis zu mehreren Halbwertszeiten. Der wichtigste Nachteil der Methode ist, dass für den menschlichen Besiedlungszeitraum die Halbwertszeit schon fast zu lange ist: Ein Baum der 3709 vor Christus gefällt wurde (also lange vor den Ägyptern und Sumerer) hat erst heute 50% des C-14 verloren. Bei einem Baum der 1600 gefällt wurde ist der Gehalt praktisch genauso hoch wie bei einem der um 1500 gefällt wurde. Der Fehler liegt daher sehr hoch.
Manchmal kann man die C-14 Methode auch zweckentfremden. Als ich noch Lebensmittelchemiker war hörte ich von einem Vorfall, der durch die C-14 Methode aufgeklärt wurde. Es gab den Verdacht der Fälschung von Obstbränden. Wer mal einen Himbeergeist gekauft hat, weiß wie teuer diese durch die hochpreisigen Zutaten sind. Der Betrieb schien viel zu klein zu sein um die verkauften Mengen produzieren zu können, doch die chemische Analyse war unauffällig. Bei billigen Fälschungen wird Alkohol mit einigen charakteristischen Substanzen versetzt welche für das Aroma prägend sind. Es fehlen aber andere Substanzen die als Folge der Gärung oder Zutaten entstehen und die nicht so wichtig für den Geschmack war. Da einer der Firmeninhaber Chemiker war, lag der Verdacht nach, dass er auch diese Spurenbestandteile zugesetzt wurden, schließlich kann man die Menge in der Fachliteratur nachlesen. Durch chemische Analyse war ein so „nachgebauter“ Obstbrand nicht von einem echten unterscheiden und natürlich auch geschmacklich nicht.
Die C-14 Methode lieferte die Aufklärung. In Obstbeständen stammt das C-14 aus Zucker, der aus dem Kohlendioxid der Atmosphäre gebildet wird. Seine C-14 Uhr läuft gerade erst an. Den Alkohol den man kaufen kann stammt nicht aus Gärung. Er stammt aus Ethen, bei dem Wasser addiert wurde. Das Ethen ist einige Millionen Jahre alt und stammt aus Erdgas oder aus Erdöl (durch Cracken). Es enthält überhaupt kein C-14 mehr, es ist längst zerfallen. So konnte der Betrüger doch noch dingfest gemacht werden.
Was C-14 für organische Substanz ist, das Ar-40 für das Alter von Meteoriten, Mond- oder Marsproben. Die radioaktive Strahlung die durch den Zerfall von Kalium-40 frei wird kann man bei Himmelskörpern ohne eine dichte Atmosphäre sogar vom Orbit aus messen. Das Bild links zeigt die Verteilung von Kalium an der Oberfläche bestimmt aus der beim Zerfall des Kalium freiwerdenden Gammastrahlung. Diese muss von der Oberfläche stammen, den sonst würde das Gestein sie absorbieren oder soweit abschwächen dass sie nicht mehr nachweisbar ist. Kalium ist wasserlöslich so findet man höhere Konzentrationen wo es sich im Wasser löste und wieder abschied nachdem dieses verdampfte. Es ist aber auch Bestandteil bestimmter Mineralien wie Glimmer, Feldspaten, Hornblenden. Deren Konzentration ist auch so bestimmbar.
Sehr interessant! – Den Artikel werde ich mir sicher noch ein paar mal durchlesen…
Zum Himbeergeist: ist mir schon klar, dass das illegal war, aber wenn geschmacklich und chemisch kein Unterschied festgestellt werden kann, ist er dann nicht auch gleichwertig?
Und noch was zu den Isotopen: ich war der Meinung, schon ab Ordnungszahl 83 ist alles radioaktiv.
Wichtig ist nicht nur die Chemie, sondern auch das Recht. Schlusssendlich wird ja auch Brandweinsteuer fällig und die eben nur bei gebranntem Schnaps und nicht bei gekauftem reinen Alkohol.
Bei der Radioaktivität hast Du recht. Ich bin da dadurch durcheinander gekommen das einige der Elemente zwar radioaktiv sind, aber mit so langen Halbwertszeiten, dass seit Bildung der Erde noch nicht mal eine Halbwertszeit um ist. Mit der Radioaktivität ist es auch mehr eine Spielwiese für die Physiker. da könnte Kevin ja mal was drüber schreiben….
Der nächste Chemieblog folgt in einigen Jahren.
In einigen Jahren? Ich hoffe, das hast Du nicht geschrieben, weil Du meine Kommentare als Kritik aufgefasst hast. Insgesamt kann ich mich Hans nur 100% anschließen. Ich würde mich auch mal wieder über einen Blog zur Lebensmittelchemie freuen.
Gemeint war Tage. Ich schreibe derzeit auf Vorrat weil ich ab dem 2.11 wieder beschäftigt bin für einen Monat. der nächste Blog über Stöchiometrie erscheint am 28.10 und nächste Woche dann einer über Halogene.
Guten Abend Herr Leitenberger,
mit Freude habe ich gerade ihren Artikel zu den Isotopen durchgelesen. Ist ein super Einstieg. Mein Sohn hatte im Unterricht auch unlängst damit zu tun. Ich habe ihm gleich den Artikel gezeigt. Der hat ihn gelesen und auch gleich verstanden. Super und vielen Dank.
Sie erwähnen ja die Isotopenanalyse bei Lebensmitteln. Mein Sohn meinte ich solle Sie noch auf diese Seite [https://www.elementar.de/maerkte/forensik.html] mit weiteren interessanten Einsatzmöglichkeiten der Isotopenanalyse hinweisen. Er fand die auch hilfreich.
Einen schönen Abend und Grüße
Tobias B.